Die Geschichte vom törichten Jäger
Original Artikel aus dem Deutschen BTG 12/1976
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Die Geschichte vom törichten Jäger
Im Wald von Prayaga lebte einmal ein Jäger, der das Glück hatte, den großen Weisen Nara-da Muni zu treffen. Narada kam nach Prayaga, um dort am Zusammenfluß des Ganges und der Yamuna sein Bad zu nehmen. Während er durch den Wald ging, sah er unversehens vor sich auf dem Boden einen vom Pfeil durchbohrten, halbtoten Vogel liegen, der jämmerlich schrie. An einer anderen Stelle sah er ein Reh im Todeskampf wild um sich schlagen, ein wenig weiter ein gefangenes Wildschwein, das Todesqualen litt, und dann ein Kaninchen, das sich vor Schmerzen am Boden wand. Dieser Anblick ging ihm sehr nahe, und so dachte er bei sich: "Wer ist so töricht, solche schweren Sünden auf sich zu laden?" Jeder Gottgeweihte empfindet großes Mitleid mit den leidenden Lebewesen, und ganz besonders natürlich der große Weise Narada.
Als er ein paar Schritte weitergegangen war, erblickte er plötzlich in einiger Entfernung einen Jäger, der mit Pfeil und Bogen bewaffnet auf der Pirsch war. Die Hautfarbe des Jägers war fast schwarz, seine Augen waren stark gerötet, und es schien schon gefährlich zu sein, ihn nur anzuschauen, wie er so dastand mit Bogen und Pfeilen, gleich einem Gefährten Yama-rajas - des Todes.
Als Narada ihn so sah, ging er auf ihn zu, und während er durch das Gehölz brach, schreckte er die vom Jäger zu seinen Fallen gelockten Tiere auf, die eilig entflohen. Darüber wurde der Jäger sehr erbost und wollte Narada schon verwünschen, doch der Einfluß des großen Heiligen machte es ihm unmöglich, ein schlechtes Wort über die Lippen zu bringen. Stattdessen fragte er Narada sanft:
"Mein lieber Herr, warum kommt Ihr zu mir, während ich jage? Habt Ihr Euch verirrt? Durch Euer Kommen habt Ihr alle Tiere verjagt." Narada antwortete: "Es tut mir leid, daß ich Dich störe. Ich bin nur gekommen, um nach dem Weg zu fragen. Übrigens habe ich auf dem Weg hierher Wildschweine, Rehe und Kaninchen gesehen, die sich halbtot am Boden wanden. Weißt Du, wer das getan hat?"
Der Jäger antwortete: "Was Ihr gesehen habt, mein Herr, hat seine Richtigkeit; ich selbst habe es getan."
"Wenn Du schon all die armen Tiere jagst", fragte Narada weiter, "warum tötest Du sie dann nicht sofort? Du läßt sie halbtot liegen, so daß sie einen qualvollen Tod sterben müssen. Das ist eine große Sünde. Wenn Du schon ein Tier töten willst, warum tötest Du es dann nicht vollständig? Warum läßt Du es angeschossen liegen, bis es unter Qualen stirbt?" Der Jäger entgegnete: "Mein lieber Herr, mein Name ist Mrigari, der Feind der Tiere. Mein Vater hat mich gelehrt, die Tiere nur halb zu töten, und es bereitet mir große Freude, zu sehen, wie sie zuckend verenden." Daraufhin sagte Narada: "Mein lieber Jäger, bitte erfülle mir einen Wunsch." Sogleich erklärte sich der Jäger bereit: "O ja, Herr, ich will Euch geben, was immer Euer Herz begehrt. Ich besitze Felle von Tigern, Rehen und vielen anderen Tieren - was immer Euch gefällt, will ich Euch geben." Narada antwortete jedoch: "Ich möchte keine Felle; mein Wunsch ist ein anderer. Versprich mir bitte, nie wieder ein Tier nur halb zu töten - wann immer Du von heute an ein Tier schießt, erlege es bitte ganz, und laß es nicht halbtot liegen."
Dem Jäger gefiel diese Bitte jedoch nicht, und so entgegnete er: "O mein Herr, was verlangt Ihr da von mir? Was ist der Unterschied zwischen halbtot und ganz tot?" Narada sagte: "Wenn du ein Tier nur halb tötest, muß es unter großen Qualen verenden, und es ist eine schwere Sünde, einem anderen Lebewesen unnötige Schmerzen zuzufügen. Ein Tier zu töten ist bereits ein großes Vergehen, doch viel schlimmer noch ist es, ein Tier nur zu verletzen und qualvoll sterben zu lassen. Die gleichen Schmerzen, die du jetzt einem Tier zufügst, wirst du selber in einem zukünftigen Leben erleiden müssen." Obwohl der Jäger ein sehr sündiger Mensch war, würde er doch von den Worten des großen Gottgeweihten Narada tief berührt, und er begann, sich vor seinen begangenen Sünden zu fürchten. Skrupellose Menschen haben keinerlei Bedenken, alle möglichen Sünden zu begehen, doch der Jäger war durch die Gegenwart des großen Heiligen bereits etwas gereinigt worden. Deshalb begann er sich vor den Folgen seiner Untaten zu fürchten und sagte:
"Mein lieber Herr, ich bin von Kindheit an dazu erzogen worden, Tiere auf diese Weise zu töten. Was soll ich nun tun? Könnt Ihr mir bitte sagen, wie ich vor den Reaktionen, die all die Vergehen und Sünden nach sich ziehen, bewahrt werden kann? Ich vertraue mich ganz Euch an und falle Euch zu Füßen. Bitte, rettet mich vor den Folgen meiner Grausamkeiten, und führt mich auf den rechten Pfad."
Narada erwiderte: "Nur wenn du bereit bist, meinen Anweisungen zu folgen, werde ich dir sagen, wie du von allen sündhaften Reaktionen frei werden kannst."
Der Jäger erklärte sich sogleich dazu bereit und versicherte: "Was immer Ihr von mir verlangt, will ich ohne Zögern tun."
Narada bat ihn daraufhin, als erstes den Bogen zu zerbrechen - dann würde er ihm Näheres über den Pfad der Befreiung offenbaren. Der Jäger fragte ängstlich: "Ihr bittet mich, meinen Bogen zu zerbrechen, aber wie soll ich dann für meinen Lebensunterhalt sorgen?"
Narada erwiderte: "Mache dir darüber keine Gedanken; ich werde schon dafür sorgen, daß du genügend zu essen hast." Daraufhin zerbrach der Jäger den Bogen und fiel Narada zu Füßen. Doch Narada hieß ihn aufstehen und sagte: "Geh nun zu deiner Hütte, suche alles Geld und Gut zusammen und verteile dies an die Gottgeweihten und brahmanas.
Gehe dann ans Flußufer und baue dort ein kleines, strohgedecktes Haus, säe einen Tulasi-Baum in der Nähe, umschreite ihn täglich, iß jeden Tag eines der abgefallenen Blätter und chante ständig:
Hare
Krishna Hare Krishna, Krishna Krishna Hare Hare,
Hare Rama Hare Rama, Rama Rama Hare Hare
Was deinen Lebensunterhalt betrifft, so werde ich dir alles Notwendige zukommen lassen. Aber du sollst nur soviel annehmen, wie du für dich und deine Frau brauchst."
Nachdem Narada geendet hatte, befreite er die halbtoten Tiere, die erlöst aus ihrer schrecklichen Lage, sofort entflohen, und als der schwarze Jäger dieses Wunder sah, fiel er Narada erneut zu Füßen und brachte ihm seine demütigen Ehrerbietungen dar.
Nun entfernte sich Narada, und der Jäger begann, die Unterweisungen des Heiligen in die Tat umzusetzen. Inzwischen verbreitete sich in den umliegenden Dörfern die Nachricht, daß aus dem Jäger ein Gottgeweihter geworden sei, und so kamen die Dorfbewohner herbei, um den neuen "Vaisnava" zu sehen. Nach vedischem Brauch ist es üblich, einem Heiligen Früchte und Getreide zu schenken, und als die Dorfbewohner sahen, daß der Jäger ein großer Gottgeweihter geworden war, brachten sie ihm reichlich Reis, Weizen, Gemüse und Früchte. Jeden Tag wurde ihm soviel gebracht, daß nicht weniger als zwanzig Menschen hätten satt werden können, doch der ehemalige Jäger hielt sich an Naradas Anordnung und nahm nicht mehr an, als er für sich und seine Frau zum Leben brauchte.
Als nach einigen Wochen Narada mit seinem Freund Parbuta Muni wieder in dieselbe Gegend kam, sagte er: "Hier in der Nähe wohnt ein neuer Schüler; laß uns ihn besuchen und sehen, wie es ihm geht." Als sich die beiden großen Weisen der Hütte des ehemaligen Jägers näherten und dieser seinen geistigen Meister aus der Ferne kommen sah, ging er den beiden Weisen mit großem Respekt entgegen. Doch beim Gehen bemerkte er plötzlich, daß Ameisen über den Weg liefen, und weil er sich vor Narada und Parbuta verbeugen wollte, räumte er vorher die Ameisen behutsam mit einem Tuch beiseite, um sie nicht zu zerdrücken. Als Narada dies sah, erinnerte er sich an einen Vers aus dem "Skanda Purana", in dem es heißt: "Ist es nicht wunderbar, daß ein Gottgeweihter niemandem, nicht einmal einer Ameise Schmerz zufügen will."
(Aus "Die Lehren Sri Krishna Chaitanyas" - eine Abhandlung über spirituelles Leben von Seiner Göttlichen Gnade A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada.)
HARE
KRISHNA, HARE KRISHNA, KRISHNA KRISHNA, HARE HARE,
HARE RAMA, HARE RAMA, RAMA RAMA, HARE HARE.