Photo Gallery

Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Von Seiner Heiligkeit A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada

zurück - Index - weiter

8. Kapitel: Die Offenbarung der universalen Form


Nach diesem Ereignis bat Vasudeva seinen Familienpriester Gargamuni, Nanda Maharaja zu besuchen, um die Zukunft Krsnas astrologisch zu berechnen. Gargamuni, ein großer Heiliger, der viele Entsagungen und Bußen auf sich genommen hatte, war der Priester der Yadu-Dynastie. Als er im Hause Nanda Maharajas eintraf, freute sich Nanda sehr, ihn zu sehen, und stand sofort mit gefalteten Händen auf, um ihm seine achtungsvollen Ehrerbietungen zu erweisen. Er empfing Gargamuni mit dem gleichen Respekt, mit dem man Gott, den Höchsten Herrn, verehrt. Er bot ihm einen bequemen Sitz an, und nachdem sich Gargamuni hingesetzt hatte, hieß ihn Nanda Maharaja mit herzlichen Worten willkommen. Er sagte: "Mein lieber brahmana, du erscheinst im Hause eines Haushälters nur, um Erleuchtung zu bringen. Wir Haushälter sind immer so sehr mit unserer Familie beschäftigt, daß wir darüber unsere eigentliche Pflicht vergessen, nämlich nach Selbstverwirklichung zu streben. Wenn du zu uns kommst, willst du uns im spirituellen Leben unterweisen; nur aus diesem Grund besuchst du die Haushälter." Eigentlich gibt es für einen Heiligen oder einen brahmana nicht den geringsten Grund, Haushälter zu besuchen, die sich gewöhnlich nur mit Geld- und Besitzangelegenheiten beschäftigen. Wenn sie es trotzdem tun, dann nur, um die Haushälter zu erleuchten. Man wird sich vielleicht fragen, warum die Haushälter nicht selbst zu einem Heiligen oder einem brahmana gehen, um sich erleuchten zu lassen. Die Antwort lautet, daß die Haushälter im allgemeinen sehr engstirnig sind und glauben, es sei ihre vornehmste Pflicht, sich um ihre Familie zu kümmern. Selbstverwirklichung und Erleuchtung im spirituellen Wissen halten sie für weniger wichtig. Daher ist Mitleid der einzige Grund, warum Heilige und brahmanas die Haushälter besuchen.

Nanda Maharaja bezeichnete Gargamuni auch als eine der großen Autoritäten in der astrologischen Wissenschaft. Die Voraussagen der Astrologie, wie z.B. der Zeitpunkt einer Sonnen- oder Mondfinsternis, beruhen auf eindrucksvollen Berechnungen, und durch diese Wissenschaft kann man seine Zukunft klar erkennen. Gargamuni war auf diesem Gebiet sehr erfahren. Mit Hilfe der Astrologie kann man feststellen, was man in seinem vorherigen Leben getan hat und welche Ergebnisse man im jetzigen Leben genießen oder erleiden wird.

Nanda Maharaja nannte Gargamuni auch "den besten der brahmanas". Als brahmana wird jemand bezeichnet, der mit dem Wissen über das Höchste vertraut ist. Ohne Wissen über das Höchste Absolute zu besitzen, kann man nicht als brahmana anerkannt werden. Das genaue Wort, das in diesem Zusammenhang gebraucht wird, lautet brahmavidam, was soviel bedeutet wie "diejenigen, die den Höchsten sehr gut kennen". Ein erfahrener brahmana kann für die untergeordneten Kasten, die ksatriyas und vaisyas, Reinigungszeremonien durchführen; die sudras hingegen unterziehen sich keinen solchen Ritualen. Die brahmanas gelten als die spirituellen Meister der ksatriyas und vaisyas und erfüllen auch alle priesterlichen Aufgaben. Nanda Maharaja war ein vaisya, und er sah Gargamuni als brahmana höchsten Ranges an. Er holte deshalb seine beiden Pflegesöhne, Krsna und Balarama, und bat Gargamuni, Sie der üblichen Reinigungszeremonie zu unterziehen. Damit zeigte er, daß nicht nur seine beiden Söhne, sondern alle Menschen gleich nach der Geburt einen qualifizierten brahmana als spirituellen Meister annehmen sollten.

Auf diese Bitte Nandas hin antwortete Gargamuni: "Vasudeva hat mich hierher geschickt, damit ich für diese Knaben, und ganz besonders für Krsna, die Reinigungszeremonien durchführe. Ich bin der Familienpriester der Yadu-Dynastie, und irgendwie habe ich den Eindruck, Krsna sei der Sohn Devakis." Anhand seiner astrologischen Berechnungen wußte Gargamuni, daß Krsna der Sohn Devakis war und daß Er der Obhut Nanda Maharajas anvertraut worden war, ohne daß dieser davon wußte. Er deutete indirekt an, daß sowohl Krsna als auch Balarama die Söhne Vasudevas waren. Es war allen bekannt, daß Balarama der Sohn Vasudevas war, denn Seine Mutter Rohini wohnte in Vrndavana; doch Nanda Maharaja wußte nicht, daß auch Krsna der Sohn Devakis war. Indirekt also offenbarte Gargamuni dieses Geheimnis. Gargamuni warnte Nanda Maharaja gleichzeitig vor Kamsa und sagte, dieser sei ein äußerst sündvoller Mensch, und wenn Kamsa erfahren würde, daß er, Gargamuni, als Familienpriester der Yadus die Reinigungszeremonie durchführe, dann würde er sofort glauben, Krsna sei der Sohn von Vasudeva und Devaki. Auch hätten astrologische Berechnungen ergeben, daß das achte Kind von Devaki unmöglich ein Mädchen sein konnte, wie es alle annahmen. Auf diese Weise deutete Gargamuni Nanda Maharaja gegenüber an, daß das Mädchen eigentlich von Yasoda geboren worden war und daß Krsna in Wirklichkeit Devakis Sohn war, daß die beiden aber vertauscht wurden. Darüber hinaus hatte das weibliche Kind, das in Wirklichkeit die Göttin Durga war, Kamsa darüber informiert, daß der Knabe, welcher ihn töten werde, bereits an einem anderen Ort geboren worden sei. Gargamuni fuhr fort: "Wenn ich deinem Kind einen Namen gebe und wenn Kamsa erfährt, daß dieser Knabe genau mit der Prophezeiung des Mädchens übereinstimmt, dann wird dieser frevlerische Dämon nicht zögern, hierherzukommen, um nach der Namengebungszeremonie auch dieses Kind zu töten. Ich möchte nicht für all dieses zukünftige Unheil verantwortlich sein."

Nachdem Nanda Maharaja die Worte Gargamunis gehört hatte, sagte er: "Wenn die Situation derart gefährlich ist, dann ist es besser, keine festliche Namengebungszeremonie abzuhalten. Unter diesen Umständen wird es besser sein, wenn du einfach die erforderlichen vedischen Hymnen chantest und die Reinigungsvorgänge in aller Stille vollziehst. Wir gehören zur Kaste der Zweimalgeborenen, und so möchte ich deine Anwesenheit nutzen. Daher bitte ich dich, die Namengebungszeremonie trotzdem durchzuführen; wir werden dabei einfach jedes Aufsehen vermeiden." Nanda Maharaja wollte, daß die Namengebungszeremonie ein Geheimnis blieb, doch zur gleichen Zeit wollte er auch die günstige Gelegenheit der Anwesenheit Gargamunis nutzen und diese Zeremonie von ihm durchführen lassen.

Als Gargamuni so inständig von Nanda Maharaja gebeten wurde, vollzog er die Namengebungszeremonie so unauffällig wie möglich in Nanda Maharajas Kuhstall. Er erklärte dabei, daß Balarama, der Sohn Rohinis, Nanda Maharajas Familienmitgliedern und Verwandten sehr viel Freude bereiten werde und deswegen den Namen Rama erhalten werde. Außerdem werde Er in der Zukunft ungewöhnliche Kraft offenbaren und deshalb auch Balarama genannt werden. Des weiteren sagte Gargamuni zu Nanda Maharaja: "Weil deine Familie so eng mit der Familie der Yadus verbunden ist und weil zwischen euch eine so tiefe Freundschaft herrscht, wird man Ihn auch Sankarsana nennen." Gargamuni gab dem Sohne Rohinis also drei Namen: Balarama, Sankarsana und Baladeva. Doch er sagte vorsichtshalber nichts davon, daß Balarama ebenfalls im Schoße Devakis erschienen und daraufhin in den Schoß Rohinis versetzt worden war. Krsna und Balarama sind wirkliche Brüder, denn Sie sind ursprünglich die Söhne Devakis.

Gargamuni gab Nanda Maharaja weitere Informationen: "Was den anderen Knaben betrifft, so ist Er bereits in den verschiedenen anderen yugas (Zeitaltern) erschienen, und zwar mit unterschiedlicher Körperfarbe: zuerst mit weißer, dann mit roter, dann mit gelber und nun mit schwarzer Körperfarbe. Er wurde früher einmal als der Sohn Vasudevas geboren, und deshalb soll Er sowohl Vasudeva als auch Krsna heißen. Manche Menschen werden Ihn Krsna nennen und andere Vasudeva. Dazu muß ich dir noch sagen, daß dieses Kind bereits viele andere Namen bekommen hat, von denen sich jeder auf Seine verschiedenen Taten und Spiele bezieht."

Gargamuni ließ Nanda Maharaja des weiteren wissen, daß man seinen Sohn auch Giridhari nennen werde, weil Er als eines Seiner ungewöhnlichen Spiele den Govardhana-Hügel hochheben werde. Da Gargamuni Einblick in Vergangenheit und Zukunft hatte, fuhr er fort: "Ich kenne alle Seine Spiele und Namen; andere wissen nichts davon. Dein Sohn wird allen Kuhhirten und Kühen sehr viel Freude bereiten. Er wird in Vrndavana sehr beliebt sein, und deswegen wird Er dir viel Glück bringen. Durch Seine Anwesenheit wirst du trotz vieler Hindernisse alle materiellen Schwierigkeiten überwinden."

Gargamuni sagte weiter: "Mein lieber König von Vraja, in Seinen früheren Leben hat dieses Kind viele Male, wenn politische Wirren überhandnahmen, die rechtschaffenen Menschen vor Räubern und Schurken beschützt. Dein Kind ist so mächtig, daß jeder, der Sein Geweihter wird, vor Feinden sicher ist. Wie die Halbgötter immer von Sri Visnu beschützt werden, so werden die Geweihten deines Sohnes immer von Narayana, der Höchsten Persönlichkeit Gottes, beschützt. Dieses Kind wird an Macht, Schönheit und Reichtum — in jeder Hinsicht — Narayana, der Höchsten Persönlichkeit Gottes, gleichkommen. Deshalb gebe ich dir den Rat, deinen Sohn sorgfältig zu behüten, so daß Er ungestört aufwachsen kann."

Weil Nanda Maharaja ein Geweihter Narayanas sei, so fuhr Gargamuni mit seiner Erklärung fort, habe ihm Sri Narayana einen Sohn gegeben, der Ihm Selbst ebenbürtig ist. Gleichzeitig jedoch sagte Gargamuni zu Nanda Maharaja: "Dein Sohn wird von vielen Dämonen angegriffen werden. Sei also vorsichtig und beschütze Ihn." Auf diese Weise überzeugte Gargamuni Nanda Maharaja davon, daß Narayana persönlich sein Sohn geworden war. Er beschrieb in vielen Einzelheiten die transzendentalen Eigenschaften Krsnas, und nachdem er so gesprochen hatte, kehrte er nach Hause zurück. Nanda Maharaja freute sich sehr über die Segnung, die er bekommen hatte, und er hielt sich für den glücklichsten Menschen der Welt.

Kurz danach begannen Krsna und Balarama, auf Händen und Knien umherzukriechen, was Ihre Mütter mit großer Freude erfüllte. Die Glöckchen, die an Ihren Hüften und Fußgelenken hingen, klingelten fröhlich, und es gab nichts Erfreulicheres, als Ihnen zuzuschauen, wie Sie so vergnügt umherkrochen. Manchmal wurden Sie genau wie gewöhnliche Kinder von anderen erschreckt, worauf Sie sogleich zu Ihren Müttern flohen, um bei ihnen Schutz zu suchen. Manchmal fielen Sie auch in den Lehm und den Schlamm von Vrndavana und kamen dann über und über mit Lehm und Safran beschmiert nach Hause. Eigentlich waren Sie von Ihren Müttern mit Safran und Sandelholzpaste eingerieben worden, doch weil Sie im schlammigen Lehm gespielt hatten, waren Ihre Körper ganz voll Lehm. Sowie Sie zu Yasoda und Rohini kamen, nahmen diese ihre beiden Kinder auf den Schoß, bedeckten Sie mit dem unteren Teil ihres Saris und gaben Ihnen die Brust. Als die Kinder an ihren Brüsten saugten, fühlten die Mütter, daß bereits die ersten Zähnchen kamen, und so steigerte sich ihre Freude nur noch mehr, da sie sahen, wie ihre Kinder heranwuchsen. Manchmal krabbelten die beiden auch zum Kuhstall, ergriffen den Schwanz eines Kalbes und zogen Sich daran hoch. Die erschreckten Kälber begannen sofort, wild durcheinanderzulaufen, und zogen die Kinder durch Kuhfladen und Schlammpfützen hinter sich her. Yasoda und Rohini riefen dann sogleich ihre Nachbarinnen, die gopis, herbei, damit alle diesen Spaß miterleben konnten. Als die gopis die kindlichen Spiele Sri Krsnas sahen, wurden sie in transzendentale Glückseligkeit getaucht, und in ihrer ekstatischen Freude lachten sie aus vollem Halse.

Krsna und Balarama waren so lebhaft, daß ihre Mütter ständig damit zu tun hatten, sie vor Kühen, Stieren, Affen, Wasser, Feuer und Vögeln zu schützen, während sie gleichzeitig auch ihren Haushaltspflichten nachkommen mußten. Weil sie ständig ängstlich darum bemüht waren, auf die Kinder aufzupassen und gleichzeitig ihre übrigen Pflichten zu erfüllen, kamen die beiden Mütter nie zur Ruhe. Schon nach kurzer Zeit gelang es Krsna und Balarama, Sich auf Ihre Beine zu stellen, und unbeholfen wagten Sie Ihre ersten Schritte. Als Sie so umhertappten, schlossen sich Ihnen einige gleichaltrige Freunde an, und auf diese Weise bereiteten sie den gopis, ganz besonders aber Mutter Yasoda und Rohini, die höchste transzendentale Freude.

Alle gopi-Freundinnen von Yasoda und Rohini hatten ihre Freude an den frechen, kindlichen Spielen Krsnas und Balaramas in Vrndavana. Um noch größere transzendentale Glückseligkeit zu erfahren, taten sie sich eines Tages alle zusammen und gingen zu Mutter Yasoda, um sich bei ihr über die ungezogenen Jungen zu beklagen. Als Krsna gerade vor Mutter Yasoda auf dem Boden saß, begannen die älteren gopis, ihre Klagen gegen Ihn vorzubringen, so daß auch Er sie hören konnte. Sie sagten: "Liebe Yasoda, warum läßt du deinen frechen Krsna tun und lassen, was Er will? Er kommt jeden Morgen und Abend, bevor die Kühe gemolken werden, zusammen mit Balarama zu unseren Häusern und bindet die Kälber los, die natürlich sofort zu den Kühen laufen und deren Milch trinken. Wenn wir dann die Kühe melken wollen, finden wir, daß ihre Euter leer sind, und so müssen wir mit leeren Eimern und Töpfen zurückkehren. Wenn wir dann Krsna und Balarama schelten, nicht noch einmal so etwas zu tun, lächeln Sie einfach nur zauberhaft. Wir fühlen uns so hilflos. Auch bereitet es Krsna und Balarama große Freude, unseren Joghurt und unsere Buttervorräte zu stehlen. Wir können unsere Vorräte nicht vor Ihnen verstecken. Ganz gleich wo wir sie aufbewahren, die beiden finden sie immer. Wenn wir Krsna und Balarama dann ertappen, wie Sie den Joghurt und die Butter davontragen, entgegnen Sie: ,Warum sagt ihr, daß Wir stehlen? Denkt ihr etwa, daß es bei Uns zu Hause an Butter und Joghurt mangelt?' Manchmal nehmen Sie auch den Joghurt, die Butter und die Milch und verteilen sie an die Affen. Wenn die Affen dann satt sind und nichts mehr nehmen wollen, fangen deine Söhne an zu schimpfen und sagen: ,Die Milch, die Butter und auch der Joghurt sind wertlos — nicht einmal die Affen wollen davon nehmen.' Dann zerbrechen Sie die Töpfe und werfen sie durcheinander. Und selbst wenn wir unsere Butter, den Joghurt und die Milch an einem versteckten, dunklen Ort aufbewahren, finden Krsna und Balarama unsere Vorräte, da der Schmuck und die Juwelen, die Sie tragen, einen leuchtenden Schimmer verbreiten. Sollten Sie aber zufällig einmal die versteckte Butter und den Joghurt nicht finden, dann gehen Sie zu unseren kleinen Kindern und zwicken sie, bis sie zu weinen beginnen, und dann machen Sich die beiden schnell aus dem Staub. Selbst wenn wir unsere Butter- und Joghurtvorräte hoch unter der Zimmerdecke auf eine Schaukel stellen, so daß sie sich außerhalb Ihrer Reichweite befinden, gelingt es Ihnen dennoch, an diese Vorräte heranzukommen, indem Sie Kisten auf einem umgestülpten Mörser aufeinanderstapeln. Und wenn Sie die Butter einmal nicht erreichen können, machen Sie ein Loch in den Topf. Wir möchten dich daher bitten, deinen Kindern den Juwelenschmuck abzunehmen."

Als Mutter Yasoda diese Klagen hörte, sagte sie: "Gut, ich werde Krsna allen Schmuck wegnehmen, so daß Er in der Dunkelheit die versteckte Butter nicht mehr finden kann." Doch die gopis erwiderten schnell: "O nein, tu nur das nicht! Es würde sowieso nichts nützen, wenn du Ihnen den Schmuck wegnimmst; wir wissen nicht, was es mit diesen Jungen auf sich hat, aber auch ohne Schmuck geht ein Leuchten von Ihnen aus, so daß Sie sogar in der Dunkelheit alles sehen können." Mutter Yasoda sagte daraufhin zu den gopis: "Ihr müßt in Zukunft eure Butter und euren Joghurt besser verstecken, so daß die Jungen eure Vorräte nicht erreichen können." Doch die gopis entgegneten: "Das tun wir schon seit langem, aber weil wir auch unseren Haushaltspflichten nachgehen müssen, gelingt es diesen ungezogenen Jungen immer wieder, Sich unbemerkt ins Haus zu schleichen und Unordnung zu stiften. Und wenn es Ihnen einmal nicht gelingt, unsere Butter und unseren Joghurt zu entwenden, urinieren oder spucken Sie aus Zorn auf den sauberen Fußboden. Sieh dir nur einmal deinen Krsna an — Er weiß sehr gut, wovon wir sprechen. Den ganzen Tag hecken Krsna und Balarama Pläne aus, wie Sie an unsere Butter und unseren Joghurt herankommen können, und da sitzen Sie nun wie zwei artige Jungen. Sieh nur einmal Krsnas Gesicht an." Als Mutter Yasoda all diese Klagen hörte, überlegte sie, wie sie Krsna bestrafen könne, doch als sie Sein reuiges Gesicht sah, mußte sie lächeln und vergaß ihr Vorhaben.

Ein anderes Mal, als Krsna und Balarama mit Ihren Freunden spielten, taten sich alle Jungen mit Balarama zusammen und erzählten Mutter Yasoda, Krsna habe Lehm gegessen. Als Mutter Yasoda dies hörte, nahm sie Krsna sofort bei der Hand und sagte zu Ihm: "Mein lieber Krsna, warum hast Du heimlich Erde gegessen? Sieh doch nur, alle Deine Freunde, selbst Balarama, beklagen sich schon über Dich." Weil Sich Krsna vor Seiner Mutter fürchtete, antwortete Er: "Meine liebe Mutter, diese Jungen und auch Mein älterer Bruder Balarama verbreiten Lügen über Mich. Ich habe keinen Lehm gegessen. Als wir heute zusammen spielten, wurde Balarama zornig auf Mich, und deshalb hat Er Sich mit den anderen verbündet, um Sich bei dir über Mich zu beklagen. Sie stecken alle unter einer Decke. Sie wollen Mich bei dir anschwärzen und hoffen, daß du zornig wirst und Mich bestrafst. Wenn du glaubst, daß sie die Wahrheit sagen, dann schau in Meinen Mund und sich nach, ob Ich Lehm gegessen habe oder nicht." "Gut", erwiderte Mutter Yasoda, "wenn Du wirklich keinen Lehm gegessen hast, dann öffne Deinen Mund — ich werde es ja sehen."

Als die Höchste Persönlichkeit Gottes, Krsna, von Seiner Mutter diesen Befehl bekam, machte Er wie ein gewöhnlicher Junge gehorsam Seinen Mund auf, und da sah Mutter Yasoda die gesamte Fülle der Schöpfung. Sie sah die grenzenlosen Dimensionen des Weltraums, alle Berge, Inseln, Meere, Ozeane, Planeten sowie die Luft, das Feuer, den Mond und die Sterne. Zusammen mit dem Mond und den Sternen sah sie auch alle Elemente, das Wasser, den Himmel, den alldurchdringenden Äther, das gesamte Ich, die Erzeugnisse der Sinne und den Beherrscher der Sinne, alle Halbgötter, die Objekte der Sinne, wie Klang, Geruch usw., und die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Sie konnte auch erkennen, daß sich in Krsnas Mund alle Lebewesen, die ewige Zeit, die materielle und die spirituelle Natur, Aktivität, Bewußtsein und die verschiedenen Zustände der gesamten Schöpfung befanden. Yasoda sah im Munde ihres Kindes alles, was zur kosmischen Manifestation gehört. Sie sah sogar sich selbst, wie sie Krsna auf ihren Schoß nahm und Ihm die Brust gab. Als sie all dies erblickte, wurde sie von Ehrfurcht ergriffen und fragte sich, ob sie träume oder ob sie tatsächlich Zeuge eines außergewöhnlichen Schauspiels sei. Sie kam zu dem Schluß, sie müsse entweder träumen oder dem Spiel der illusionierenden Energie der Höchsten Persönlichkeit Gottes zusehen. Sie war verwirrt und glaubte, sie müsse den Verstand verloren haben, da sie solch seltsame Erscheinungen sehe. "Vielleicht hat all dies seine Ursache in der kosmischen mystischen Kraft meines Kindes", dachte sie bei sich. "Vielleicht sehe ich deshalb solche Visionen in Seinem Mund. Ich erweise nun der Höchsten Persönlichkeit Gottes meine respektvollen Ehrerbietungen, unter dessen Energie man sich mit seinem Körper und seinen körperlichen Besitztümern identisch fühlt." Sie fuhr fort: "Ich erweise dem Herrn meine demütigen Ehrerbietungen, unter dessen illusionierender Energie ich glaube, Nanda Maharaja sei mein Ehemann, Krsna sei mein Sohn, all das, was Nanda Maharaja besitzt, gehöre auch mir, und alle Kuhhirten und ihre Frauen seien meine Untergebenen. All diese falschen Vorstellungen haben ihre Ursache in der illusionierenden Energie des Höchsten Herrn. Deshalb bete ich zu Ihm, daß Er mich immer beschütze."

Während Mutter Yasoda über solch erhabene philosophische Gedanken nachsann, erweiterte Sri Krsna Seine innere Energie erneut, um ihr diese Sicht mit dem Gefühl mütterlicher Zuneigung zu bedecken. Augenblicklich vergaß Mutter Yasoda alle philosophische Spekulation und hielt Krsna wieder für ihr Kind. Sie nahm Ihn auf den Schoß und wurde von mütterlicher Zuneigung überwältigt. Dabei dachte sie bei sich: "Die gewöhnlichen Menschen können Krsna mit ihren materiellen Sinnen nicht verstehen, doch Er kann durch die Upanisaden, den Vedanta wie auch durch das mystische yoga-System und die sankhya-Philosophie erkannt werden." Dann hielt sie die Höchste Persönlichkeit Gottes wieder für ihr eigenes Kind.

Um die Absolute Wahrheit, die Höchste Persönlichkeit Gottes, als Sohn zu bekommen und Ihn mit der eigenen Milch stillen zu dürfen, muß Mutter Yasoda in ihren früheren Leben unzählige fromme Tätigkeiten ausgeführt haben. Ebenso steht es außer Frage, daß auch Nanda Maharaja viele große Opfer dargebracht und fromme Tätigkeiten ausgeführt hatte, denn Sri Krsna erschien als sein Sohn und nannte ihn "Vater". Doch es ist überraschend, daß nicht auch Vasudeva und Devaki an der transzendentalen Glückseligkeit der Kindheitsspiele Krsnas teilhaben konnten, obwohl Krsna eigentlich ihr Sohn war. Die Kindheitsspiele Krsnas werden selbst heute noch von vielen Weisen und Heiligen verherrlicht, doch Vasudeva und Devaki konnten sich nicht persönlich an diesen Spielen Krsnas erfreuen. Der Grund dafür wurde von Sukadeva Gosvamigegenüber Maharaja Pariksit wie folgt erklärt.

Als der beste der Vasus mit Namen Drona zusammen mit seiner Frau Dhara von Brahma angewiesen wurde, die Bevölkerung zu vermehren, sagte Drona: "Lieber Vater, wir bitten um eine Segnung von dir." So bekamen Drona und Dhara von Brahma die Segnung, daß der Höchste Herr, Sri Krsna, in der Zukunft — wenn sie das nächste Mal in diesem Universum geboren würden — in Seiner bezauberndsten Form, der Form als Kind, erscheinen werde, um ihre ganze Aufmerksamkeit auf Sich zu ziehen. Ihre Beziehung zu Krsna werde so tief sein, daß jeder, der einfach nur darüber hört, wie Krsna in ihrer Gemeinschaft Seine Kindheitsspiele durchführte, sofort die Befähigung erlange, die Unwissenheit von Geburt und Tod zu überwinden. So erklärte sich Brahma bereit, ihnen diese Segnung zu erteilen, und in der Folge erschien Drona als Nanda Maharaja in Vrndavana, und Dhara erschien als Mutter Yasoda, die Frau Nanda Maharajas.

Auf diese Weise konnten Nanda Maharaja und seine Frau, Mutter Yasoda, ihre reine Hingabe zur Höchsten Persönlichkeit Gottes entwickeln, da sie Ihn als ihren Sohn bekamen, und alle gopis und Kuhhirten, die mit Krsna zusammensein durften, entwickelten ganz natürlich ihre verschiedenen liebevollen Beziehungen zu Ihm.

So erschien Sri Krsna, die Höchste Persönlichkeit Gottes, zusammen mit Seiner vollständigen Erweiterung, Balarama, in Vrndavana, nur um Brahmas Segnung wahr werden zu lassen. Er vollführte in Seiner Kindheit die verschiedensten Spiele und steigerte dadurch die transzendentale Freude aller Bewohner von Vrndavana.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 8. Kapitel des Krsna-Buches: "Die Offenbarung der universalen Form".