Nach diesem
Ereignis bat
Vasudeva seinen
Familienpriester
Gargamuni, Nanda
Maharaja zu
besuchen, um die Zukunft Krsnas astrologisch zu berechnen. Gargamuni,
ein großer
Heiliger, der viele
Entsagungen und Bußen auf sich
genommen hatte, war
der Priester der Yadu-Dynastie. Als
er im Hause Nanda
Maharajas eintraf, freute sich Nanda
sehr, ihn zu sehen,
und stand sofort mit gefalteten Händen auf, um ihm seine
achtungsvollen Ehrerbietungen zu erweisen.
Er empfing
Gargamuni mit dem gleichen Respekt, mit dem man Gott,
den Höchsten Herrn, verehrt. Er bot ihm einen bequemen
Sitz an, und nachdem sich Gargamuni
hingesetzt hatte,
hieß ihn Nanda
Maharaja mit
herzlichen Worten
willkommen. Er sagte:
"Mein lieber brahmana, du
erscheinst im
Hause eines
Haushälters nur, um
Erleuchtung zu bringen. Wir Haushälter
sind immer so
sehr mit unserer Familie beschäftigt,
daß wir darüber
unsere eigentliche Pflicht
vergessen, nämlich nach
Selbstverwirklichung zu streben.
Wenn du zu uns
kommst, willst du uns im spirituellen Leben unterweisen;
nur aus diesem Grund besuchst du
die Haushälter."
Eigentlich gibt es für einen Heiligen oder einen brahmana
nicht den geringsten Grund, Haushälter zu
besuchen, die
sich gewöhnlich nur mit Geld- und Besitzangelegenheiten
beschäftigen. Wenn sie es trotzdem tun, dann nur, um die
Haushälter zu erleuchten. Man wird sich vielleicht fragen,
warum die Haushälter nicht selbst zu einem Heiligen oder
einem brahmana gehen, um sich erleuchten zu lassen. Die
Antwort lautet, daß die Haushälter
im allgemeinen sehr
engstirnig sind und glauben, es sei
ihre vornehmste
Pflicht, sich
um ihre
Familie zu kümmern.
Selbstverwirklichung und
Erleuchtung im spirituellen
Wissen halten sie für weniger
wichtig. Daher ist Mitleid
der einzige Grund, warum Heilige
und brahmanas die
Haushälter besuchen.
Nanda Maharaja bezeichnete Gargamuni auch als eine
der großen
Autoritäten in
der astrologischen
Wissenschaft. Die Voraussagen der
Astrologie, wie z.B.
der Zeitpunkt einer Sonnen- oder Mondfinsternis, beruhen
auf eindrucksvollen Berechnungen,
und durch diese
Wissenschaft kann man seine Zukunft
klar erkennen.
Gargamuni war auf diesem Gebiet
sehr erfahren. Mit
Hilfe der Astrologie kann man
feststellen, was man in
seinem vorherigen
Leben getan hat
und welche
Ergebnisse man im jetzigen Leben genießen oder erleiden
wird.
Nanda Maharaja nannte Gargamuni auch "den
besten
der brahmanas". Als brahmana wird
jemand bezeichnet,
der mit dem Wissen über das
Höchste vertraut ist. Ohne
Wissen über das Höchste Absolute zu besitzen, kann man
nicht als brahmana anerkannt werden. Das genaue Wort,
das in diesem Zusammenhang gebraucht
wird, lautet
brahmavidam, was soviel bedeutet wie
"diejenigen, die
den Höchsten sehr gut kennen". Ein erfahrener brahmana
kann für die untergeordneten Kasten,
die ksatriyas und
vaisyas, Reinigungszeremonien durchführen; die
sudras
hingegen unterziehen sich keinen solchen
Ritualen. Die
brahmanas gelten als die spirituellen Meister der ksatriyas
und vaisyas und
erfüllen auch
alle priesterlichen
Aufgaben. Nanda Maharaja war ein
vaisya, und er sah
Gargamuni als brahmana höchsten Ranges
an. Er holte
deshalb seine beiden Pflegesöhne, Krsna
und Balarama,
und bat
Gargamuni, Sie
der üblichen Reinigungszeremonie zu unterziehen. Damit
zeigte er, daß
nicht nur seine beiden Söhne,
sondern alle Menschen
gleich nach der Geburt einen qualifizierten brahmana als
spirituellen Meister annehmen sollten.
Auf diese Bitte Nandas hin
antwortete Gargamuni:
"Vasudeva hat mich hierher geschickt, damit ich für diese
Knaben, und
ganz besonders
für Krsna, die
Reinigungszeremonien
durchführe.
Ich bin der
Familienpriester der Yadu-Dynastie, und
irgendwie habe
ich den Eindruck, Krsna sei der
Sohn Devakis." Anhand
seiner astrologischen Berechnungen wußte
Gargamuni,
daß Krsna der Sohn Devakis war
und daß Er der Obhut
Nanda Maharajas anvertraut worden war, ohne daß dieser
davon wußte. Er deutete indirekt an, daß sowohl Krsna als
auch Balarama die Söhne Vasudevas waren. Es war allen
bekannt, daß Balarama der Sohn
Vasudevas war, denn
Seine Mutter Rohini wohnte in Vrndavana;
doch Nanda
Maharaja wußte nicht, daß auch Krsna der Sohn Devakis
war. Indirekt
also offenbarte
Gargamuni dieses
Geheimnis. Gargamuni
warnte Nanda Maharaja
gleichzeitig vor Kamsa und sagte,
dieser sei ein äußerst
sündvoller Mensch, und wenn Kamsa erfahren würde, daß
er, Gargamuni, als
Familienpriester der Yadus die
Reinigungszeremonie durchführe, dann würde
er sofort
glauben, Krsna sei der Sohn von
Vasudeva und Devaki.
Auch hätten astrologische Berechnungen ergeben, daß das
achte Kind von Devaki unmöglich ein
Mädchen sein
konnte, wie es alle annahmen. Auf
diese Weise deutete
Gargamuni Nanda Maharaja
gegenüber an, daß das
Mädchen eigentlich von Yasoda geboren worden war und
daß Krsna in Wirklichkeit Devakis
Sohn war, daß die
beiden aber vertauscht wurden. Darüber hinaus
hatte das
weibliche Kind, das in Wirklichkeit die Göttin Durga war,
Kamsa darüber informiert, daß der
Knabe, welcher ihn
töten werde, bereits an
einem anderen Ort geboren
worden sei. Gargamuni fuhr fort: "Wenn ich deinem Kind
einen Namen gebe und wenn Kamsa
erfährt, daß dieser
Knabe genau mit der
Prophezeiung des Mädchens
übereinstimmt, dann wird dieser frevlerische Dämon nicht
zögern,
hierherzukommen,
um
nach der
Namengebungszeremonie auch dieses Kind zu
töten. Ich
möchte nicht für
all dieses
zukünftige Unheil
verantwortlich sein."
Nachdem Nanda Maharaja die Worte
Gargamunis
gehört hatte, sagte er:
"Wenn die Situation derart
gefährlich ist, dann ist es besser,
keine festliche Namengebungszeremonie
abzuhalten.
Unter diesen
Umständen wird es besser sein, wenn
du einfach die
erforderlichen vedischen Hymnen chantest und die Reinigungsvorgänge in aller Stille vollziehst. Wir gehören zur
Kaste der Zweimalgeborenen, und so
möchte ich deine
Anwesenheit nutzen.
Daher bitte ich
dich, die
Namengebungszeremonie trotzdem
durchzuführen; wir
werden dabei einfach jedes Aufsehen vermeiden." Nanda
Maharaja wollte, daß die
Namengebungszeremonie ein
Geheimnis blieb, doch zur gleichen Zeit wollte er auch die
günstige Gelegenheit
der Anwesenheit Gargamunis
nutzen und diese Zeremonie von ihm durchführen lassen.
Als Gargamuni so inständig von
Nanda Maharaja
gebeten wurde, vollzog er die
Namengebungszeremonie
so unauffällig wie möglich in Nanda Maharajas Kuhstall.
Er erklärte dabei, daß Balarama, der Sohn Rohinis, Nanda
Maharajas Familienmitgliedern und Verwandten sehr viel
Freude bereiten werde und deswegen
den Namen Rama
erhalten werde. Außerdem werde Er
in der Zukunft
ungewöhnliche Kraft offenbaren
und deshalb auch
Balarama genannt werden. Des weiteren sagte Gargamuni
zu Nanda Maharaja: "Weil deine
Familie so eng mit der
Familie der Yadus verbunden ist und weil zwischen euch
eine so tiefe Freundschaft herrscht,
wird man Ihn auch
Sankarsana nennen." Gargamuni gab dem Sohne Rohinis
also drei Namen: Balarama, Sankarsana
und Baladeva.
Doch er sagte vorsichtshalber nichts davon, daß Balarama
ebenfalls im Schoße Devakis erschienen und daraufhin in
den Schoß Rohinis versetzt worden
war. Krsna und
Balarama sind
wirkliche Brüder,
denn Sie sind
ursprünglich die Söhne Devakis.
Gargamuni
gab
Nanda
Maharaja weitere
Informationen: "Was den anderen Knaben
betrifft, so ist
Er bereits in den verschiedenen anderen yugas (Zeitaltern)
erschienen, und zwar mit
unterschiedlicher Körperfarbe:
zuerst mit weißer, dann mit roter, dann mit gelber und nun
mit schwarzer Körperfarbe. Er wurde
früher einmal als
der Sohn Vasudevas geboren, und deshalb soll Er sowohl
Vasudeva als auch Krsna heißen.
Manche Menschen
werden Ihn Krsna nennen und andere
Vasudeva. Dazu
muß ich dir noch sagen, daß
dieses Kind bereits viele
andere Namen bekommen hat, von
denen sich jeder auf
Seine verschiedenen Taten und Spiele bezieht."
Gargamuni ließ Nanda Maharaja des weiteren wissen,
daß man seinen Sohn auch Giridhari nennen werde, weil
Er als eines
Seiner ungewöhnlichen
Spiele den
Govardhana-Hügel hochheben werde.
Da Gargamuni
Einblick in Vergangenheit und Zukunft hatte, fuhr er fort:
"Ich kenne alle Seine Spiele und
Namen; andere wissen
nichts davon. Dein Sohn wird allen Kuhhirten und Kühen
sehr viel Freude bereiten. Er wird
in Vrndavana sehr
beliebt sein, und deswegen wird Er dir viel Glück bringen.
Durch Seine Anwesenheit wirst du
trotz vieler Hindernisse alle materiellen Schwierigkeiten überwinden."
Gargamuni sagte weiter: "Mein lieber
König von
Vraja, in Seinen früheren Leben hat
dieses Kind viele
Male, wenn politische
Wirren überhandnahmen, die
rechtschaffenen Menschen vor Räubern und
Schurken
beschützt. Dein Kind ist so
mächtig, daß jeder, der Sein
Geweihter wird, vor
Feinden sicher ist. Wie
die
Halbgötter immer von Sri Visnu beschützt
werden, so
werden die Geweihten
deines Sohnes immer von
Narayana, der Höchsten Persönlichkeit Gottes, beschützt.
Dieses Kind wird an Macht, Schönheit und Reichtum —
in jeder
Hinsicht —
Narayana, der Höchsten
Persönlichkeit Gottes, gleichkommen. Deshalb
gebe ich
dir den Rat, deinen Sohn sorgfältig zu behüten, so daß Er
ungestört aufwachsen kann."
Weil Nanda Maharaja ein Geweihter Narayanas sei, so
fuhr Gargamuni mit seiner Erklärung
fort, habe ihm Sri
Narayana einen Sohn gegeben, der Ihm Selbst ebenbürtig
ist. Gleichzeitig jedoch
sagte Gargamuni zu Nanda
Maharaja: "Dein Sohn
wird von vielen Dämonen
angegriffen werden. Sei also vorsichtig
und beschütze
Ihn." Auf diese Weise überzeugte
Gargamuni Nanda
Maharaja davon, daß Narayana persönlich
sein Sohn
geworden war. Er beschrieb in
vielen Einzelheiten die
transzendentalen Eigenschaften Krsnas, und
nachdem er
so gesprochen hatte, kehrte er nach Hause zurück. Nanda
Maharaja freute sich sehr über die
Segnung, die er
bekommen hatte, und er hielt sich
für den glücklichsten
Menschen der Welt.
Kurz danach begannen Krsna
und Balarama, auf
Händen und Knien umherzukriechen, was Ihre Mütter mit
großer Freude erfüllte. Die Glöckchen,
die an Ihren
Hüften und Fußgelenken hingen, klingelten fröhlich, und
es gab nichts Erfreulicheres, als
Ihnen zuzuschauen, wie
Sie so vergnügt umherkrochen. Manchmal
wurden Sie
genau wie gewöhnliche Kinder von
anderen erschreckt,
worauf Sie sogleich zu Ihren
Müttern flohen, um bei
ihnen Schutz zu suchen. Manchmal fielen Sie auch in den
Lehm und den Schlamm von Vrndavana und kamen dann
über und über mit Lehm und
Safran beschmiert nach
Hause. Eigentlich waren Sie von Ihren Müttern mit Safran
und Sandelholzpaste eingerieben worden,
doch weil Sie
im schlammigen Lehm gespielt hatten, waren Ihre Körper
ganz voll Lehm. Sowie Sie zu Yasoda und Rohini kamen,
nahmen diese ihre
beiden Kinder auf den
Schoß,
bedeckten Sie mit dem unteren Teil ihres Saris und gaben
Ihnen die Brust. Als die Kinder an ihren Brüsten saugten,
fühlten die Mütter, daß bereits die
ersten Zähnchen
kamen, und so steigerte sich ihre Freude nur noch mehr,
da sie sahen, wie ihre Kinder
heranwuchsen. Manchmal
krabbelten die beiden auch zum
Kuhstall, ergriffen den
Schwanz eines Kalbes und zogen Sich
daran hoch. Die
erschreckten
Kälber
begannen
sofort, wild
durcheinanderzulaufen, und zogen
die Kinder durch
Kuhfladen und Schlammpfützen hinter sich
her. Yasoda
und Rohini riefen dann sogleich ihre
Nachbarinnen, die
gopis, herbei, damit alle diesen Spaß miterleben konnten.
Als die gopis die kindlichen Spiele
Sri Krsnas sahen,
wurden sie in transzendentale
Glückseligkeit getaucht,
und in ihrer ekstatischen Freude
lachten sie aus vollem
Halse.
Krsna und Balarama waren so lebhaft, daß ihre Mütter
ständig damit zu tun hatten, sie vor Kühen, Stieren, Affen,
Wasser, Feuer und Vögeln zu
schützen, während sie
gleichzeitig auch ihren Haushaltspflichten
nachkommen
mußten. Weil sie ständig ängstlich darum bemüht waren,
auf die Kinder aufzupassen und gleichzeitig ihre übrigen
Pflichten zu erfüllen, kamen die
beiden Mütter nie zur
Ruhe. Schon nach kurzer Zeit gelang
es Krsna und
Balarama, Sich auf Ihre Beine zu stellen, und unbeholfen
wagten Sie Ihre ersten Schritte. Als Sie so umhertappten,
schlossen sich Ihnen einige gleichaltrige Freunde an, und
auf diese Weise bereiteten sie den gopis, ganz besonders
aber Mutter
Yasoda und
Rohini, die höchste
transzendentale Freude.
Alle gopi-Freundinnen von Yasoda und Rohini hatten
ihre Freude an den frechen,
kindlichen Spielen Krsnas
und Balaramas in
Vrndavana. Um
noch größere
transzendentale Glückseligkeit zu erfahren,
taten sie sich
eines Tages alle zusammen und gingen zu Mutter Yasoda,
um sich bei ihr über die ungezogenen Jungen zu beklagen.
Als Krsna gerade vor Mutter Yasoda auf dem Boden saß,
begannen die älteren
gopis, ihre Klagen
gegen Ihn
vorzubringen, so daß auch Er sie
hören konnte. Sie
sagten: "Liebe Yasoda, warum läßt
du deinen frechen
Krsna tun und lassen, was Er
will? Er kommt jeden
Morgen und Abend, bevor die Kühe
gemolken werden,
zusammen mit Balarama zu unseren
Häusern und bindet
die Kälber los, die natürlich
sofort zu den Kühen laufen
und deren Milch trinken. Wenn wir dann die Kühe melken
wollen, finden wir, daß ihre Euter
leer sind, und so
müssen wir mit leeren Eimern und Töpfen zurückkehren.
Wenn wir dann Krsna und Balarama schelten, nicht noch
einmal so etwas zu
tun, lächeln Sie
einfach nur
zauberhaft. Wir fühlen uns so
hilflos. Auch bereitet es
Krsna und Balarama große Freude,
unseren Joghurt und
unsere Buttervorräte zu
stehlen. Wir können unsere
Vorräte nicht vor Ihnen verstecken.
Ganz gleich wo wir
sie aufbewahren, die beiden finden sie immer. Wenn wir
Krsna und Balarama dann ertappen, wie
Sie den Joghurt
und die Butter davontragen, entgegnen Sie: ,Warum sagt
ihr, daß Wir stehlen? Denkt ihr
etwa, daß es bei Uns zu
Hause an Butter und
Joghurt mangelt?' Manchmal
nehmen Sie auch den Joghurt, die
Butter und die Milch
und verteilen sie an die Affen. Wenn die Affen dann satt
sind und nichts mehr nehmen wollen, fangen deine Söhne
an zu schimpfen und sagen: ,Die
Milch, die Butter und
auch der Joghurt sind wertlos —
nicht einmal die Affen
wollen davon nehmen.' Dann zerbrechen
Sie die Töpfe
und werfen sie durcheinander. Und selbst wenn wir unsere
Butter, den Joghurt und die Milch
an einem versteckten,
dunklen Ort aufbewahren, finden Krsna
und Balarama
unsere Vorräte, da der Schmuck und die Juwelen, die Sie
tragen, einen leuchtenden Schimmer
verbreiten. Sollten
Sie aber zufällig einmal die
versteckte Butter und den
Joghurt nicht finden, dann gehen
Sie zu unseren kleinen
Kindern und zwicken sie, bis sie zu weinen beginnen, und
dann machen Sich die beiden schnell
aus dem Staub.
Selbst wenn wir unsere Butter- und
Joghurtvorräte hoch
unter der Zimmerdecke auf eine Schaukel stellen, so daß
sie sich außerhalb Ihrer Reichweite
befinden, gelingt es
Ihnen dennoch, an diese Vorräte heranzukommen, indem
Sie Kisten auf einem umgestülpten
Mörser aufeinanderstapeln. Und wenn
Sie die Butter einmal
nicht
erreichen können, machen Sie ein Loch in den Topf. Wir
möchten dich daher bitten, deinen
Kindern den Juwelenschmuck abzunehmen."
Als Mutter Yasoda diese Klagen hörte, sagte sie: "Gut,
ich werde Krsna allen Schmuck wegnehmen, so daß Er in
der Dunkelheit die versteckte Butter
nicht mehr finden
kann." Doch die gopis erwiderten schnell: "O nein, tu nur
das nicht! Es würde sowieso nichts nützen, wenn du Ihnen
den Schmuck wegnimmst; wir wissen
nicht, was es mit
diesen Jungen auf sich hat, aber auch ohne Schmuck geht
ein Leuchten von Ihnen aus, so
daß Sie sogar in der
Dunkelheit alles sehen können." Mutter
Yasoda sagte
daraufhin zu den gopis: "Ihr müßt in Zukunft eure Butter
und euren Joghurt besser verstecken,
so daß die Jungen
eure Vorräte nicht erreichen können."
Doch die gopis
entgegneten: "Das tun wir schon
seit langem, aber weil
wir auch unseren Haushaltspflichten
nachgehen müssen,
gelingt es diesen ungezogenen Jungen immer wieder, Sich
unbemerkt ins Haus zu schleichen
und Unordnung zu
stiften. Und wenn es Ihnen einmal
nicht gelingt, unsere
Butter und unseren Joghurt zu entwenden, urinieren oder
spucken Sie aus Zorn auf den
sauberen Fußboden. Sieh
dir nur einmal deinen Krsna an
— Er weiß sehr gut,
wovon wir sprechen. Den ganzen Tag hecken Krsna und
Balarama Pläne aus, wie Sie an unsere Butter und unseren
Joghurt herankommen können, und da sitzen Sie nun wie
zwei artige Jungen. Sieh nur einmal
Krsnas Gesicht an."
Als Mutter Yasoda all diese Klagen
hörte, überlegte sie,
wie sie Krsna bestrafen könne, doch
als sie Sein reuiges
Gesicht sah, mußte sie lächeln und vergaß ihr Vorhaben.
Ein anderes Mal, als Krsna und
Balarama mit Ihren
Freunden spielten, taten sich alle
Jungen mit Balarama
zusammen und erzählten Mutter Yasoda,
Krsna habe
Lehm gegessen. Als Mutter Yasoda dies
hörte, nahm sie
Krsna sofort bei der Hand und sagte zu Ihm: "Mein lieber
Krsna, warum hast Du heimlich Erde gegessen? Sieh doch
nur, alle Deine Freunde, selbst
Balarama, beklagen sich
schon über Dich." Weil Sich Krsna
vor Seiner Mutter
fürchtete, antwortete Er:
"Meine liebe Mutter, diese
Jungen und auch Mein älterer Bruder Balarama verbreiten
Lügen über Mich. Ich habe keinen
Lehm gegessen. Als
wir heute zusammen spielten, wurde Balarama zornig auf
Mich, und deshalb hat Er Sich mit den anderen verbündet,
um Sich bei dir über Mich zu
beklagen. Sie stecken alle
unter einer Decke. Sie wollen Mich
bei dir anschwärzen
und hoffen, daß du zornig wirst und Mich bestrafst. Wenn
du glaubst, daß sie die Wahrheit
sagen, dann schau in
Meinen Mund und sich nach, ob Ich Lehm gegessen habe
oder nicht." "Gut", erwiderte Mutter
Yasoda, "wenn Du
wirklich keinen Lehm gegessen hast,
dann öffne Deinen
Mund — ich werde es ja sehen."
Als die Höchste Persönlichkeit Gottes,
Krsna, von
Seiner Mutter diesen Befehl bekam,
machte Er wie ein
gewöhnlicher Junge gehorsam Seinen Mund
auf, und da
sah Mutter Yasoda die gesamte Fülle der Schöpfung. Sie
sah die grenzenlosen Dimensionen des
Weltraums, alle
Berge, Inseln, Meere, Ozeane, Planeten
sowie die Luft,
das Feuer, den Mond und die Sterne. Zusammen mit dem
Mond und den Sternen sah sie
auch alle Elemente, das
Wasser, den Himmel, den
alldurchdringenden Äther, das
gesamte Ich, die Erzeugnisse der
Sinne und den Beherrscher der Sinne, alle Halbgötter,
die Objekte der
Sinne, wie Klang,
Geruch usw., und
die drei
Erscheinungsweisen der materiellen Natur.
Sie konnte
auch erkennen, daß sich in Krsnas Mund alle Lebewesen,
die ewige Zeit, die materielle und
die spirituelle Natur,
Aktivität, Bewußtsein und die verschiedenen Zustände der
gesamten Schöpfung befanden. Yasoda sah
im Munde
ihres Kindes alles, was zur
kosmischen Manifestation
gehört. Sie sah sogar sich selbst, wie sie Krsna auf ihren
Schoß nahm und Ihm die Brust
gab. Als sie all dies
erblickte, wurde sie von Ehrfurcht
ergriffen und fragte
sich, ob sie träume oder ob
sie tatsächlich Zeuge eines
außergewöhnlichen Schauspiels sei. Sie
kam zu dem
Schluß, sie müsse entweder träumen
oder dem Spiel der
illusionierenden Energie der
Höchsten Persönlichkeit
Gottes zusehen. Sie war verwirrt
und glaubte, sie müsse
den Verstand verloren
haben, da sie solch
seltsame
Erscheinungen sehe. "Vielleicht hat all dies seine Ursache
in der kosmischen mystischen Kraft
meines Kindes",
dachte sie bei sich. "Vielleicht
sehe ich deshalb solche
Visionen in Seinem Mund. Ich erweise nun der Höchsten
Persönlichkeit
Gottes
meine
respektvollen
Ehrerbietungen, unter dessen
Energie man sich mit
seinem Körper und seinen körperlichen
Besitztümern
identisch fühlt." Sie fuhr fort:
"Ich erweise dem Herrn
meine demütigen
Ehrerbietungen, unter
dessen
illusionierender Energie ich glaube,
Nanda Maharaja sei
mein Ehemann, Krsna sei mein Sohn, all das, was Nanda
Maharaja besitzt, gehöre auch mir, und alle Kuhhirten und
ihre Frauen seien meine Untergebenen. All diese falschen
Vorstellungen haben ihre Ursache in der illusionierenden
Energie des Höchsten Herrn. Deshalb bete ich zu Ihm, daß
Er mich immer beschütze."
Während Mutter
Yasoda über solch
erhabene
philosophische Gedanken nachsann, erweiterte
Sri Krsna
Seine innere Energie erneut, um ihr
diese Sicht mit dem
Gefühl
mütterlicher
Zuneigung
zu bedecken.
Augenblicklich vergaß Mutter Yasoda alle philosophische
Spekulation und hielt Krsna wieder für ihr Kind. Sie nahm
Ihn auf den Schoß und wurde von mütterlicher Zuneigung
überwältigt. Dabei dachte sie bei sich: "Die gewöhnlichen
Menschen können Krsna mit ihren
materiellen Sinnen
nicht verstehen, doch Er kann durch die Upanisaden, den
Vedanta wie auch durch das mystische yoga-System und
die sankhya-Philosophie erkannt werden."
Dann hielt sie
die Höchste Persönlichkeit Gottes wieder
für ihr eigenes
Kind.
Um die Absolute Wahrheit, die Höchste Persönlichkeit
Gottes, als Sohn zu bekommen und
Ihn mit der eigenen
Milch stillen zu dürfen, muß Mutter
Yasoda in ihren
früheren Leben unzählige fromme Tätigkeiten ausgeführt
haben. Ebenso steht es außer Frage,
daß auch Nanda
Maharaja viele große Opfer dargebracht
und fromme
Tätigkeiten ausgeführt hatte, denn Sri Krsna
erschien als
sein Sohn und nannte
ihn "Vater". Doch es ist
überraschend, daß nicht auch Vasudeva
und Devaki an
der transzendentalen Glückseligkeit der
Kindheitsspiele
Krsnas teilhaben konnten, obwohl Krsna
eigentlich ihr
Sohn war. Die Kindheitsspiele Krsnas werden selbst heute
noch von vielen Weisen und Heiligen
verherrlicht, doch
Vasudeva und Devaki konnten sich nicht
persönlich an
diesen Spielen Krsnas erfreuen. Der
Grund dafür wurde
von Sukadeva Gosvamigegenüber Maharaja Pariksit wie
folgt erklärt.
Als der beste der Vasus mit Namen Drona zusammen
mit seiner Frau Dhara von Brahma angewiesen wurde, die
Bevölkerung zu vermehren, sagte Drona:
"Lieber Vater,
wir bitten um eine Segnung von dir." So bekamen Drona
und Dhara von Brahma die Segnung,
daß der Höchste
Herr, Sri Krsna, in der Zukunft —
wenn sie das nächste
Mal in diesem Universum geboren
würden — in Seiner
bezauberndsten Form, der Form als
Kind, erscheinen
werde, um ihre ganze Aufmerksamkeit auf Sich zu ziehen.
Ihre Beziehung zu Krsna werde so tief sein, daß jeder, der
einfach nur darüber hört, wie Krsna in ihrer Gemeinschaft
Seine Kindheitsspiele durchführte, sofort
die Befähigung
erlange, die Unwissenheit
von Geburt und Tod zu
überwinden. So erklärte sich Brahma
bereit, ihnen diese
Segnung zu erteilen, und in der Folge erschien Drona als
Nanda Maharaja in Vrndavana, und
Dhara erschien als
Mutter Yasoda, die Frau Nanda Maharajas.
Auf diese Weise konnten Nanda
Maharaja und seine
Frau, Mutter Yasoda, ihre reine
Hingabe zur Höchsten
Persönlichkeit Gottes entwickeln, da sie
Ihn als ihren
Sohn bekamen, und alle gopis und
Kuhhirten, die mit
Krsna zusammensein durften, entwickelten ganz natürlich
ihre verschiedenen liebevollen Beziehungen zu Ihm.
So erschien Sri Krsna, die Höchste
Persönlichkeit
Gottes, zusammen mit Seiner vollständigen
Erweiterung,
Balarama, in Vrndavana, nur um Brahmas Segnung wahr
werden zu lassen. Er vollführte in
Seiner Kindheit die
verschiedensten Spiele
und steigerte
dadurch die
transzendentale Freude aller Bewohner von Vrndavana.
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 8. Kapitel des Krsna-Buches:
"Die Offenbarung der universalen Form".