75. Kapitel: Die Schlacht zwischen
Salva und den Angehörigen der Yadu-Dynastie
Als Sukadeva Gosvami von den
verschiedenen Taten
berichtete, die Sri Krsna in Seiner Rolle als gewöhnlicher
Mensch vollbrachte, erzählte er auch die
Geschichte von
der Schlacht zwischen der Yadu-Dynastie
und einem
Dämon namens Salva, dem es gelungen war, in den Besitz
eines wundervollen Himmelsflugzeuges zu gelangen, das
den Namen Saubha trug. König Salva
war ein guter
Freund Sisupalas gewesen,
und als sich dieser zur
Zeremonie seiner Heirat mit Rukmini begeben hatte, war
Salva ebenfalls ein Mitglied der
Eskorte des Bräutigams
gewesen. Als es dann zum Kampf mit der Yadu-Dynastie
gekommen war, waren Salva und die anderen Könige von
den Soldaten der Yadu-Dynastie besiegt
worden, und
damals hatte Salva, trotz seiner
Niederlage, vor allen
Königen geschworen, daß er nicht
ruhen werde, bis alle
Angehörigen der Yadu-Dynastie vom
Erdboden getilgt
seien. Seit dieser Niederlage nagte
in Salva ein unauslöschlicher Neid auf Sri Krsna, denn
töricht wie er war,
hatte er versprochen, Krsna zu töten.
Für gewöhnlich nehmen solch verblendete
Dämonen
zur Verwirklichung ihrer hochgesteckten
Pläne Zuflucht
bei einem Halbgott wie Siva, und
so wandte sich auch
Salva an Siva, um zusätzliche Kräfte zu erlangen. In
der
Folge unterzog er sich einer harten
Form der Entsagung
und aß täglich nichts anderes als
eine Handvoll Asche.
Siva, der Gemahl Parvatis, ist
gewöhnlich sehr barmherzig, und deshalb ist er auch sehr schnell zufrieden, wenn
sich jemand schwere Entsagungen
auferlegt, um seine
Gunst zu erlangen. Nachdem Salva ein Jahr lang schwere
Entsagungen auf sich genommen hatte, war Siva mit ihm
zufrieden und forderte ihn auf, seinen Wunsch zu äußern.
Salva bat Siva um ein Luftfahrzeug,
das so gewaltig
sein sollte, daß es
von keinem Halbgott, Dämon,
Menschen, Gandharva oder Naga, nicht einmal von einem
Raksasa, zerstört werden könnte. Dazu
wünschte er, daß
es in der Lage sein werde,
überall hinzufliegen, wo er
wolle, und daß es insbesondere für
die Angehörigen der
Yadu-Dynastie gefährlich und furchterregend
sein solle.
Siva willigte sogleich
ein, ihm diese Segnung
zu
gewähren, und daraufhin konstruierte Salva mit Hilfe des
Dämons Maya ein metallenes Fluggefährt,
das so stabil
und furchterregend war, daß niemand es zerstören konnte.
Es war eine riesige Maschine - fast so groß wie eine Stadt
-, und es konnte so hoch und
so schnell fliegen, daß es
praktisch unmöglich war, es zu
sehen, geschweige denn,
es anzugreifen. Selbst in der Dunkelheit konnte der Pilot
es nach Belieben überall hinsteuern.
Als Salva dieses
wundervolle Luftfahrzeug bekommen hatte, flog er damit
sogleich nach Dvaraka, denn er hatte sich dieses Flugzeug
vor allem gewünscht, um die Stadt der Yadus anzugreifen,
gegen die er einen nie versiegenden Haß hegte.
Salva griff Dvaraka nicht nur aus der Luft an, sondern
ließ die Stadt auch von einem Riesenheer von Fußsoldaten
umstellen. Diese
Soldaten überfielen
sogleich die
schönsten Stellen der Stadt und
zerstörten Badeanlagen,
Stadttore und Teile der hohen
Stadtmauern sowie viele
Paläste und Hochhäuser und die Orte, wo die Bürger zur
Erholung zusammenkamen. Während die
Infanterie auf
diese Weise ihren Angriff durchführte,
wurde sie von
Salva unterstützt, der
aus seinem Flugzeug große
Felsbrocken, Baumstämme, Blitze,
Giftschlangen und
viele andere gefährliche
Gegenstände auf die Stadt
niederwarf. Es gelang ihm auch, einen Orkan zu erzeugen,
der so stark war, daß ganz Dvaraka in Dunkelheit gehüllt
wurde, weil der Staub den Himmel
verfinsterte. Salvas
Luftgefährt stürzte Dvaraka in Nöte,
die so groß waren,
daß sie denen glichen, die der Erde vor langer Zeit einmal
vom Dämon Tripurasura zugefügt worden
waren. Die
Einwohner von Dvaraka Puri wurden so heftig bedrängt,
daß sie nicht einen Augenblick mehr zur Ruhe kamen.
Da versammelten sich die großen Helden von Dvaraka,
die von solch berühmten Befehlshabern
wie Pradyumna
angeführt wurden,
und bliesen zum
Gegenangriff.
Angesichts der großen
Not der Bürger mobilisierte
Pradyumna unverzüglich ein Heer von
Soldaten und
bestieg persönlich einen Streitwagen,
währenddessen er
die Stadtbewohner ermutigte und ihnen versprach, sie zu
beschützen. Unter seiner Führung stürmten viele Krieger,
wie Satyaki, Carudesna und Samba,
die alle jüngere
Brüder Pradyumnas waren, und auch Akrura, Krtavarma,
Bhanuvinda, Gada, Suka und Sarana,
aus der Stadt, um
mit Salva zu kämpfen. Sie waren
gefürchtete Krieger,
denn jeder von ihnen war fähig,
es mit vielen tausend
Männern aufzunehmen.
Sie hatten sich
mit allen
notwendigen Waffen ausgerüstet,
und viele tausend
Wagenlenker, Elefanten, Pferde und Fußsoldaten standen
ihnen zur Seite. So entbrannte ein wilder Kampf, genauso
wie er in früheren Zeiten zwischen
den Halbgöttern und
den Dämonen stattgefunden hatte. Die
Schlacht war so
erbarmungslos, daß jedem, der sie sah, die Haare zu Berge
standen.
Pradyumna wirkte
unverzüglich der mystischen
Zauberkraft entgegen, die von dem
Luftgefährt Salvas,
des Königs von Saubha, ausging.
Durch die magische
Macht seines Flugzeugs hatte Salva
eine Finsternis, so
dicht wie die Nacht, erzeugt, doch
plötzlich erschien
Pradyumna wie die aufgehende Sonne,
und wie beim
Sonnenaufgang augenblicklich die Dunkelheit
der Nacht
weicht, so wurde durch
Pradyumnas Erscheinen die
Wirkung der mystischen Kraft Salvas
aufgehoben. Jeder
von Pradyumnas Pfeilen hatte am
Ende eine goldene
Feder, und der Schaft trug eine
scharfe Eisenspitze. Mit
fünfundzwanzig solchen
Pfeilen fügte
er dem
Oberbefehlshaber Salvas schwere
Verwundungen zu.
Dann schoß er hundert Pfeile auf
Salva ab, durchbohrte
viele Soldaten mit jeweils einem
Pfeil und tötete die
Wagenlenker, indem er auf jeden
zehn Pfeile abschoß.
Die Reittiere, wie die Pferde und
die Elefanten, wurden
mit je drei gezielten Pfeilen außer
Gefecht gesetzt. Als
Pradyumna vor aller Augen sein
meisterhaftes Geschick
offenbarte, begannen die großen Krieger
beider Seiten,
seine heldenhaften Taten zu lobpreisen.
Aber da war immer noch das mysteriöse Luftfahrzeug,
mit dem Salva seine Angriffe führte. Es war so mysteriös,
daß man manchmal meinte, es flögen mehrere Flugzeuge
am Himmel, und manchmal, es sei überhaupt keines vorhanden. Manchmal war es sichtbar
und ein anderes mal
wieder unsichtbar. Die Krieger der Yadu-Dynastie waren
sehr verwirrt, da sie das
sonderbare Luftgefährt immer
wieder an einer anderen
Stelle auftauchen sahen.
Manchmal stand es am Boden, dann flog es am Himmel,
dann wieder verharrte es kurz auf
dem Gipfel eines
Berges, um gleich darauf wieder auf
der Oberfläche des
Wassers zu erscheinen. Das wundersame Gefährt bewegte
sich am Himmel wie ein Glühwürmchen
im Wind - es
blieb keine Sekunde lang am
gleichen Ort. Doch trotz
aller geheimnisvollen Manöver des Luftfahrzeugs stürzten
die Offiziere und Soldaten der
Yadu-Dynastie sofort auf
Salva zu, sobald sie ihn mit seinem Flugzeug und seinen
Soldaten erblickten. Die Pfeile der Yadus waren strahlend
wie die Sonne und gefährlich wie Schlangenzungen. Bald
schon gerieten die Soldaten auf
Salvas Seite unter dem
fortwährenden Pfeilhagel, den die Helden
der Yadu-Dynastie auf sie abschossen, in arge
Bedrängnis, und Salva
selbst verlor unter dem
Ansturm ihrer Pfeile das
Bewußtsein.
Aber auch die Soldaten und Krieger,
die auf Salvas
Seite kämpften, waren sehr
mächtig, und sie ließen
ihrerseits einen Pfeilhagel auf die
Helden der Yadu-Dynastie niedergehen, doch diese waren
so stark und
entschlossen, daß sie nicht von
ihren Stellungen wichen.
Die Helden der
Yadu-Dynastie kämpften mit der
Entschlossenheit, entweder den Sieg zu
erringen oder zu
fallen. Sie waren zuversichtlich, daß sie, wenn sie auf dem
Schlachtfeld sterben sollten, die
himmlischen Planeten
erreichen würden und daß sie im Falle eines Sieges bereits
in dieser Welt in
den Genuß der verschiedensten
Annehmlichkeiten
kommen
würden. Salvas
Oberbefehlshaber hieß
Dyuman, und
er besaß
außergewöhnliche Kräfte.
Obwohl ihn Pradyumnas
fünfundzwanzig Pfeile schwer verletzt
hatten, attackierte
er auf einmal Pradyumna mit seiner
monströsen Keule
und versetzte ihm
völlig unerwartet
einen solch
gewaltigen Schlag, daß
Pradyumna das Bewußtsein
verlor. Sofort erhob sich ein lautes Wehklagen: "Er ist tot!
Er ist tot!" Der Keulenschlag hatte
nämlich Pradyumnas
Brust mit solcher Wucht getroffen,
daß es genügt hätte,
um die Brust eines jeden
gewöhnlichen Menschen zu
zerschmettern.
Pradyumnas Streitwagen wurde vom Sohn
Darukas
gelenkt. Nach vedischen
Kampfregeln müssen der
Wagenlenker und der Kämpfer auf dem Wagen während
des Kampfes zusammenarbeiten. Es war
also die Pflicht
des Wagenlenkers, den Kämpfer während
bedrohlicher
und prekärer Phasen der
Schlacht zu schützen, und
deshalb fuhr der
Sohn Darukas
Pradyumna vom
Schlachtfeld. Zwei Stunden später kam
Pradyumna an
einem ruhigen Ort wieder zu
Bewußtsein; doch als er
gewahrte, daß er sich nicht mehr
auf dem Schlachtfeld
befand, verwünschte er seinen Wagenlenker und rief. "Oh,
welch verdammenswerte Tat hast du
begangen! Warum
hast du mich vom Schlachtfeld
gebracht? Lieber Wagenlenker, noch nie ist ein Krieger
unserer Familie vom
Schlachtfeld weggeführt worden. Ja, nicht
einmal einer
von ihnen hat jemals das
Schlachtfeld während des
Kampfes verlassen. Durch deine Handlung hast du große
Schande auf mich geladen. Man wird von mir sagen, ich
sei mitten im Kampf vom
Schlachtfeld geflohen. Mein
lieber Wagenlenker, ich muß dir
Vorwürfe machen - du
bist ein Feigling und ein weichlicher Versager. Sage mir,
wie kann ich jemals wieder meinem Onkel Balarama und
meinem Vater Krsna unter die Augen treten, und wie soll
ich ihnen mein Verhalten erklären? Jeder wird über mich
reden und behaupten, ich sei aus
dem Kampf geflohen,
und wenn man mich selbst danach fragt, was soll ich dann
zur Antwort geben? Meine Schwägerinnen
werden sich
mit beißendem Spott über mich
lustig machen: 'Mein
lieber Held, wie konntest du nur
zu einem solchen
Feigling werden? Was ist passiert,
daß du deine Mannhaftigkeit verloren hast? Und wie kommt es, daß du dich
in den Augen deiner Gegner so
erniedrigt hast?' Mein
lieber Wagenlenker, ich
betrachte es als ein
großes
Vergehen, daß du mich vom
Schlachtfeld weggebracht
hast."
Darauf erwiderte Pradyumnas
Wagenlenker: "Mein
lieber Herr und Meister, möge dir ein langes Leben zuteil
werden. Meines Wissens tat ich
nichts Falsches, denn es
ist die Pflicht des Wagenlenkers,
dem Kämpfer auf dem
Wagen zu helfen, wenn er in
große Gefahr gerät. Mein
lieber Herr, du bist ein
vollkommener Meister auf dem
Schlachtfeld, und es ist die Pflicht des Wagenlenkers und
des Kämpfers,
sich in Gefahren
gegenseitig zu
beschützen. Ich war mir über die
Gesetze des Kämpfens
völlig bewußt, und ich tat nichts anderes als meine Pflicht.
Der Feind hatte dir nämlich mit
seiner Keule ganz
plötzlich einen so
heftigen Schlag versetzt,
daß du
bewußtlos wurdest. Umgeben
von deinen Feinden,
schwebtest du in Lebensgefahr, und deshalb war ich dazu
verpflichtet, zu tun, was ich tat."
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 75. Kapitel des Krsna-Buches:
"Die Schlacht zwischen Salva und den Angehörigen der Yadu-Dynastie".