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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Von Seiner Heiligkeit A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada

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73. Kapitel: Die Erlösung Sisupalas


Nachdem König Yudhisthira die Einzelheiten über die Auseinandersetzung mit Jarasandha vernommen hatte, war er überglücklich, und so sprach er: "Mein lieber Krsna, o ewige Gestalt der Glückseligkeit und des Wissens, all die erhabenen Persönlichkeiten, die für die Geschehnisse in der materiellen Welt verantwortlich sind, wie Brahma, Siva und Indra, sind stets begierig, Befehle von Dir zu erhalten und sie ausführen zu dürfen, und jedesmal, wenn sie das Glück haben, solche Anordnungen zu empfangen, nehmen sie diese sogleich an und bewahren sie in ihrem Herzen. O Krsna, Du bist unbegrenzt, und obwohl wir uns manchmal für große Könige und Herrscher der Welt halten und uns auf unsere armselige Stellung viel einbilden, haben wir im Herzen eine erbärmliche Haltung. Eigentlich verdienen wir es, von Dir bestraft zu werden, doch das Verwunderliche ist, daß Du uns gegenüber statt dessen so gütig und barmherzig bist und sogar unsere Befehle entgegennimmst und sie mit aller Sorgfalt ausführst. Es gibt Menschen, die sehr verwirrt sind, wenn sie hören, daß Du, o Herr, die Rolle eines gewöhnlichen Menschen spielen kannst; doch wir wissen, daß Du wie ein Schauspieler agierst. Deine wirkliche Stellung ist immer erhaben wie die der Sonne, die sowohl beim Aufgehen als auch beim Untergehen immer dieselbe Temperatur aufweist. Wir mögen zwar zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang Temperaturunterschiede wahrnehmen, doch die Temperatur der Sonne wandelt sich niemals. Du befindest Dich immer in transzendentaler Ausgeglichenheit, weshalb Dich materielle Angelegenheiten weder stören noch erfreuen. Du bist das Höchste Brahman, die Persönlichkeit Gottes, und für Dich gibt es keine Relativität. Lieber Madhava, Du bist unbesiegbar. Materielle Unterscheidungen, wie 'Dies bin ich, und das bist du', 'Dies ist mein, und das ist dein' sind in Dir nicht zu finden. Solche Unterscheidungen treten im Leben eines jeden auf, selbst bei Tieren; nur die reinen Gottgeweihten sind von diesen falschen Unterscheidungen frei. Wenn schon Deine Geweihten diese falschen Unterscheidungen überwunden haben, wie könnten sie dann bei Dir zu finden sein?"

Nachdem König Yudhisthira diese Worte zu Krsnas Wohlgefallen gesprochen hatte, begann er, das rajasuya-Opfer vorzubereiten. Er lud alle qualifizierten brahmanas und Weisen ein, daran teilzunehmen, und wies ihnen verschiedene Aufgaben als Priester zu, für die sie in der Opferarena verantwortlich waren. Die erfahrensten brahmanas und Weisen wurden eingeladen, und zwar: Krsna-dvaipayana Vyasadeva, Bharadvaja, Sumantu, Gautama, Asita, Vasistha, Cyavana, Kanva, Maitreya, Kavasa, Trita, Visvamitra, Vamadeva, Sumati, Jaimini, Kratu, Paila, Parasara, Garga, Vaisampayana, Atharva, Kasyapa, Dhaumya, Parasurama, Sukracarya, Asuri, Vitihotra, Madhucchanda, Virasena und Akrtavrana. Neben diesen brahmanas und Weisen lud der König auch die ehrwürdigen Ältesten der Dynastie ein, wie Dronacarya, Bhisma, der als Großvater der Kurus bezeichnet wird, Krpacarya und Dhrtarastra. Er lud die Söhne Dhrtarastras ein, die von Duryodhana angeführt wurden, und auch den großen Gottgeweihten Vidura. Ebenso wurden Könige aus den verschiedensten Teilen der Welt zusammen mit ihren Ministern und Sekretären eingeladen, und selbst die Bürger des Staates - wie gelehrte brahmanas, tapfere ksatriyas, wohlhabende vaisyas und wackere sudras - kamen, um der Zeremonie beizuwohnen.

Die brahmana-Priester und die Weisen, die für die Opferzeremonie verantwortlich waren, errichteten die Opferarena, wobei sie wie üblich einen goldenen Pflug verwendeten, und in Übereinstimmung mit den vedischen Riten weihten sie König Yudhisthira zum Ausführenden des großen Opfers. Als vor langer Zeit einmal Varuna ein ähnliches Opfer vollzog, waren alle Gegenstände, die dabei verwendet wurden, aus Gold angefertigt gewesen, und ebenso bestanden auch bei König Yudhisthiras rajasuya-Opfer alle Gegenstände aus purem Gold. Um an der großen Opferzeremonie König Yudhisthiras teilzunehmen, kamen auf dessen Einladung hin alle großen Halbgötter - wie Brahma, Siva und der Himmelskönig Indra - in Begleitung ihrer Gefolgschaft, und dazu erschienen auch die herrschenden Gottheiten der höheren Planetensysteme wie Gandharvaloka, Siddhaloka, Janaloka, Tapoloka, Nagaloka, Yaksaloka, Raksasaloka, Paksiloka und Caranaloka sowie viele berühmte Könige mit ihren Königinnen, um auf diese Weise ebenfalls König Yudhisthiras Einladung Folge zu leisten. Alle ehrwürdigen Weisen, Könige und Halbgötter, die sich dort versammelten, waren sich darin einig, daß König Yudhisthira wahrhaft geeignet war, die Verantwortung für das rajasuya-Opfer zu tragen; es gab niemanden, der dem widersprochen hätte. Sie alle kannten die Stellung Maharaja Yudhisthiras. Weil er ein großer Geweihter Sri Krsnas war, gab es keine Aufgabe, die für ihn zu gewaltig gewesen wäre. Die gelehrten brahmanas und Priester achteten mit aller Sorgfalt darauf, daß Maharaja Yudhisthira die Opferzeremonie genauso durchführte, wie es in vergangenen Zeiten einmal der Halbgott Varuna getan hatte. Immer wenn eine Opferzeremonie durchgeführt wurde, war es in der vedischen Kultur Brauch, daß den Teilnehmern an diesem Opfer der Saft der soma-Pflanze gereicht wurde. Der Saft der soma-Pflanze ist ein lebensspendender Trank. An dem Tag, an dem der soma-Saft gewonnen wurde, empfing König Yudhisthira mit großem Respekt den Priester, der besonders damit betraut war, auf alle etwaigen Fehler bei der Ausführung der Opfervorgänge aufmerksam zu machen. Die vedischen mantras müssen nämlich korrekt ausgesprochen und mit der richtigen Betonung gechantet werden. Wenn den Priestern beim Chanten irgendein Fehler unterlief, wurden sie sofort vom Überwacher, einem sachverständigen Priester, berichtigt, so daß die einwandfreie Durchführung der Rituale gewährleistet war. Wenn ein Opfer nicht perfekt durchgeführt wird, kann es nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Da es im gegenwärtigen Zeitalter, dem Kali-yuga, keine solch gelehrten brahmanas und Priester mehr gibt, sind alle Opfer dieser Art untersagt. Das einzige Opfer, das in den sastras empfohlen wird, ist das Chanten des Hare-Krsna-mantra.

Eine weitere wichtige Zeremonie im Ablauf eines solchen Opfers besteht darin, der erhabensten Persönlichkeit unter den Anwesenden als erstes eine Verehrung darzubringen. Nachdem alle Vorbereitungen für Yudhisthiras Opfer getroffen worden waren, begann man daher zu überlegen, wer im Rahmen dieses großen Opfers zuerst verehrt werden sollte. Diese besondere Verehrung wird agrapuja genannt; agra bedeutet "zuerst" und puja "Verehrung". Die agrapuja ist vergleichbar mit der Wahl eines Präsidenten. Da alle Teilnehmer an diesem Opferzeremoniell erhabene Persönlichkeiten waren, gab es die verschiedensten Vorschläge und Gegenvorschläge von Kandidaten, die für würdig befunden wurden, die agrapuja entgegenzunehmen.

Als es zu keiner Entscheidung kam, ergriff Sahadeva das Wort und schlug Sri Krsna vor. Er sagte: "Sri Krsna, der beste unter den Angehörigen der Yadu-Dynastie und der Beschützer Seiner Geweihten, ist die erhabenste Persönlichkeit in unserer Versammlung. Deshalb bin ich der Ansicht, daß es nichts dagegen einzuwenden gibt, wenn wir zuerst Ihn verehren und verherrlichen. Obwohl hier in der Versammlung große Halbgötter, wie Brahma, Siva und der Himmelskönig Indra, und viele andere vortreffliche Persönlichkeiten zugegen sind, gibt es niemanden, der Krsna überragt oder Ihm in irgendeiner Beziehung gleichkommt - weder in bezug auf Zeit, Raum, Reichtum, Kraft, Ruhm, Weisheit, Entsagung oder in irgendeiner anderen Weise. Alles, was als vortrefflich angesehen wird, befindet sich ursprünglich in Krsna. So, wie die individuelle Seele die Grundlage für die Entwicklung des materiellen Körpers ist, so ist Krsna Seinerseits die Überseele der gesamten kosmischen Manifestation. Alle rituellen Vorgänge der Veden, wie die Durchführung von Opferzeremonien, das Darbringen von Opfergaben im Feuer, das Chanten der vedischen Hymnen und die Ausübung von mystischem yoga, haben das eine Ziel, Krsna zu erkennen. Ob man dem Pfad der fruchtbringenden Tätigkeiten oder dem der philosophischen Spekulation folgt - das endgültige Ziel ist Krsna. Mit anderen Worten, alle autorisierten Methoden der Selbstverwirklichung führen letztlich dazu, Krsna zu verstehen. Verehrte Damen und Herren, es ist überflüssig, noch mehr über Sri Krsna zu sagen, denn jeder von euch ehrenwerten Persönlichkeiten kennt Ihn, Sri Krsna, das Höchste Brahman, für den es keine materiellen Unterschiede gibt wie den Unterschied zwischen Körper und Seele, zwischen Energie und Energieursprung oder einem Körperteil und einem anderen. Weil jeder ein winziger Teil Krsnas ist, besteht qualitativ gesehen kein Unterschied zwischen Krsna und den Lebewesen. Alles ist eine Erweiterung von Krsnas Energien, der materiellen oder der spirituellen Energie. Krsnas Energien sind wie die Wärme und das Licht des Feuers. Es besteht kein qualitativer Unterschied zwischen der Wärme, dem Licht und dem Feuer selbst."

"Krsna besitzt auch die Macht, mit jedem Teil Seines Körpers zu tun, was Ihm beliebt. Wir können eine bestimmte Tätigkeit nur mit einem ganz bestimmten Körperteil verrichten, doch Er kann alles ausnahmslos mit jedem beliebigen Teil Seines Körpers tun. Und weil Sein transzendentaler Körper ewig voller Wissen und Glückseligkeit ist, unterliegt Er nicht den sechs materiellen Wandlungen - Geburt, Dasein, Wachstum, fruchtbringendes Handeln, Verfall und Vergehen. Er wird niemals von irgendeiner äußeren Energie beeinflußt; Er ist die höchste Ursache der Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung alles Existierenden. Nur durch Krsnas Gnade können die Lebewesen der Ausübung von Religiosität, wirtschaftlicher Entwicklung, Sinnenbefriedigung und letzten Endes dem Streben nach Befreiung von der materiellen Gefangenschaft nachgehen. Es ist allein auf Krsnas Barmherzigkeit zurückzuführen, daß diese vier Prinzipien des Fortschritts im Leben ausgeführt werden können. Deshalb gebührt Ihm die erste Verehrung in dieser großen Opferzeremonie, und niemand sollte dem widersprechen. Ebenso wie man die Äste, Zweige, Blätter und Blüten eines Baumes nährt, wenn man die Wurzel begießt, und ebenso wie die Ernährung und der Stoffwechsel für alle Körperteile gewährleistet sind, wenn man dem Magen Nahrung zuführt, so werden alle, die zu diesem Treffen gekommen sind - die großen Halbgötter nicht ausgenommen -, zufriedengestellt sein, wenn wir Krsna als ersten verehren. Für jeden, der Spenden darbringen möchte, ist es das beste, diese einzig und allein Krsna zu geben, der die Überseele eines jeden ist, unabhängig vom Körper und von der Persönlichkeit des Lebewesens. Krsna weilt als Überseele in jedem Lebewesen, und wenn wir Ihn zufriedenstellen können, werden auch alle anderen Lebewesen zufriedengestellt sein."

Sahadeva war in der glücklichen Lage, die Herrlichkeit Krsnas zu kennen, und nachdem er sie kurz beschrieben hatte, schwieg er. Kaum hatte er geendet, applaudierten alle Teilnehmer dieser großen Versammlung, und überall ertönten laute Beifallsrufe: "Alles, was du gesagt hast, ist völlig richtig! Alles, was du gesagt hast, ist völlig richtig!" König Yudhisthira, der die Zustimmung aller Anwesenden, insbesondere der brahmanas und der Weisen, vernahm, machte sich daran, Sri Krsna entsprechend den in den Veden vorgeschriebenen Prinzipien und Anweisungen zu verehren. Gemeinsam mit seinen Brüdern, Frauen, Kindern und anderen Anverwandten und den Ministern wusch König Yudhisthira als erstes Sri Krsnas Lotosfüße und versprengte das Wasser über ihre Köpfe. Darauf überreichten sie Sri Krsna die verschiedenartigsten Gewänder aus gelber Seide und häuften Berge von Juwelen und anderem Schmuck zu Seiner Verfügung vor Ihm auf.

Als König Yudhisthira Krsna, das einzige Ziel seiner Liebe, verehrte, geriet er in solche Ekstase, daß ihm Tränen aus den Augen strömten, und deshalb konnte er Sri Krsna gar nicht richtig sehen, so gern er es auch wollte. Währenddessen standen alle Anwesenden mit gefalteten Händen auf und begannen zu chanten: "Jaya! Jaya! Namah! Namah!" Während sie alle gemeinsam Krsna ihre Ehrerbietungen darbrachten, regnete es Blumen vom Himmel.

Mitten unter den Versammelten befand sich auch König Sisupala. Er war aus vielen Gründen Krsnas geschworener Feind; vor allem deshalb, weil Krsna seine versprochene Braut, Rukmini, kurz vor ihrer Vermählung geraubt hatte. Er konnte es daher nicht ertragen, daß Krsna so viel Ehre erwiesen wurde und daß alle Anwesenden Seine Eigenschaften verherrlichten. Statt sich also zu freuen, über den Ruhm des Herrn zu hören, ärgerte er sich sehr. Als sich jeder erhob, um Krsna seine Ehrerbietung zu erweisen, blieb Sisupala als einziger sitzen. Dann aber konnte er den Anblick von Krsnas Verehrung nicht mehr länger aushalten. Wutschnaubend sprang er plötzlich auf, streckte seine Hand in die Luft und begann, heftig und furchtlos eine Rede gegen Krsna zu führen. Dabei sprach er so laut, daß Krsna ihn deutlich hören konnte.

"Meine Damen und Herren!" rief Sisupala, "ich verstehe nun die Aussage der Veden, daß die Zeit letztlich die allesbeherrschende Kraft ist. Trotz all unserer Gegenanstrengungen führt die Zeit ungehindert ihren Plan aus. So kann man zum Beispiel alles versuchen, um das Leben zu verlängern, doch wenn die Stunde des Todes kommt, gibt es kein Entrinnen. Hier nun muß ich sehen, daß der Einfluß der Zeit so stark ist, daß sich sogar diese Versammlung von unerschütterlichen Persönlichkeiten von den Worten eines Knaben hat irreführen lassen, der törichtes Zeug über Krsna redete. Unter den hier Versammelten befinden sich zwar viele gelehrte Weise und hochbetagte, respektable Persönlichkeiten, doch sie alle haben den Worten eines dummen Jungen Gehör geschenkt. Das zeigt, daß durch den Einfluß der Zeit sogar die Intelligenz solch ehrwürdiger Persönlichkeiten wie der hier Versammelten der Täuschung unterliegen kann. Ich teile zwar durchaus die Meinung der ehrenwerten Anwesenden, daß sie in der Lage sind, die Persönlichkeit zu finden, die als erste verehrt werden soll; doch ich kann unmöglich den Worten eines Knaben wie Sahadeva zustimmen, der Krsna so überschwenglich lobpries und behauptete, Krsna stehe es zu, die erste Ehrung bei der Opferzeremonie zu empfangen. Ich sehe unter den Versammelten viele Persönlichkeiten, die sich große Entsagung auferlegt haben, die hochgelehrt sind oder viele Bußen auf sich genommen haben. Durch ihr Wissen und ihre Führung können sie viele Menschen, die unter den Qualen des materiellen Daseins leiden, befreien. Es sind viele große rsis zugegen, deren Wissen keine Grenzen kennt, sowie viele selbstverwirklichte Transzendentalisten und brahmanas. Meiner Meinung nach hätte jedem von ihnen die erste Verehrung zugesprochen werden können, werden sie doch von allen großen Halbgöttern, Königen und Kaisern verehrt. Es ist mir dagegen völlig unverständlich, wie ihr zum Spott all dieser großen Persönlichkeiten einen Kuhhirtenjungen wie Krsna wählen konntet. Ich sage euch, Krsna ist nicht besser als eine Krähe - wie kann Er Sich dazu eignen, bei dieser großen Opferzeremonie die erste Verehrung zu empfangen? Es läßt sich nicht einmal feststellen, zu welcher Kaste dieser Krsna gehört und welches Seine vorgeschriebenen Pflichten sind."

Tatsächlich gehört Krsna keiner Kaste an, und für Ihn gibt es auch keine vorgeschriebenen Pflichten. In den Veden wird beschrieben, daß der Höchste Herr keinen Pflichten nachzukommen braucht. Alles, was getan werden muß, wird für Ihn von Seinen verschiedenen Energien ausgeführt.

Sisupala fuhr fort: "Krsna gehört nicht einmal einer hohen Familie an. Er ist so unabhängig, daß niemand weiß, nach welchen religiösen Prinzipien Er lebt. Es hat ganz den Anschein, daß Er Sich außerhalb aller religiösen Prinzipien bewegt. Er handelt stets unabhängig und kümmert Sich nicht um vedische Anweisungen und regulierende Prinzipien. Deshalb hat Er keine guten Eigenschaften." Indirekt lobpries Sisupala Krsna, als er sagte, die vedischen Anweisungen hätten für Krsna keine Gültigkeit. Dies stimmt natürlich, denn Krsna ist die Höchste Persönlichkeit Gottes. Wenn gesagt wird, Krsna habe keine Eigenschaften, dann bedeutet dies, daß Er keine materiellen Eigenschaften besitzt. Weil Er die Höchste Persönlichkeit Gottes ist, handelt Er völlig unabhängig, ohne Sich um Förmlichkeiten, gesellschaftliche Pflichten oder religiöse Prinzipien kümmern zu müssen.

Sisupala sprach weiter: "Wie kann Krsna unter diesen Umständen würdig sein, die erste Verehrung entgegenzunehmen? Krsna ist so töricht, daß Er die Stadt Mathura verließ, in der höchst ehrbare Bürger leben, die der vedischen Kultur folgen, um Sich statt dessen aufs Meer zurückzuziehen, wo von den Veden nicht einmal gesprochen wird. Statt offen unter uns zu leben, hat Er Sich eine Festung im Meer gebaut und lebt dort in einer Umgebung, in der niemals vedisches Wissen erörtert wird. Und jedesmal, wenn Er aus Seiner Festung hervorkommt, plagt Er die Bürger wie ein Räuber, ein Verbrecher, ein Schurke!"

Sisupala war ganz außer sich, weil Krsna in dieser Versammlung von erhabenen Persönlichkeiten dazu auserwählt worden war, als erster verehrt zu werden. Seine Worte waren so unverschämt und leichtsinnig, daß es schien, als habe ihn bereits alles Glück verlassen. Unglückselig wie er war, fuhr er fort, Krsna zu beschimpfen, und der Herr hörte geduldig zu, ohne ihm Einhalt zu gebieten. Er schwieg und blieb gelassen wie ein Löwe, der nicht auf das Geheul einer Meute von Schakalen achtet. Krsna antwortete auf keinen einzigen der Vorwürfe Sisupalas, doch alle Mitglieder der Versammlung, außer einigen wenigen, die auf Sisupalas Seite standen, empörten sich sehr, denn es ist die Pflicht jedes ehrbaren Menschen, keine Schmähung gegen Gott oder Seinen Geweihten zu dulden. Einige, die sich für außerstande hielten, etwas gegen Sisupala zu unternehmen, verließen aus Protest die Versammlung, wobei sie sich mit den Händen die Ohren zuhielten, um keine weiteren Beleidigungen mitanhören zu müssen. So verließen viele die Versammlung und verdammten Sisupalas Frevel. Es ist eine vedische Anweisung, daß man einen Ort, an dem die Höchste Persönlichkeit Gottes geschmäht wird, augenblicklich verlassen muß. Unterläßt man dies, wird man aller Ergebnisse seiner frommen Werke beraubt und sinkt zu niederen Lebensbedingungen ab.

Die anwesenden Könige - Mitglieder der Kuru-, Matsya-, Kekaya- und Srnjaya-Dynastie - konnten sich vor Zorn nicht mehr halten und griffen sogleich zu ihren Schwertern und Schilden, um Sisupala zu töten. Aber Sisupala war so verblendet, daß ihn diese Bedrohung nicht im geringsten beunruhigte, ganz zu schweigen davon, daß er sich um das Für und Wider seiner törichten Reden gekümmert hätte. Er ging sogar so weit, daß er beim Anblick der zornigen Könige, die bereit waren, ihn zu töten, ebenfalls Schwert und Schild in die Hand nahm und, statt endlich zu schweigen, sich ihnen zum Kampf stellte. Als Sri Krsna sah, daß die Könige im Begriff waren, an der Stätte des geweihten rajasuya-yajna gegeneinander zu kämpfen, beschwichtigte Er sie und entschloß Sich in Seiner grundlosen Barmherzigkeit, Sisupala persönlich zu töten. Als Sisupala nun auch die Könige, die ihn angreifen wollten, beschimpfte, schleuderte Sri Krsna Sein Feuerrad los, das scharf wie eine Rasierklinge war, und trennte kurzerhand Sisupalas Kopf vom Rumpf.

Als Sisupala auf diese Weise getötet wurde, ging ein tosender Aufschrei durch die Menge. Die wenigen Könige, die auf Sisupalas Seite standen, nutzten diesen Moment, um die Versammlung eilends zu verlassen, da sie um ihr Leben fürchteten. Währenddessen jedoch ging die vom Glück begünstigte Seele Sisupalas vor den Augen aller Anwesenden sofort in Sri Krsnas Körper ein wie ein leuchtender Meteorit, der auf die Oberfläche der Erde stürzt. Das Eingehen von Sisupalas Seele in Krsnas transzendentalen Körper erinnert uns an die Geschichte von Jaya und Vijaya, die aufgrund des Fluches der vier Kumaras von den Vaikuntha-Planeten in die materielle Welt hinabfielen. Es war Jaya und Vijaya bestimmt, dreimal hintereinander als Todfeinde des Herrn geboren zu werden; erst dann sollte es ihnen wieder erlaubt sein, in die Vaikuntha-Welt zurückzukehren und dem Herrn als Seine Gefährten zu dienen. Obwohl Sisupala als Krsnas Feind aufgetreten war, hatte es niemals einen Augenblick gegeben, wo er nicht im Krsna-Bewußtsein vertieft war. Da er ständig an Krsna gedacht hatte, erlangte er zuerst Erlösung in Form von sayujya-mukti, was bedeutet, daß er in die Existenz des Höchsten einging, und wurde später zu seiner ursprünglichen Stellung als persönlicher Diener des Herrn erhoben. Dies wird in der Bhagavad-gita bestätigt: Wer zum Zeitpunkt des Todes in Gedanken an den Höchsten Herrn vertieft ist, wird gleich nach dem Verlassen des materiellen Körpers in das Königreich Gottes erhoben. Nach Sisupalas Erlösung überreichte König Yudhisthira allen Teilnehmern der Opferversammlung Geschenke, und er belohnte insbesondere die Priester und die gelehrten Weisen in reichlichem Maße für ihre Bemühungen bei der Ausführung des Opfers. Nachdem er all diesen üblichen Pflichten nachgekommen war, nahm er zum Abschluß des Opfers ein Bad, das avabhrtha-Bad genannt wird und ebenfalls zum festen Ablauf der Opferzeremonie gehört.

So ermöglichte es Sri Krsna, daß König Yudhisthiras rajasuya-yajna zu einem Erfolg wurde. Anschließend verbrachte Er auf Bitten Seiner Vettern und anderen Verwandten noch einige weitere Monate in Hastinapura. König Yudhisthira und seine Brüder hätten es am liebsten gesehen, wenn Sri Krsna Hastinapura nie mehr verlassen hätte. Trotzdem gelang es Krsna, vom König die Erlaubnis zur Rückkehr zu bekommen, und so begab Er Sich zusammen mit Seinen Königinnen und Ministern auf den Weg nach Dvaraka.

Die Geschichte von Jaya und Vijaya, die von den Vaikuntha-Planeten in die materielle Welt herabfielen, wird im Siebten Canto des Srimad-Bhagavatam erzählt, und die Begebenheit von Sisupalas Tod steht in direkter Beziehung dazu. Die wichtigste Lehre jedoch, die wir aus dieser Begebenheit ziehen können, ist die, daß Krsna, die Höchste Persönlichkeit Gottes, aufgrund Seiner absoluten Stellung jedem Befreiung gewähren kann - ob man nun als Sein Feind oder als Sein Freund handelt. Es ist also ein Irrtum zu glauben, der Herr habe zu manchen Lebewesen eine freundschaftliche und zu anderen eine feindschaftliche Beziehung. Sein feindschaftliches oder freundschaftliches Verhalten befindet sich stets auf der absoluten Ebene, auf der es keine materiellen Unterscheidungen gibt.

Als König Yudhisthira nach dem Opfer sein Bad genommen hatte und wieder bei den gelehrten Weisen und brahmanas stand, erschien er mit solcher Schönheit, daß er dem König des Himmels glich. Er beschenkte alle Halbgötter, die an dem yajna teilgenommen hatten, mit reichen Gaben, und als die Halbgötter, die äußerst zufriedengestellt waren, sich entfernten, lobten sie die Taten des Königs und verherrlichten Sri Krsna.

Als Sukadeva Gosvami erzählte, wie Krsna Sisupala tötete und wie Maharaja Yudhisthiras rajasuya-yajna erfolgreich durchgeführt wurde, wies er darauf hin, daß es nach der glücklichen Beendigung des yajna nur eine Person gab, die nicht zufrieden war, nämlich Duryodhana. Duryodhana war von Natur aus sehr neidisch, denn er führte ein äußerst sündhaftes Leben; er war in der Kuru-Dynastie als die Personifikation der chronischen Krankheit erschienen, die die gesamte Familie zerstören sollte. Sukadeva Gosvami versicherte Maharaja Pariksit, daß die Erzählungen von Sri Krsnas Spielen, wie das Töten von Sisupala und Jarasandha und die Freilassung der gefangenen Könige, völlig transzendentale Klangschwingungen seien und daß jeder, der sie von autorisierten Personen höre, augenblicklich von allen sündhaften Reaktionen seines Lebens befreit werde.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 73. Kapitel des Krsna-Buches: "Die Erlösung Sisupalas".