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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Von Seiner Heiligkeit A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada

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53. Kapitel: Krsna besiegt alle Prinzen und  bringt Rukmini nach Dvaraka


Die Könige und Prinzen, allen voran Jarasandha, bebten vor Zorn, als sie sahen, wie Krsna Rukmini entführte. Sie waren, überwältigt von Rukminis Schönheit, von ihren Pferden und Elefanten gefallen, doch nun erhoben sie sich wieder und suchten ihre Waffen zusammen. Sie ergriffen Pfeil und Bogen, und dann jagten sie auf ihren Wagen, Pferden und Elefanten Krsna nach. Um sie aufzuhalten, machten die Soldaten der Yadu-Dynastie kehrt und stellten sich ihnen entgegen. Darauf entbrannte zwischen den beiden feindlichen Heeren ein unerbittlicher Kampf. Die Fürsten, die sich Krsna widersetzten, wurden von Jarasandha angeführt, und sie alle waren kampferprobte Krieger. Sie schossen ihre Pfeile auf die Soldaten der Yadu-Dynastie ab, genau wie eine Wolke, die eine Bergflanke mit Regengüssen überschüttet. Weil sich die Wolken über einer Bergflanke anstauen und sich nur noch langsam bewegen, sind die Regengüsse dort heftiger als irgendwo anders.

Die feindlichen Prinzen, die fest entschlossen waren, Krsna zu besiegen und Rukmini wieder Seiner Gewalt zu entreißen, kämpften mit aller Verbissenheit. Als Rukmini, die neben Krsna saß, sah, wie die Pfeile der Feinde auf die Köpfe der Yadu-Soldaten herabhagelten, blickte sie angstvoll Krsna an, um Ihm zu zeigen, wie dankbar sie Ihm war, daß Er Sich allein um ihretwillen in solche Gefahr begeben hatte. Ihre Augen bewegten sich unruhig hin und her, und das Ganze schien ihr sehr leid zu tun; Krsna jedoch wußte genau, was in ihr vorging, und ermutigte sie, indem Er sagte: "Meine liebe Rukmini, mach dir keine Sorgen. Sei sicher, daß die Soldaten der Yadu-Dynastie alle Feinde ohne weiteres töten werden."

Während Sri Krsna so zu Rukmini sprach, beschlossen die Generäle der Yadus, die von Sri Balarama, der auch Sankarsana genannt wird, sowie von Gadadhara angeführt wurden, sich die Dreistigkeit ihrer Feinde nicht länger bieten zu lassen, und begannen, deren Pferde, Elefanten und Streitwagen mit gezielten Pfeilen zu beschießen. Je dramatischer die Schlacht wurde, desto mehr Prinzen und Soldaten des feindlichen Lagers stürzten von ihren Pferden, Elefanten und Streitwagen, und schon nach kurzer Zeit war das Schlachtfeld mit Millionen von abgetrennten Köpfen übersät, die alle noch mit Helmen und Ohrringen versehen waren. Auch viele abgeschossene Arme und Hände lagen verstreut auf dem Boden, hielten jedoch immer noch ihre Bogen, Pfeile und Keulen fest umklammert. Ein Kopf rollte über den anderen, ein Pferd türmte sich aufs andere, und alle Fußsoldaten stürzten samt ihren Kamelen, Elefanten und Eseln enthauptet zu Boden.

Als die Feinde, die unter der Führung Jarasandhas kämpften, erkannten, daß sie allmählich von Krsnas Soldaten besiegt wurden, hielten sie es für unklug, allein für Sisupala eine vernichtende Niederlage zu riskieren. Sisupala hätte selbst kämpfen sollen, um Rukmini Krsnas Händen zu entreißen, doch weil die Soldaten sahen, daß Sisupala nicht imstande war, es mit Krsna aufzunehmen, waren sie nicht gewillt, ihre Kräfte nutzlos aufzuopfern; sie stellten daher den Kampf ein und suchten das Weite.

Einige der Fürsten und Prinzen kehrten zurück und begaben sich der Form halber zu Sisupala, den sie dann auch antrafen, wie er völlig niedergeschlagen vor sich hinstarrte, genau wie ein Mann, der seine Frau verloren hat. Sein Gesicht war eingefallen, er war aller Kräfte beraubt, und alle Farbe war aus seinem Körper gewichen. Daher versuchten sie, Sisupala aufzumuntern: "Lieber Sisupala, sei doch nicht so entmutigt. Du gehörst dem Königsstand an und bist der hervorragendste unter den Kämpfern. Für eine Persönlichkeit wie dich gibt es weder Freud noch Leid, denn du weißt, daß keiner dieser Zustände ewig ist. Laß dich nicht wegen dieses einen zeitweiligen Rückschlages aus der Ruhe bringen, und fasse wieder Mut. Schließlich liegt die letzte Entscheidung nicht bei uns. Gleich Puppen, die in den Händen eines Zauberkünstlers tanzen, tanzen wir nach dem Willen des Höchsten, und nach Seinem Willen leiden oder genießen wir. Deshalb sollten wir unter allen Umständen ausgeglichen bleiben."

Da die Prinzen besiegt worden waren, blieb Ihnen nichts anderes übrig, als Sisupala mit solchen schmeichelnden Worten zu besänftigen. Anfangs hatten sie große Hoffnungen in ihr heroisches Vorgehen gesetzt. Aber jetzt mußte sich Sisupala, anstatt Rukmini zu heiraten, mit den schmeichelnden Worten seiner Freunde begnügen, und voller Enttäuschung mußte er den Heimweg antreten. Auch die anderen Könige, die ihn begleitet hatten, kehrten enttäuscht nach Hause zurück.

Die katastrophale Niederlage war allein durch den neidischen Charakter Rukmis, des älteren Bruders von Rukmini, verursacht worden. Rukmi hatte geplant, seine Schwester mit Sisupala zu verheiraten, doch nun, da Krsna sie gewaltsam entführt hatte, sah er all seine Pläne durchkreuzt. Rukmi, der wie Sisupala, sein Freund und verhinderter Schwager, nach Hause zurückgekehrt war, tobte vor Wut und war entschlossen, sich persönlich an Krsna zu rächen. Er rief sogleich seine Soldaten zusammen — Truppen, die aus mehreren Tausend Elefanten, Pferden, Streitwagen und Fußsoldaten bestanden — und nahm an der Spitze dieses Heeres die Verfolgung Krsnas auf, der Sich auf dem Weg nach Dvaraka befand. Noch bevor Rukmi aufgebrochen war, hatte er sich in seinem Größenwahn vor all den zurückgekehrten Königen aufgespielt und versprochen: "Ihr konntet Sisupala nicht helfen, als seine Heirat mit meiner Schwester Rukmini vereitelt wurde, aber ich kann es nicht zulassen, daß Krsna sie entführt. Ich werde Ihm eine Lehre erteilen. Nun kümmere ich mich um diesen Krsna." Rukmi gebärdete sich wie ein großer Feldherr und gelobte vor allen versammelten Prinzen: "Ohne Krsna getötet und meine Schwester aus Seiner Gewalt befreit zu haben, werde ich nicht wieder in meine Hauptstadt, Kundina, zurückkehren. Diesen Schwur lege ich vor euch allen ab, und ihr werdet sehen, daß ich ihn wahr mache." Mit diesen großtönenden Worten schwang er sich auf seinen Streitwagen und befahl dem Wagenlenker, Krsna zu verfolgen. "Ich möchte sofort mit Ihm kämpfen", rief er. "Dieser Kuhhirtenjunge ist wegen Seiner hinterlistigen Art, mit den ksatriyas zu kämpfen, stolz geworden, aber heute werde ich Ihm eine gründliche Lehre erteilen. Weil Er die Frechheit besaß, meine Schwester zu entführen, werde ich Ihm heute mit meinen spitzen Pfeilen Anstand bei- bringen." Auf diese Weise wagte es der törichte Rukmi, der nichts vom Ausmaß der Macht der Höchsten Persönlichkeit Gottes wußte, dreiste Drohungen gegen Krsna auszusprechen.

Schon nach kurzer Zeit kam Krsna in Rukmis Sicht, und in seiner Dummheit rief er Krsna wiederholt folgende Worte zu: "Lauf nicht davon! Halt an und kämpfe mit mir!" Dann spannte er seinen Bogen und schoß drei scharfe Pfeile auf Krsnas Körper ab, worauf er Ihn als den schändlichsten Abkömmling der Yadu-Dynastie bezeichnete und Ihn erneut aufforderte, für einen Augenblick stehenzubleiben, so daß er Ihm endlich die verdiente Lektion erteilen könne. "Du trägst meine Schwester fort, genau wie eine Krähe geklärte Butter stiehlt, die für eine Opferzeremonie bestimmt ist. Du verläßt Dich stolz auf Deine Streitmacht, aber Selbst kannst Du nicht kämpfen, wie es sich nach den vorgeschriebenen Prinzipien gehört. Du hast es gewagt, meine Schwester zu entführen, doch nun werde ich Dich von Deinem Stolz befreien. Du kannst meine Schwester nur so lange Dein eigen nennen, bis ich Dich mit meinen Pfeilen ein für allemal auf dem Boden festgenagelt habe."

Als Sri Krsna diese wahnwitzigen Worte vernommen hatte, schoß Er sogleich einen Pfeil ab, der die Sehne von Rukmis Bogen durchtrennte und es ihm unmöglich machte, einen weiteren Pfeil zu gebrauchen. Rukmi jedoch ergriff sofort einen neuen Bogen und schoß fünf Pfeile auf Krsna ab. Zum zweiten Mal angegriffen, zerschoß Krsna erneut die Bogensehne Seines Gegners. Daraufhin griff Rukmi zu seinem dritten Bogen, doch wieder zerschoß Krsna ihm die Sehne. Um Rukmi eine Lehre zu erteilen, schoß Krsna Seinerseits sechs Pfeile auf ihn ab und sandte sogleich acht weitere hinterher. Vier dieser Pfeile töteten die vier Pferde vor Rukmis Wagen, ein weiterer durchbohrte den Wagenlenker, und die anderen drei Pfeile trennten den oberen Teil von Rukmis Streitwagen einschließlich der Flagge ab.

Da Rukmi inzwischen die Pfeile ausgegangen waren, behalf er sich mit Schwertern, Schilden, Dreizacken, Lanzen und anderen Waffen, die im Kampf von Mann zu Mann verwendet werden, doch all seine Waffen wurden wie zuvor von Krsnas Pfeilen zerschossen. Als Rukmis Versuche immer wieder fehlschlugen, zog er schließlich sein Schwert und rannte blitzschnell auf Krsna zu, genau wie eine Fliege geradewegs ins Feuer fliegt. Doch sowie Rukmi Krsna erreichte, schoß ihm Krsna seine Waffe in Stücke und ergriff Seinerseits Sein scharfes Schwert, um zum entscheidenden Stoß auszuholen; doch Rukmis Schwester, Rukmini, die erkannte, daß Krsna ihrem Bruder nicht noch einmal vergeben würde, warf sich vor Seinen Lotosfüßen nieder. Sie zitterte vor Furcht, und mit einer mitleiderregenden Stimme flehte sie Ihren Gemahl um Gnade an.

"O Yogesvara", waren Rukminis erste Worte. Yogesvara bedeutet "derjenige, der unermeßliche Füllen und Energien besitzt". Krsna besitzt unermeßliche Füllen und Energien, wohingegen Rukminis Bruder nur über eine begrenzte Streitmacht verfügte. Krsna ist unermeßlich und unbegrenzt, wohingegen Rukmi bei jedem Schritt seines Lebens völlig begrenzt war. Deshalb konnte man Rukmi vor der unbeschränkten Macht Krsnas nicht einmal mit einem unbedeutenden Insekt vergleichen. Rukmini nannte Krsna auch "Gott aller Götter". Es gibt viele mächtige Halbgötter, wie zum Beispiel Brahma, Siva, Indra, Candra und Varuna, doch Krsna ist der Herr über sie alle, wohingegen Rukminis Bruder ein gewöhnlicher Mensch war, und nicht nur das, er war der niedrigste aller Menschen, weil er kein Wissen über Krsna besaß. Mit anderen Worten, jemand, der nichts von der wirklichen Stellung Krsnas weiß, ist der Niedrigste der Menschheit. Dann sprach Rukmini Krsna als Mahabhuja an, was bedeutet "mit unbegrenzter Stärke versehen". Rukmini nannte Krsna auch Jagatpati, "der Herr der gesamten kosmischen Manifestation". Ihr Bruder dagegen war nur ein unscheinbarer Prinz.

Auf diese Weise verglich Rukmini die Stellung ihres Bruders mit der Stellung Krsnas und bat ihren Gemahl sehr gefühlvoll, ihren Bruder nicht zu töten, da jetzt doch das glückliche Ereignis ihrer Hochzeit bevorstehe, sondern ihm zu verzeihen. Dadurch zeigte sie ihre Natur als Frau: Sie war glücklich, daß sie Krsna als Gemahl bekommen hatte, genau in dem Augenblick, wo sie mit einem anderen hätte verheiratet werden sollen; doch sie wollte nicht, daß dafür ihr älterer Bruder sterben mußte, denn schließlich liebte er seine junge Schwester und wollte sie einfach nur jemandem zur Frau geben, der seiner Ansicht nach ein besserer Mann für sie war. Während Rukmini um Gnade für ihren Bruder flehte, zitterte sie am ganzen Körper; in ihrer Angst wich ihr die Farbe aus dem Gesicht, und ihre Stimme erstickte, und weil sie so heftig zitterte, löste sich der Schmuck von ihrem Körper und fiel zu Boden. Sri Krsna verspürte sogleich Mitleid und willigte ein, den törichten Rukmi nicht zu töten. Jedoch wollte Er ihn auch nicht ungestraft lassen; daher fesselte Er Rukmi mit einem Tuch und schnitt ihm den Schnurrbart, den Bart und die Haare ab, wobei Er hier und dort kleine Büschel stehen ließ.

Während Krsna Rukmi auf diese Weise bestrafte, brachen die Soldaten der Yadu-Dynastie, die von Balarama persönlich befehligt wurden, die Macht von Rukmis Heer, genau wie ein Elefant in einem Gewässer die zarten Stengel der Lotosblumen zertritt. Mit anderen Worten, wie ein Elefant beim Baden viele Lotosblumen umknickt und zerstört, so mähte das Heer der Yadus Rukmis Soldaten nieder und brachte ihnen eine vernichtende Niederlage bei.

Als die Generäle der Yadu-Dynastie zu Krsna zurückkehrten, waren sie recht erstaunt, Rukmi so zugerichtet zu sehen. Sri Balarama zeigte ganz besonders viel Mitgefühl für Seine neue Schwägerin, und ihr zuliebe löste Er persönlich Rukmis Fesseln. Um sie noch mehr zu erfreuen, sprach Balarama, als älterer Bruder Krsnas, einige Worte des Tadels: "Krsna, das hättest Du wirklich nicht tun dürfen. So etwas läßt sich nicht mit Unserer Familientradition vereinbaren! Wenn man jemandem Schnurrbart, Bart und die Haare abschneidet, so ist dies praktisch genauso, als würde man ihn töten. Was auch immer Rukmi getan hat, er ist nun Unser Schwager, ein Verwandter Unserer Familie, und daher hättest Du ihn nicht so zurichten dürfen."

Danach sagte Balarama zu Rukmini, um sie zu beschwichtigen: "Du solltest nicht traurig darüber sein, daß dein Bruder nun etwas seltsam aussieht; jeder genießt oder erleidet die Folgen seines Handelns." Sri Balarama wollte Rukmini damit klarmachen, daß sie nicht betrübt sein solle, nur weil ihr Bruder die Folgen seiner früheren Handlungen erleide. Es sei nicht nötig, einem solchen Bruder zu sehr zugetan zu sein.

Dann wandte Sich Sri Balarama wieder an Krsna und sagte: "Lieber Krsna, auch wenn ein Verwandter eine solche Missetat verübt, daß er eigentlich verdient, getötet zu werden, sollte man ihm vergeben, denn wenn dieser Verwandte sich seines Fehlers bewußt wird, ist diese Einsicht an sich schon wie der Tod. Deshalb ist es nicht notwendig, ihn zu töten." Daraufhin wandte Balarama Sich wieder an Rukmini und erklärte ihr, daß die vorgeschriebene Pflicht eines ksatriya in der menschlichen Gesellschaft besage, daß nach den Regeln einer Schlacht selbst der eigene Bruder zum Feind werden kann, den es ohne zu zögern zu töten gelte. Sri Balarama wollte also Rukmini darauf hinweisen, daß es durchaus richtig gewesen war, daß sich Rukmi und Krsna keine Barmherzigkeit gezeigt hatten, als sie miteinander kämpften, obwohl sie vom verwandtschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet Schwäger waren. Sri Balarama erklärte Rukmini weiter, daß die ksatriyas typische Beispiele für die materialistische Lebensweise seien, denn immer wenn es um materiellen Gewinn gehe, steige in ihnen unerbittlicher Stolz hoch. Wenn daher zwei feindliche ksatriyas um ein Königreich oder um Land, Reichtum, Frauen, Ansehen oder Macht kämpften, versuche jeder, den anderen möglichst vernichtend zu schlagen. Balarama erklärte Rukmini, daß ihre Zuneigung gegenüber ihrem Bruder Rukmi, der sich mit so vielen Leuten verfeindet hatte, einer falschen Haltung entspränge, wie sie sonst nur bei gewöhnlichen materialistischen Menschen zu finden sei. Im Hinblick auf Rukmis Verhalten gegenüber seinen Freunden sei sein Charakter alles andere als verehrenswert, und dennoch empfinde Rukmini so viel Zuneigung für ihn, als sei sie eine gewöhnliche Frau. Obwohl er es nicht wert sei, ihr Bruder zu sein, sei Rukmini nachsichtig mit ihm.

Balarama fuhr fort: "Die Unterscheidung, daß man einigen Menschen gegenüber unvoreingenommen ist und andere wiederum als Freunde oder Feinde betrachtet, entsteht, wenn man sich in der körperlichen Auffassung des Lebens befindet. Solche verblendeten Menschen verlieren die richtige Sicht und fallen der illusionierenden Energie des Höchsten Herrn zum Opfer. Die spirituelle Seele ist in jeder materiellen Verkörperung von gleicher Reinheit, doch diejenigen, die nicht genügend Intelligenz besitzen, sehen nur körperliche Unterschiede, wie die Unterschiede zwischen Mensch und Tier, Reich und Arm, Gebildeten und Ungebildeten usw. — das heißt Unterscheidungen, die die wahre Identität der reinen spirituellen Seele bedecken. Derartige Unterscheidungen, die lediglich auf der körperlichen Ebene wahrgenommen werden, sind wie die Unterscheidungen von Feuern entsprechend den unterschiedlichen Brennstoffen, die sie verzehren. Das Brennmaterial mag zwar von unterschiedlicher Form und Größe sein, doch das Feuer, das von ihm ausgeht, ist ohne solche Unterschiede. In ähnlicher Weise gibt es auch am Himmel keine Unterschiede in bezug auf Größe und Form."

So beschwichtigte Balarama die Anwesenden durch Seine moralischen und ethischen Unterweisungen. Balarama sagte weiter: "Der Körper, den wir haben, ist ein Teil der materiellen Manifestation. Weil das Lebewesen, die spirituelle Seele, in Berührung mit der Materie ist, wandert es aufgrund seiner Anhaftung an illusorischen Genuß von Körper zu Körper, und diese Wanderung bezeichnet man als materielle Existenz. Die Berührung des Lebewesens mit der materiellen Welt führt weder zu Vermischung, Integration, noch zu Auflösung, Desintegration. Meine liebe keusche Schwägerin, zweifellos ist die spirituelle Seele die Ursache des materiellen Körpers, ebenso wie die Sonne die Ursache des Sonnenlichtes, der Sehkraft und der Formen in der materiellen Manifestation ist. Das Beispiel vom Sonnenschein und der materiellen Manifestation erklärt sehr anschaulich die Verbindung des Lebewesens mit der materiellen Welt. Die Sonne geht am Morgen auf, und im Laufe des Tages nehmen Wärme und Licht allmählich zu. Die Sonne ist die Ursache des Entstehens materieller Formen und Gestalten, denn nur aufgrund der Sonne findet die Integration und Desintegration der materiellen Elemente statt. Doch sowie die Sonne untergegangen ist, hat die ganze Manifestation, die sie beleuchtet hat, keine Verbindung mehr mit der Sonne, da sie ihren Standort gewechselt hat. Wenn die Sonne von Osten nach Westen wandert, bleiben die Folgen ihres Einflusses, den sie im Osten ausgeübt hat, zwar weiterhin bestehen, doch der Sonnenschein selbst kann dann nur noch im Westen gesehen werden. Ebenso akzeptiert oder erzeugt das Lebewesen verschiedene Körper und verschiedene körperliche Beziehungen entsprechend dem Lebensumstand, in dem es sich befindet, doch wenn es seinen gegenwärtigen Körper aufgibt und einen neuen Körper annimmt, hat es nichts mehr mit dem früheren Körper zu tun. Ebenso hat das Lebewesen auch nichts mit dem nächsten Körper zu tun, den es annimmt. Das Lebewesen selbst wird niemals von der körperlichen Verunreinigung berührt. Die Lehre, die wir daraus ziehen, ist also, daß das Erscheinen und Verschwinden des Körpers nichts mit dem Lebewesen zu tun hat, ebenso wie das Zunehmen und Abnehmen des Mondes auf den Mond selbst keinen Einfluß hat. Bei zunehmendem Mond denken wir irrtümlicherweise, der Mond vergrößere sich, und bei abnehmendem Mond glauben wir, der Mond verkleinere sich allmählich. In Wirklichkeit aber ist der Mond immer der gleiche und bleibt, wie er ist; er hat nichts mit dem scheinbaren Zunehmen und Abnehmen zu tun, das wir mit unseren Augen beobachten.

Das Bewußtsein im materiellen Dasein kann man mit Schlaf und Traum vergleichen. Wenn ein Mensch schläft, träumt er von vielen Dingen, die nicht wirklich geschehen, und in seinen Träumen erfährt er verschiedene Arten von Glück und Leid. Ebenso leidet ein Mensch, der sich im Traumzustand des materiellen Bewußtseins befindet, unter den Folgen, die das Annehmen und Aufgeben von Körpern im materiellen Dasein mit sich bringen. Das Gegenteil dieses materiellen Bewußtseins ist Krsna-Bewußtsein. Mit anderen Worten, wenn ein Mensch die Ebene des Krsna-Bewußtseins erreicht, wird er von dieser falschen Auffassung des Lebens frei."

Mit diesen Worten unterwies Sri Balarama Rukmini und Krsna in spirituellem Wissen, und Er wandte Sich noch einmal besonders an Seine Schwägerin und sagte: "Liebliche, lächelnde Rukmini, sei nicht traurig aufgrund nichtiger Dinge, die ihre Ursache in Unwissenheit haben. Nur aufgrund falscher Vorstellungen wird man unglücklich, doch dieses Unglücklichsein wird augenblicklich beseitigt, wenn man über die Philosophie des wirklichen Lebens spricht. Deshalb solltest du deine Freude nur auf dieser Ebene suchen."

Nachdem Rukmini Sri Balaramas erleuchtende Unterweisungen vernommen hatte, war sie beruhigt und glücklich und gewann ihre Fassung wieder, die stark erschüttert worden war, als sie sah, welche Schmach und Demütigung ihr Bruder Rukmi hinnehmen mußte. Was Rukmi betraf, so hatte er weder sein Gelübde halten können, noch war es ihm gelungen, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Er war mit seinem Heer von zu Hause aufgebrochen, um Krsna zu bezwingen und seine Schwester zu befreien, doch statt dessen hatte er all seine Soldaten und seine gesamte Streitmacht verloren. Er persönlich hatte seine ganze Ehre verloren, und in dieser Lage sah er sehr hoffnungslos aus, doch durch die Gnade des Herrn durfte er bis an sein vorbestimmtes Ende weiterleben. Da Rukmi ein ksatriya war, hatte er seinen Schwur nicht vergessen, daß er erst dann wieder in seine Hauptstadt Kundina zurückkehren würde, wenn er Krsna getötet und seine Schwester befreit habe — was ihm beides nicht gelungen war. Deshalb beschloß er in zorniger Verbitterung, nicht mehr nach Kundina zurückzukehren. Er baute sich im Dorf Bhojakata eine kleine Hütte, wo er den Rest seines Lebens verbrachte.

Nachdem Krsna Rukmini gewaltsam entführt und alle Widersacher bezwungen hatte, brachte Er sie in Seine Hauptstadt, Dvaraka, und heiratete sie dort entsprechend den vedischen Prinzipien. Nach Seiner Heirat wurde Krsna in Dvaraka zum König der Yadus gekrönt. Das Ereignis Seiner Heirat mit Rukmini versetzte alle Einwohner Dvarakas in überschwengliche Freude, und so wurden in allen Häusern große Feste gefeiert. Sie legten sich ihren schönsten Schmuck und ihre besten Gewänder an und gingen zu Krsna und Rukmini, dem jungen Brautpaar, um ihnen je nach ihren Möglichkeiten Geschenke zu überreichen. Alle Häuser in Yadupuri (Dvaraka) waren mit Fähnchen, Girlanden und Blumen geschmückt, und jedes dieser Häuser hatte ein besonderes Tor, das eigens zu diesem Anlaß angefertigt worden war. Zu beiden Seiten dieser Tore befanden sich große Krüge mit Wasser. Die ganze Stadt war von dem Duft der er- lesensten Räucherstäbchen erfüllt, und in der Nacht wurde sie von vielen Tausenden von Lichtern hell erleuchtet, die jedes einzelne Gebäude zierten.

Aufgrund von Krsnas und Rukminis Heirat schien ganz Dvaraka in ein Freudenfest einzutauchen. Überall in der Stadt waren üppig verzierte Bananen- und Betelnußbäume zu sehen, die für solch glückverheißende Zeremonien typisch sind. Bei Krsnas Heirat befanden sich auch viele Elefanten in der Stadt, auf denen die Könige befreundeter Königreiche herbeigereist waren. Elefanten haben die Angewohnheit, aus ihrem spielerischen, leichtsinnigen Wesen heraus alle Pflanzen und kleinen Bäume in ihrer Reichweite auszureißen und sie um sich zu werfen. So verstreuten sie auch hier die Bananen- und Betelnußbäume auf den Straßen, doch trotz solcher übermütigen Streiche sah die Stadt mit den überall herumliegenden Bäumen prachtvoll aus.

Die freundlich gesinnten Könige der Kurus und Pandavas wurden durch Bhisma, Dhrtarastra, die fünf Pandava-Brüder, König Drupada, König Santardana und Rukminis Vater, Bhismaka, vertreten. Anfänglich hatte es zwischen Bhismakas und Krsnas Familie eine gewisse Unstimmigkeit gegeben, da Rukmini von Krsna entführt worden war, doch nachdem Balarama mit König Bhismaka gesprochen hatte und dieser von vielen Heiligen überzeugt worden war, ließ sich der König von Vidarbha schließlich dazu bewegen, an Krsnas und Rukminis Hochzeitszeremonie teilzunehmen. Obwohl Rukminis Entführung im Königreich Vidarbha kein erfreuliches Ereignis gewesen war, stellten Entführungen für ksatriyas nichts Ungewöhnliches dar. Im Grunde wurde in der damaligen Zeit bei den meisten Heiraten die Braut entführt. Auf jeden Fall hatte sich König Bhismaka schon immer gewünscht, seine liebliche Tochter Krsna zur Frau zu geben. Auf irgendeine Weise waren die Ereignisse seinem Wunsch entgegengekommen, und so wohnte er der Hochzeitszeremonie mit großer Freude bei, obgleich sein ältester Sohn im Kampf gedemütigt worden war. Im Padma Purana wird erwähnt, daß auch Nanda Maharaja und die Kuhhirtenjungen aus Vrndavana bei der Heirat zugegen waren. Viele Könige und Fürsten aus den Königreichen namens Kuru, Srnjaya, Kekaya, Vidarbha und Kunti kamen zusammen mit ihrer Gefolgschaft ebenfalls zu diesem Ereignis nach Dvaraka.

Die Geschichte, wie Krsna Rukmini entführte, wurde in Gedichtform gefaßt und überall von Balladensängern vorgetragen. Alle anwesenden Könige, vor allem ihre Töchter, waren voller Staunen und empfanden große Glückseligkeit, als sie von den heldenhaften Taten Krsnas hörten. So waren alle Einwohner Dvarakas glücklich, daß sich Krsna und Rukmini gefunden hatten. Mit anderen Worten, der Höchste Herr, der Erhalter aller Lebewesen, und die Glücksgöttin waren nun vereint, und daher waren alle Menschen von großer Freude erfüllt.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 53. Kapitel des Krsna-Buches: "Krsna besiegt alle Prinzen und bringt Rukmini nach Dvaraka".