53. Kapitel: Krsna besiegt alle
Prinzen und bringt Rukmini nach Dvaraka
Die Könige und Prinzen, allen voran
Jarasandha,
bebten vor Zorn, als sie sahen,
wie Krsna Rukmini
entführte. Sie
waren, überwältigt
von Rukminis
Schönheit, von ihren Pferden und Elefanten gefallen, doch
nun erhoben sie sich wieder und
suchten ihre Waffen
zusammen. Sie ergriffen Pfeil und Bogen, und dann jagten
sie auf ihren Wagen, Pferden und
Elefanten Krsna nach.
Um sie
aufzuhalten, machten
die Soldaten der
Yadu-Dynastie kehrt und stellten sich
ihnen entgegen.
Darauf entbrannte zwischen
den beiden feindlichen
Heeren ein unerbittlicher Kampf. Die
Fürsten, die sich
Krsna widersetzten, wurden von Jarasandha
angeführt,
und sie alle waren kampferprobte
Krieger. Sie schossen
ihre Pfeile auf die Soldaten der Yadu-Dynastie ab, genau
wie eine Wolke, die eine Bergflanke
mit Regengüssen
überschüttet. Weil sich die Wolken über einer Bergflanke
anstauen und sich nur noch langsam
bewegen, sind die
Regengüsse dort heftiger als irgendwo anders.
Die feindlichen Prinzen, die fest
entschlossen waren,
Krsna zu besiegen und Rukmini wieder Seiner Gewalt zu
entreißen, kämpften mit aller Verbissenheit. Als Rukmini,
die neben Krsna saß, sah, wie die Pfeile der Feinde auf die
Köpfe der Yadu-Soldaten
herabhagelten, blickte sie
angstvoll Krsna an, um Ihm zu
zeigen, wie dankbar sie
Ihm war, daß Er Sich allein um ihretwillen in solche Gefahr begeben hatte. Ihre Augen bewegten sich unruhig hin
und her, und das Ganze schien ihr sehr leid zu tun; Krsna
jedoch wußte genau, was in ihr
vorging, und ermutigte
sie, indem Er sagte: "Meine liebe Rukmini, mach dir keine
Sorgen. Sei sicher, daß die
Soldaten der Yadu-Dynastie
alle Feinde ohne weiteres töten werden."
Während Sri Krsna so zu Rukmini sprach, beschlossen
die Generäle der Yadus, die von Sri
Balarama, der auch
Sankarsana genannt wird, sowie von Gadadhara angeführt
wurden, sich die Dreistigkeit ihrer
Feinde nicht länger
bieten zu lassen, und begannen,
deren Pferde, Elefanten
und Streitwagen mit gezielten Pfeilen
zu beschießen. Je
dramatischer die Schlacht wurde, desto mehr Prinzen und
Soldaten des feindlichen
Lagers stürzten von ihren
Pferden, Elefanten und Streitwagen, und
schon nach
kurzer Zeit war das Schlachtfeld
mit Millionen von
abgetrennten Köpfen übersät, die alle
noch mit Helmen
und Ohrringen versehen waren. Auch viele abgeschossene
Arme und Hände lagen verstreut auf dem Boden, hielten
jedoch immer noch ihre Bogen,
Pfeile und Keulen fest
umklammert. Ein Kopf rollte über den anderen, ein Pferd
türmte sich aufs andere, und alle
Fußsoldaten stürzten
samt ihren Kamelen, Elefanten und
Eseln enthauptet zu
Boden.
Als die Feinde, die unter der
Führung Jarasandhas
kämpften, erkannten, daß
sie allmählich von Krsnas
Soldaten besiegt wurden, hielten sie es für unklug, allein
für Sisupala eine vernichtende Niederlage
zu riskieren.
Sisupala hätte selbst kämpfen sollen, um Rukmini Krsnas
Händen zu entreißen, doch weil die
Soldaten sahen, daß
Sisupala nicht imstande war, es mit Krsna
aufzunehmen,
waren sie nicht gewillt, ihre
Kräfte nutzlos aufzuopfern;
sie stellten daher den Kampf ein und suchten das Weite.
Einige der Fürsten und Prinzen
kehrten zurück und
begaben sich der Form halber zu
Sisupala, den sie dann
auch antrafen, wie er völlig
niedergeschlagen vor sich
hinstarrte, genau wie ein Mann, der
seine Frau verloren
hat. Sein Gesicht war eingefallen,
er war aller Kräfte
beraubt, und alle Farbe war aus seinem Körper gewichen.
Daher versuchten sie, Sisupala
aufzumuntern: "Lieber
Sisupala, sei doch nicht so
entmutigt. Du gehörst dem
Königsstand an und bist der
hervorragendste unter den
Kämpfern. Für eine Persönlichkeit wie dich gibt es weder
Freud noch Leid, denn du weißt,
daß keiner dieser
Zustände ewig ist. Laß dich nicht
wegen dieses einen
zeitweiligen Rückschlages aus der Ruhe
bringen, und
fasse wieder Mut. Schließlich liegt die letzte Entscheidung
nicht bei uns. Gleich Puppen, die
in den Händen eines
Zauberkünstlers tanzen, tanzen wir nach
dem Willen des
Höchsten, und nach Seinem Willen leiden oder genießen
wir. Deshalb
sollten wir unter
allen Umständen
ausgeglichen bleiben."
Da die Prinzen besiegt worden
waren, blieb Ihnen
nichts anderes
übrig, als
Sisupala mit solchen
schmeichelnden Worten zu besänftigen.
Anfangs hatten
sie große Hoffnungen in ihr heroisches Vorgehen gesetzt.
Aber jetzt mußte sich
Sisupala, anstatt Rukmini zu
heiraten, mit den schmeichelnden Worten seiner Freunde
begnügen, und voller
Enttäuschung mußte er den
Heimweg antreten. Auch die anderen
Könige, die ihn
begleitet hatten, kehrten enttäuscht nach Hause zurück.
Die katastrophale Niederlage war allein
durch den
neidischen Charakter Rukmis, des älteren
Bruders von
Rukmini, verursacht worden. Rukmi hatte
geplant, seine
Schwester mit Sisupala zu verheiraten,
doch nun, da
Krsna sie gewaltsam entführt hatte, sah er all seine Pläne
durchkreuzt. Rukmi, der wie Sisupala,
sein Freund und
verhinderter Schwager, nach Hause
zurückgekehrt war,
tobte vor Wut und war entschlossen,
sich persönlich an
Krsna zu rächen. Er
rief sogleich seine Soldaten
zusammen — Truppen, die aus
mehreren Tausend Elefanten, Pferden, Streitwagen und
Fußsoldaten bestanden
— und nahm an der Spitze dieses Heeres die Verfolgung
Krsnas auf, der Sich auf dem Weg nach Dvaraka befand.
Noch bevor Rukmi aufgebrochen war, hatte
er sich in
seinem Größenwahn vor all den zurückgekehrten Königen
aufgespielt und versprochen: "Ihr konntet
Sisupala nicht
helfen, als seine Heirat mit meiner
Schwester Rukmini
vereitelt wurde, aber ich kann es nicht zulassen, daß Krsna
sie entführt. Ich werde Ihm eine
Lehre erteilen. Nun
kümmere ich mich um diesen Krsna."
Rukmi gebärdete
sich wie ein großer Feldherr und
gelobte vor allen
versammelten Prinzen: "Ohne Krsna getötet
und meine
Schwester aus Seiner Gewalt befreit zu haben, werde ich
nicht wieder in meine Hauptstadt, Kundina, zurückkehren.
Diesen Schwur lege ich vor euch allen ab, und ihr werdet
sehen, daß ich ihn wahr mache." Mit diesen großtönenden
Worten schwang er sich auf seinen
Streitwagen und
befahl dem Wagenlenker,
Krsna zu verfolgen. "Ich
möchte sofort mit Ihm
kämpfen", rief er. "Dieser
Kuhhirtenjunge ist wegen Seiner
hinterlistigen Art, mit
den ksatriyas zu kämpfen, stolz
geworden, aber heute
werde ich Ihm eine gründliche Lehre erteilen. Weil Er die
Frechheit besaß, meine Schwester zu entführen, werde ich
Ihm heute mit meinen
spitzen Pfeilen Anstand bei-
bringen." Auf diese Weise wagte es
der törichte Rukmi,
der nichts vom Ausmaß
der Macht der Höchsten
Persönlichkeit Gottes wußte, dreiste
Drohungen gegen
Krsna auszusprechen.
Schon nach kurzer Zeit kam Krsna
in Rukmis Sicht,
und in seiner Dummheit rief er Krsna wiederholt folgende
Worte zu: "Lauf nicht davon! Halt
an und kämpfe mit
mir!" Dann spannte er seinen Bogen
und schoß drei
scharfe Pfeile auf Krsnas Körper ab, worauf er Ihn als den
schändlichsten
Abkömmling
der Yadu-Dynastie
bezeichnete und Ihn
erneut aufforderte, für einen
Augenblick stehenzubleiben, so daß er
Ihm endlich die
verdiente Lektion erteilen
könne. "Du trägst meine
Schwester fort, genau wie eine
Krähe geklärte Butter
stiehlt, die für eine Opferzeremonie
bestimmt ist. Du
verläßt Dich stolz auf Deine
Streitmacht, aber Selbst
kannst Du nicht
kämpfen, wie es sich
nach den
vorgeschriebenen Prinzipien gehört. Du
hast es gewagt,
meine Schwester zu entführen, doch nun werde ich Dich
von Deinem Stolz befreien. Du
kannst meine Schwester
nur so lange Dein eigen nennen, bis ich Dich mit meinen
Pfeilen ein für allemal auf dem Boden festgenagelt habe."
Als Sri Krsna diese wahnwitzigen Worte vernommen
hatte, schoß Er sogleich einen Pfeil ab, der die Sehne von
Rukmis Bogen durchtrennte
und es ihm unmöglich
machte, einen weiteren
Pfeil zu gebrauchen. Rukmi
jedoch ergriff sofort einen neuen
Bogen und schoß fünf
Pfeile auf Krsna ab. Zum
zweiten Mal angegriffen,
zerschoß Krsna erneut die Bogensehne
Seines Gegners.
Daraufhin griff Rukmi zu seinem dritten
Bogen, doch
wieder zerschoß Krsna ihm die
Sehne. Um Rukmi eine
Lehre zu erteilen, schoß Krsna Seinerseits sechs Pfeile auf
ihn ab und sandte sogleich acht
weitere hinterher. Vier
dieser Pfeile töteten die vier
Pferde vor Rukmis Wagen,
ein weiterer durchbohrte
den Wagenlenker, und die
anderen drei Pfeile trennten den oberen Teil von Rukmis
Streitwagen einschließlich der Flagge ab.
Da Rukmi inzwischen die Pfeile
ausgegangen waren,
behalf er sich mit Schwertern,
Schilden, Dreizacken,
Lanzen und anderen Waffen, die im Kampf von Mann zu
Mann verwendet werden, doch all
seine Waffen wurden
wie zuvor von Krsnas Pfeilen
zerschossen. Als Rukmis
Versuche immer wieder fehlschlugen, zog
er schließlich
sein Schwert und rannte blitzschnell auf Krsna zu, genau
wie eine Fliege geradewegs ins Feuer fliegt. Doch sowie
Rukmi Krsna erreichte, schoß ihm Krsna
seine Waffe in
Stücke und ergriff Seinerseits Sein scharfes Schwert, um
zum entscheidenden Stoß
auszuholen; doch Rukmis
Schwester, Rukmini, die
erkannte, daß Krsna ihrem
Bruder nicht noch einmal vergeben würde, warf sich vor
Seinen Lotosfüßen nieder. Sie zitterte vor Furcht, und mit
einer mitleiderregenden Stimme flehte sie
Ihren Gemahl
um Gnade an.
"O Yogesvara",
waren Rukminis
erste Worte.
Yogesvara bedeutet "derjenige, der
unermeßliche Füllen
und Energien besitzt". Krsna besitzt unermeßliche Füllen
und Energien, wohingegen Rukminis Bruder nur über eine
begrenzte Streitmacht verfügte. Krsna ist unermeßlich und
unbegrenzt, wohingegen Rukmi bei jedem
Schritt seines
Lebens völlig begrenzt war. Deshalb
konnte man Rukmi
vor der unbeschränkten Macht Krsnas
nicht einmal mit
einem unbedeutenden Insekt vergleichen. Rukmini nannte
Krsna auch "Gott aller Götter". Es
gibt viele mächtige
Halbgötter, wie zum Beispiel Brahma, Siva, Indra, Candra
und Varuna, doch Krsna ist der
Herr über sie alle,
wohingegen Rukminis Bruder ein
gewöhnlicher Mensch
war, und nicht nur das, er
war der niedrigste aller
Menschen, weil er kein Wissen über
Krsna besaß. Mit
anderen Worten, jemand, der nichts
von der wirklichen
Stellung Krsnas weiß, ist der
Niedrigste der Menschheit.
Dann sprach Rukmini Krsna als Mahabhuja
an, was
bedeutet "mit unbegrenzter Stärke
versehen". Rukmini
nannte Krsna auch Jagatpati, "der
Herr der gesamten
kosmischen Manifestation". Ihr Bruder
dagegen war nur
ein unscheinbarer Prinz.
Auf diese Weise verglich Rukmini die
Stellung ihres
Bruders mit der Stellung Krsnas und
bat ihren Gemahl
sehr gefühlvoll, ihren Bruder nicht zu töten, da jetzt doch
das glückliche Ereignis
ihrer Hochzeit bevorstehe,
sondern ihm zu verzeihen. Dadurch zeigte sie ihre Natur
als Frau: Sie war glücklich, daß
sie Krsna als Gemahl
bekommen hatte, genau in dem
Augenblick, wo sie mit
einem anderen hätte verheiratet werden
sollen; doch sie
wollte nicht, daß dafür ihr älterer
Bruder sterben mußte,
denn schließlich liebte er seine
junge Schwester und
wollte sie einfach nur jemandem zur
Frau geben, der
seiner Ansicht nach ein besserer
Mann für sie war.
Während Rukmini um Gnade für ihren
Bruder flehte,
zitterte sie am ganzen Körper; in ihrer Angst wich ihr die
Farbe aus dem Gesicht, und ihre
Stimme erstickte, und
weil sie so heftig zitterte, löste
sich der Schmuck von
ihrem Körper und fiel zu Boden. Sri
Krsna verspürte
sogleich Mitleid und willigte ein,
den törichten Rukmi
nicht zu töten. Jedoch wollte Er ihn auch nicht ungestraft
lassen; daher fesselte Er Rukmi mit
einem Tuch und
schnitt ihm den Schnurrbart, den
Bart und die Haare ab,
wobei Er hier und dort kleine Büschel stehen ließ.
Während Krsna Rukmi auf diese Weise
bestrafte,
brachen die Soldaten
der Yadu-Dynastie, die von
Balarama persönlich befehligt wurden, die
Macht von
Rukmis Heer, genau wie ein Elefant
in einem Gewässer
die zarten Stengel der Lotosblumen
zertritt. Mit anderen
Worten, wie ein Elefant beim Baden
viele Lotosblumen
umknickt und zerstört, so mähte das
Heer der Yadus
Rukmis Soldaten
nieder und
brachte ihnen eine
vernichtende Niederlage bei.
Als die Generäle der
Yadu-Dynastie zu Krsna
zurückkehrten, waren sie
recht erstaunt, Rukmi so
zugerichtet zu sehen. Sri Balarama zeigte ganz besonders
viel Mitgefühl für Seine neue Schwägerin, und ihr zuliebe
löste Er persönlich Rukmis Fesseln. Um sie noch mehr zu
erfreuen, sprach Balarama, als älterer
Bruder Krsnas,
einige Worte des Tadels: "Krsna, das hättest Du wirklich
nicht tun dürfen. So etwas läßt
sich nicht mit Unserer
Familientradition vereinbaren! Wenn
man jemandem
Schnurrbart, Bart und die Haare
abschneidet, so ist dies
praktisch genauso, als würde man
ihn töten. Was auch
immer Rukmi getan hat, er ist nun
Unser Schwager, ein
Verwandter Unserer Familie, und daher
hättest Du ihn
nicht so zurichten dürfen."
Danach sagte Balarama
zu Rukmini, um sie zu
beschwichtigen: "Du solltest nicht
traurig darüber sein,
daß dein Bruder nun etwas seltsam aussieht; jeder genießt
oder erleidet die Folgen seines
Handelns." Sri Balarama
wollte Rukmini damit klarmachen, daß sie
nicht betrübt
sein solle, nur weil ihr Bruder die Folgen seiner früheren
Handlungen erleide. Es sei nicht
nötig, einem solchen
Bruder zu sehr zugetan zu sein.
Dann wandte Sich Sri Balarama wieder an Krsna und
sagte: "Lieber Krsna, auch wenn ein
Verwandter eine
solche Missetat verübt, daß er eigentlich verdient, getötet
zu werden, sollte man ihm vergeben,
denn wenn dieser
Verwandte sich seines Fehlers bewußt
wird, ist diese
Einsicht an sich schon wie der
Tod. Deshalb ist es nicht
notwendig, ihn zu töten." Daraufhin
wandte Balarama
Sich wieder an Rukmini
und erklärte ihr, daß
die
vorgeschriebene Pflicht
eines ksatriya
in der
menschlichen Gesellschaft besage, daß
nach den Regeln
einer Schlacht selbst der eigene Bruder zum Feind werden
kann, den es ohne zu zögern zu töten gelte. Sri Balarama
wollte also Rukmini darauf hinweisen, daß
es durchaus
richtig gewesen war, daß sich Rukmi
und Krsna keine
Barmherzigkeit gezeigt
hatten, als sie
miteinander
kämpften, obwohl
sie vom
verwandtschaftlichen
Gesichtspunkt aus
betrachtet Schwäger
waren. Sri
Balarama erklärte Rukmini weiter, daß
die ksatriyas
typische Beispiele für die
materialistische Lebensweise
seien, denn immer wenn es um materiellen Gewinn gehe,
steige in ihnen unerbittlicher Stolz hoch. Wenn daher zwei
feindliche ksatriyas um ein Königreich
oder um Land,
Reichtum, Frauen, Ansehen oder Macht kämpften, versuche jeder, den anderen möglichst vernichtend zu schlagen.
Balarama erklärte
Rukmini, daß ihre
Zuneigung
gegenüber ihrem Bruder Rukmi, der
sich mit so vielen
Leuten verfeindet
hatte, einer
falschen Haltung
entspränge, wie
sie sonst nur
bei gewöhnlichen
materialistischen Menschen zu finden sei. Im Hinblick auf
Rukmis Verhalten gegenüber seinen
Freunden sei sein
Charakter alles andere als verehrenswert,
und dennoch
empfinde Rukmini so viel Zuneigung für
ihn, als sei sie
eine gewöhnliche Frau. Obwohl er es
nicht wert sei, ihr
Bruder zu sein, sei Rukmini nachsichtig mit ihm.
Balarama fuhr fort: "Die Unterscheidung,
daß man
einigen Menschen gegenüber unvoreingenommen ist und
andere wiederum als Freunde oder
Feinde betrachtet,
entsteht, wenn man sich in der
körperlichen Auffassung
des Lebens befindet.
Solche verblendeten Menschen
verlieren die richtige Sicht und fallen der illusionierenden
Energie des Höchsten Herrn zum
Opfer. Die spirituelle
Seele ist in jeder materiellen
Verkörperung von gleicher
Reinheit, doch diejenigen, die nicht genügend Intelligenz
besitzen, sehen nur körperliche
Unterschiede, wie die
Unterschiede zwischen Mensch und Tier, Reich und Arm,
Gebildeten und
Ungebildeten usw.
— das heißt
Unterscheidungen, die die wahre Identität
der reinen
spirituellen Seele bedecken. Derartige
Unterscheidungen,
die lediglich auf der körperlichen Ebene wahrgenommen
werden, sind wie die
Unterscheidungen von Feuern
entsprechend den unterschiedlichen
Brennstoffen, die sie
verzehren. Das
Brennmaterial mag
zwar von
unterschiedlicher Form und Größe sein,
doch das Feuer,
das von ihm ausgeht, ist ohne
solche Unterschiede. In
ähnlicher Weise gibt es
auch am Himmel keine
Unterschiede in bezug auf Größe und Form."
So beschwichtigte Balarama die Anwesenden
durch
Seine moralischen
und ethischen Unterweisungen.
Balarama sagte weiter: "Der Körper, den wir haben, ist ein
Teil der materiellen Manifestation. Weil
das Lebewesen,
die spirituelle Seele, in Berührung
mit der Materie ist,
wandert es aufgrund seiner Anhaftung
an illusorischen
Genuß von Körper zu Körper, und
diese Wanderung
bezeichnet man als materielle Existenz.
Die Berührung
des Lebewesens mit der materiellen Welt führt weder zu
Vermischung,
Integration,
noch zu
Auflösung,
Desintegration. Meine
liebe keusche Schwägerin,
zweifellos ist die
spirituelle Seele die
Ursache des
materiellen Körpers, ebenso wie die
Sonne die Ursache
des Sonnenlichtes, der Sehkraft und
der Formen in der
materiellen Manifestation
ist. Das Beispiel
vom
Sonnenschein und der materiellen
Manifestation erklärt
sehr anschaulich die Verbindung des Lebewesens mit der
materiellen Welt. Die Sonne geht am Morgen auf, und im
Laufe des Tages nehmen Wärme und Licht allmählich zu.
Die Sonne ist die Ursache des
Entstehens materieller
Formen und Gestalten, denn nur
aufgrund der Sonne
findet die Integration und Desintegration
der materiellen
Elemente statt. Doch sowie die Sonne untergegangen ist,
hat die ganze Manifestation, die sie beleuchtet hat, keine
Verbindung mehr mit der Sonne, da
sie ihren Standort
gewechselt hat. Wenn die Sonne von Osten nach Westen
wandert, bleiben die Folgen ihres
Einflusses, den sie im
Osten ausgeübt hat, zwar weiterhin
bestehen, doch der
Sonnenschein selbst kann dann nur
noch im Westen
gesehen werden. Ebenso akzeptiert
oder erzeugt das
Lebewesen verschiedene
Körper und verschiedene
körperliche
Beziehungen
entsprechend dem
Lebensumstand, in dem es sich
befindet, doch wenn es
seinen gegenwärtigen Körper aufgibt und
einen neuen
Körper annimmt, hat es nichts mehr
mit dem früheren
Körper zu tun. Ebenso hat das Lebewesen auch nichts mit
dem nächsten Körper zu tun, den
es annimmt. Das
Lebewesen selbst wird niemals von
der körperlichen
Verunreinigung berührt. Die Lehre, die wir daraus ziehen,
ist also, daß das
Erscheinen und Verschwinden des
Körpers nichts mit dem Lebewesen zu tun hat, ebenso wie
das Zunehmen und Abnehmen des Mondes auf den Mond
selbst keinen Einfluß
hat. Bei zunehmendem Mond
denken wir irrtümlicherweise, der Mond vergrößere sich,
und bei abnehmendem Mond glauben
wir, der Mond
verkleinere sich allmählich. In
Wirklichkeit aber ist der
Mond immer der gleiche und bleibt,
wie er ist; er hat
nichts mit dem scheinbaren Zunehmen und Abnehmen zu
tun, das wir mit unseren Augen beobachten.
Das Bewußtsein im materiellen Dasein kann man mit
Schlaf und Traum vergleichen. Wenn ein Mensch schläft,
träumt er von vielen
Dingen, die nicht wirklich
geschehen, und in seinen Träumen erfährt er verschiedene
Arten von Glück und Leid. Ebenso leidet ein Mensch, der
sich im Traumzustand
des materiellen Bewußtseins
befindet, unter den
Folgen, die das
Annehmen und
Aufgeben von Körpern im materiellen
Dasein mit sich
bringen. Das Gegenteil dieses materiellen Bewußtseins ist
Krsna-Bewußtsein. Mit anderen
Worten, wenn ein
Mensch die Ebene des Krsna-Bewußtseins
erreicht, wird
er von dieser falschen Auffassung des Lebens frei."
Mit diesen Worten unterwies Sri Balarama
Rukmini
und Krsna in spirituellem Wissen,
und Er wandte Sich
noch einmal besonders an Seine
Schwägerin und sagte:
"Liebliche, lächelnde Rukmini, sei nicht traurig aufgrund
nichtiger Dinge, die ihre Ursache in Unwissenheit haben.
Nur aufgrund
falscher Vorstellungen
wird man
unglücklich, doch
dieses
Unglücklichsein wird
augenblicklich beseitigt, wenn man über
die Philosophie
des wirklichen Lebens spricht. Deshalb
solltest du deine
Freude nur auf dieser Ebene suchen."
Nachdem Rukmini Sri
Balaramas erleuchtende
Unterweisungen vernommen hatte, war sie
beruhigt und
glücklich und gewann ihre Fassung
wieder, die stark
erschüttert worden war, als sie sah, welche Schmach und
Demütigung ihr Bruder Rukmi hinnehmen
mußte. Was
Rukmi betraf, so hatte er weder
sein Gelübde halten
können, noch war es ihm gelungen, seine Pläne in die Tat
umzusetzen. Er war mit seinem Heer
von zu Hause
aufgebrochen, um Krsna
zu bezwingen und seine
Schwester zu befreien, doch statt dessen hatte er all seine
Soldaten und seine gesamte Streitmacht
verloren. Er
persönlich hatte seine ganze Ehre verloren, und in dieser
Lage sah er sehr hoffnungslos aus, doch durch die Gnade
des Herrn durfte er bis an
sein vorbestimmtes Ende
weiterleben. Da Rukmi ein ksatriya war,
hatte er seinen
Schwur nicht vergessen, daß er erst dann wieder in seine
Hauptstadt Kundina zurückkehren würde, wenn er Krsna
getötet und seine Schwester befreit
habe — was ihm
beides nicht gelungen
war. Deshalb beschloß
er in
zorniger Verbitterung,
nicht mehr nach
Kundina
zurückzukehren. Er baute sich im
Dorf Bhojakata eine
kleine Hütte, wo er den Rest seines Lebens verbrachte.
Nachdem Krsna Rukmini gewaltsam entführt und alle
Widersacher bezwungen hatte, brachte Er
sie in Seine
Hauptstadt, Dvaraka, und heiratete sie
dort entsprechend
den vedischen Prinzipien. Nach Seiner
Heirat wurde
Krsna in Dvaraka zum König der
Yadus gekrönt. Das
Ereignis Seiner Heirat
mit Rukmini versetzte alle
Einwohner Dvarakas in überschwengliche Freude, und so
wurden in allen Häusern große Feste
gefeiert. Sie legten
sich ihren schönsten Schmuck und ihre besten Gewänder
an und gingen zu Krsna und
Rukmini, dem jungen
Brautpaar, um ihnen je
nach ihren Möglichkeiten
Geschenke zu überreichen. Alle Häuser
in Yadupuri
(Dvaraka) waren mit Fähnchen, Girlanden
und Blumen
geschmückt, und jedes dieser Häuser hatte ein besonderes
Tor, das eigens zu diesem Anlaß angefertigt worden war.
Zu beiden Seiten dieser Tore befanden sich große Krüge
mit Wasser. Die ganze Stadt war
von dem Duft der er-
lesensten Räucherstäbchen erfüllt, und in der Nacht wurde
sie von vielen Tausenden von Lichtern hell erleuchtet, die
jedes einzelne Gebäude zierten.
Aufgrund von Krsnas und Rukminis
Heirat schien
ganz Dvaraka in ein Freudenfest einzutauchen. Überall in
der Stadt waren
üppig verzierte
Bananen- und
Betelnußbäume zu sehen, die für solch glückverheißende
Zeremonien typisch sind. Bei Krsnas Heirat befanden sich
auch viele Elefanten in der Stadt,
auf denen die Könige
befreundeter Königreiche herbeigereist waren.
Elefanten
haben die Angewohnheit,
aus ihrem spielerischen,
leichtsinnigen Wesen heraus alle Pflanzen
und kleinen
Bäume in ihrer Reichweite auszureißen und sie um sich zu
werfen. So verstreuten sie auch
hier die Bananen- und
Betelnußbäume auf den
Straßen, doch trotz solcher
übermütigen Streiche sah
die Stadt mit den
überall
herumliegenden Bäumen prachtvoll aus.
Die freundlich gesinnten
Könige der Kurus und
Pandavas wurden durch Bhisma,
Dhrtarastra, die fünf
Pandava-Brüder, König Drupada, König
Santardana und
Rukminis Vater, Bhismaka, vertreten. Anfänglich hatte es
zwischen Bhismakas und Krsnas Familie
eine gewisse
Unstimmigkeit gegeben, da Rukmini von
Krsna entführt
worden war, doch
nachdem Balarama mit König
Bhismaka gesprochen hatte
und dieser von vielen
Heiligen überzeugt worden war, ließ sich
der König von
Vidarbha schließlich dazu
bewegen, an Krsnas und
Rukminis Hochzeitszeremonie
teilzunehmen. Obwohl
Rukminis Entführung im
Königreich Vidarbha kein
erfreuliches Ereignis gewesen war,
stellten Entführungen
für ksatriyas nichts Ungewöhnliches dar.
Im Grunde
wurde in der damaligen Zeit bei den meisten Heiraten die
Braut entführt. Auf jeden Fall hatte sich König Bhismaka
schon immer gewünscht, seine liebliche
Tochter Krsna
zur Frau zu geben. Auf irgendeine
Weise waren die
Ereignisse seinem Wunsch entgegengekommen,
und so
wohnte er der Hochzeitszeremonie mit großer Freude bei,
obgleich sein ältester Sohn im Kampf gedemütigt worden
war. Im Padma Purana wird erwähnt,
daß auch Nanda
Maharaja und die Kuhhirtenjungen aus Vrndavana bei der
Heirat zugegen waren. Viele Könige und Fürsten aus den
Königreichen namens Kuru, Srnjaya,
Kekaya, Vidarbha
und Kunti kamen
zusammen mit ihrer Gefolgschaft
ebenfalls zu diesem Ereignis nach Dvaraka.
Die Geschichte, wie Krsna Rukmini
entführte, wurde
in Gedichtform gefaßt und überall
von Balladensängern
vorgetragen. Alle anwesenden Könige, vor
allem ihre
Töchter, waren voller Staunen und
empfanden große
Glückseligkeit, als sie von den heldenhaften Taten Krsnas
hörten. So waren alle Einwohner Dvarakas glücklich, daß
sich Krsna und Rukmini gefunden hatten.
Mit anderen
Worten, der Höchste Herr, der Erhalter
aller Lebewesen,
und die Glücksgöttin waren nun vereint, und daher waren
alle Menschen von großer Freude erfüllt.
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 53. Kapitel des Krsna-Buches:
"Krsna besiegt alle Prinzen und bringt Rukmini nach Dvaraka".