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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Von Seiner Heiligkeit A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada

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51. Kapitel: Krsna, der Ranchor

Als Mucukunda, der berühmte Nachkomme der Iksvaku-Dynastie, Sri Krsnas Segnung empfangen hatte, umkreiste er den Herrn in der Höhle und begab sich dann ins Freie. Als er ans Tageslicht trat, sah er zu seinem Erstaunen, daß die Körper der Menschen auf Zwergengröße geschrumpft waren. Auch die Bäume waren viel kleiner geworden, und Mucukunda begriff sofort, daß er sich im Kali-yuga befand. Ohne sich weiter aufzuhalten, zog er daher in Richtung Norden, und auf diese Weise erreichte er schließlich den Berg Gandhamadana. Auf diesem Berg wuchsen viele Bäume, wie Sandelholzbäume und andere blütentragende Bäume, deren Wohlgeruch jeden, der in ihre Nähe kam, in eine freudige Stimmung versetzte. Mucukunda beschloß, in dieser Berggegend zu bleiben, um sich dort für den Rest seines Lebens strengen Entsagungen und Bußen zu unterziehen. Der Gandhamadana liegt, soviel man weiß, im nördlichsten Teil des Himalaya-Gebirges, wo sich auch das Reich Nara-Narayanas befindet. Dieser Ort existiert heute noch und ist unter dem Namen Badarikasrama bekannt. Dort in Badarikasrama widmete sich Mucukunda der Verehrung Sri Krsnas, und so vergaß er Glück und Leid wie auch alle anderen Dualitäten der materiellen Welt. Sri Krsna Seinerseits begab Sich auf den Rückweg nach Mathura, und dort kämpfte Er mit Kalayavanas Soldaten, die Er alle, einen nach dem anderen, tötete. Danach sammelte Er von allen Gefallenen die Kriegsbeute zusammen, und unter Seiner Aufsicht ließ Er die gesamte Beute auf Ochsenkarren laden und nach Dvaraka bringen.

Unterdessen griff Jarasandha Mathura aufs neue an, diesmal jedoch mit mehr Soldaten als bei seinen vorangegangenen Versuchen. Es war ihm nämlich gelungen, dreiundzwanzig aksauhinis aufzustellen. Sri Krsna wollte Mathura auch vor dem achtzehnten Angriff der großen Streitmacht Jarasandhas retten, doch weil Er weiteres Blutvergießen verhindern und überdies andere wichtige Angelegenheiten erledigen wollte, verließ Er das Schlachtfeld kampflos. Obwohl Krsna natürlich keine Furcht kannte, tat Er so, als sei Er ein gewöhnlicher Mensch, der sich vor dem ungeheuren Truppen- und Waffenaufgebot Jarasandhas fürchtete. Ohne Waffe verließ Er das Schlachtfeld, und obgleich Seine Lotosfüße die Zartheit der Blütenblätter einer Lotosblume besitzen, legte Er eine sehr weite Strecke zu Fuß zurück. Jarasandha war der Überzeugung, daß Krsna und Balarama beim Anblick seiner gewaltigen Streitmacht diesmal von großer Angst ergriffen worden seien und nur deshalb das Schlachtfeld so fluchtartig verlassen hätten. Sogleich setzte Jarasandha den beiden Brüdern mit allen Streitwagen, der gesamten Reiterei und allem Fußvolk nach, denn er hielt Krsna und Balarama für gewöhnliche Menschen und versuchte, Ihr Tun dementsprechend zu deuten. Krsna wird auch Ranchor genannt, was soviel bedeutet wie "derjenige, der das Schlachtfeld verlassen hat".

In Indien, vor allem in Gujarat, gibt es viele Tempel Krsnas, die als Tempel Ranchorjis bezeichnet werden. Normalerweise wird ein König, der das Schlachtfeld kampflos verläßt, als Feigling verschrien, doch wenn Krsna als eines Seiner transzendentalen Spiele das Schlachtfeld kampflos verläßt, wird Er von den Gottgeweihten dafür verehrt. Ein Dämon versucht immer, Krsnas transzendentale Macht zu messen; der Gottgeweihte hingegen versucht niemals, Krsnas Macht und Reichtum zu ermessen, sondern er ergibt sich dem Herrn einfach und verehrt Ihn. Dem Beispiel der reinen Gottgeweihten folgend, können wir verstehen, daß Krsna, der Ranchorji, das Schlachtfeld nicht aus Furcht verließ, sondern weil Er etwas anderes vorhatte. Wie sich später zeigen sollte, war es Seine Absicht, schnell wieder nach Dvaraka zurückzukehren, um dort einen vertraulichen Brief von Rukmini, Seiner zukünftigen ersten Frau, in Empfang zu nehmen. Mit dem Verlassen des Schlachtfeldes entfaltete Krsna eine Seiner sechs transzendentalen Füllen. Krsna ist der Mächtigste, der Reichste, der Berühmteste, der Weiseste und der Schönste, und ebenso ist Er der Entsagungsvollste. Das Srimad-Bhagavatam erklärt eindeutig, daß Krsna das Schlachtfeld verließ, obwohl Ihm eine umfangreiche Streitmacht zur Verfügung stand. Auch allein, ohne Seine Streitheere, wäre Er imstande gewesen, die gesamte Armee Jarasandhas zu schlagen, wie Er es bereits siebzehnmal zuvor getan hatte. Mit dem Verlassen des Schlachtfeldes gab Er also ein Beispiel Seiner vollkommenen Entsagung.

Nachdem die beiden Brüder eine sehr weite Strecke zurückgelegt hatten, gaben Sie vor, müde zu werden. Um Ihre Müdigkeit zu vertreiben, bestiegen Sie einen hohen Berg, dessen Gipfel viele Meilen über dem Meeresspiegel lag. Dieser Berg hieß Pravarsana, weil es dort ständig regnete, denn der Gipfel war immer von Wolken umhüllt, die von Indra gesandt wurden. In seiner Überheblichkeit zweifelte Jarasandha keinen Augenblick daran, daß Sich die beiden Brüder vor seiner Streitmacht fürchteten und Sich deshalb auf dem Gipfel des Berges versteckt hatten. Zuerst versuchte er, Sie zu finden, doch nachdem er lange Zeit erfolglos gesucht hatte, beschloß er, Sie festzuhalten und zu töten, indem er um den Gipfel herum ein Feuer legte. Mit dieser Absicht goß er um die Bergspitze herum Öl aus und setzte es in Brand. Als das Feuer immer weiter um sich griff, sprangen Krsna und Balarama vom Gipfel des Berges hinunter zur ebenen Erde — ein Sprung aus 142 Kilometer Höhe. Während der Gipfel in Flammen aufging, entkamen Krsna und Balarama, ohne von Jarasandha gesehen zu werden. Jarasandha dachte, die beiden Brüder seien bei lebendigem Leibe verbrannt, und deshalb hielt er es nicht für nötig, weiterzukämpfen. Weil er von seinem Erfolg überzeugt war, ließ er von Mathura ab, um zu seiner Residenz im Königreich Magadha zurückzukehren. In der Zwischenzeit erreichten Krsna und Balarama die Stadt Dvaraka, die von allen Seiten vom Meer umgeben wurde.

Nach dieser Begebenheit heiratete Sri Balarama Revati, die Tochter König Raivatas, des Herrschers über die Provinz Anarta. Dies wird im Neunten Canto des Srimad-Bhagavatam geschildert. Nach Baladevas Heirat nahm Sich Krsna Rukmini zur Frau, die Tochter Bhismakas, des Königs über die Provinz Vidarbha. So wie Krsna die Höchste Persönlichkeit Gottes, Vasudeva, ist, ist Rukmini die höchste Glücksgöttin, Maha-Laksmi. Laut der maßgeblichen Aussage des Caitanya-caritamrta erweitern Sich Krsna und Sri Radharani gleichzeitig. Krsna erweitert Sich in die mannigfachen Visnu-tattva-Formen; und Srimati Radharani erweitert Sich durch Ihre innere Energie in zahlreiche sakti-tattva-Formen, d.h. in die verschiedenen Formen der Glücksgöttinnen.

Nach vedischer Tradition gibt es acht verschiedene Arten der Heirat. Die beste Art der Heirat ist es, wenn die Eltern der Braut und des Bräutigams gemeinsam den Tag bestimmen, an dem die Trauung stattfinden soll. Bei einer Heirat im königlichen Stil begibt sich der Bräutigam zum Haus der Braut, und dort wird ihm in Anwesenheit von brahmanas, Priestern und Verwandten seine Braut als Geschenk übergeben. Daneben gibt es noch andere Arten der Heirat, wie zum Beispiel die gandharva- und raksasa-Heiraten. Krsna heiratete Rukmini im raksasa-Stil, denn Er entführte sie vor den Augen Seiner vielen Rivalen, wie Sisupala, Jarasandha und Salva. Als Rukmin iSisupala übergeben werden sollte, raubte Krsna sie aus der Festarena, genau wie Garuda den Dämonen den Topf mit Nektar entriß. Rukmini, die einzige Tochter König Bhismakas, war von einzigartiger Schönheit. Man nannte sie auch Ruciranana, "diejenige, deren Antlitz so schön ist wie eine aufblühende Lotosblume“.

Krsnas Geweihte sind stets begierig, von den transzendentalen Taten des Herrn zu hören. Wenn Krsna mit Dämonen kämpft, Seine Braut entführt oder vom Schlachtfeld flieht, so sind dies alles transzendentale Taten, die sich auf der absoluten Ebene befinden, und deshalb haben die Gottgeweihten ein transzendentales Interesse, darüber zu hören. Der reine Gottgeweihte unterscheidet bei Krsnas Spielen nicht zwischen solchen, die es wert sind, gehört zu werden, und anderen, die man übergehen kann. Es gibt jedoch eine Gruppe von Pseudo-Gottgeweihten, die allgemein als prakrta-sahajiyas bekannt sind, und diese sahajiyas interessieren sich nur für Krsnas rasa-lila mit den gopis, während sie mit den Beschreibungen von Krsnas Kämpfen mit Seinen Feinden nichts anfangen können. Sie wissen nicht, daß Seine Kämpfe und Seine vertraulichen Beziehungen zu den gopis gleichermaßen transzendental sind, weil sie sich auf der absoluten Ebene befinden. Die reinen Gottgeweihten kosten die transzendentalen Spiele Sri Krsnas, die im Srimad-Bhagavatam beschrieben werden, durch ergebenes Hören, und sie weisen keinen Tropfen dieses Nektars zurück.

Die folgende Geschichte beschreibt, wie es zu Krsnas Heirat mit Rukmini kam. Der Herrscher von Vidarbha, Maharaja Bhismaka, war ein hochbefähigter und gottergebener König. Er hatte fünf Söhne und nur eine Tochter. Sein erster Sohn hieß Rukmi, der zweite Rukmaratha, der dritte Rukmabahu, der vierte und jüngste Rukmakesa und der fünfte Rukmamali. Ihre junge Schwester hieß Rukmini. Sie war außerordentlich schön und keusch, und sie war auserkoren, von Sri Krsna geheiratet zu werden. Viele Heilige und Weise, wie Narada Muni, pflegten den Palast König Bhismakas zu besuchen, und dabei bot sich natürlich auch Rukmini die Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Auf diese Weise hörte sie zum ersten Mal von Krsna. Sie erfuhr, daß Krsna alle sechs Füllen besaß, und allein dadurch, daß sie von Ihm hörte, erwachte in ihr der Wunsch, sich Seinen Lotosfüßen hinzugeben und Seine Frau zu werden. Auch Krsna hatte von Rukmini gehört. Sie war der Inbegriff aller transzendentalen Eigenschaften wie Klugheit, Großherzigkeit, vortreffliche Schönheit und Rechtschaffenheit. Krsna entschied daher, daß sie geeignet sei, Seine Frau zu werden. Ebenso waren die Angehörigen und Verwandten König Bhismakas der Meinung, daß Rukmini Krsna zur Frau gegeben werden sollte. Aber ihr älterer Bruder Rukmi wollte sie gegen den Wunsch der übrigen Familienmitglieder mit Sisupala, einem erklärten Feind Krsnas, vermählen, und er bereitete alles zur Hochzeit vor. Als die schwarzäugige, liebliche Rukmini von dieser Entscheidung hörte, wurde sie sehr traurig. Weil sie jedoch die Tochter eines Königs war, verstand sie etwas von Diplomatie und erkannte daher, daß es keinen Sinn hatte, sich vom Kummer besiegen zu lassen. Vielmehr mußte augenblicklich etwas unternommen werden. Nach einiger Überlegung beschloß sie, Krsna eine Botschaft zu senden, und um sicher zu sein, nicht verraten zu werden, wählte sie einen zuverlässigen brahmana als Boten aus, denn ein qualifizierter brahmana ist als Geweihter Visnus immer wahrhaftig. Unverzüglich schickte sie also den brahmana nach Dvaraka.

Als der brahmana vor dem Stadttor von Dvaraka ankam, meldete er dem Torwächter seine Ankunft, worauf ihn dieser zu dem Palast führte, in dem Krsna auf einem goldenen Thron saß. Weil der brahmana Rukminis Bote war, hatte er das Glück, die Höchste Persönlichkeit Gottes, Krsna, der die ursprüngliche Ursache aller Ursachen ist, von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Die brahmanas sind die spirituellen Lehrer aller Gesellschaftsschichten, und um zu zeigen, wie man gemäß den vedischen Höflichkeitsregeln einem brahmana Achtung erweist, erhob Sich Sri Krsna sofort und bot dem brahmana Seinen Thron als Sitzplatz an. Als der brahmana dann auf dem goldenen Thron saß, brachte ihm Sri Krsna die gleiche Verehrung dar, wie sie Ihm Selbst von den Halbgöttern erwiesen wird. Auf diese Weise zeigte Sri Krsna, daß es von größerem Wert ist, Seinen Geweihten zu verehren als Ihn Selbst.

Anschließend nahm der brahmana ein Bad, speiste und ruhte sich schließlich auf einem Bett aus, das mit Tüchern aus weicher Seide bedeckt war. Während sich der brahmana ausruhte, näherte Sich ihm Sri Krsna sehr leise, legte Sich mit großer Achtung dessen Füße auf Seinen Schoß und begann sie zu massieren. Währenddessen sagte Er zum brahmana: "Mein lieber brahmana, Ich hoffe, daß du die religiösen Prinzipien ohne Schwierigkeiten befolgen kannst und daß dein Geist stets friedvoll ist." Die verschiedenen Klassen von Menschen in der Gesellschaft gehen unterschiedlichen Pflichten nach, und wenn man sich daher nach dem Wohlergehen eines Menschen erkundigt, müssen sich die Fragen, die man ihm stellt, auf dessen stellungsgemäße Pflicht beziehen. Wenn man sich nach dem Wohlergehen eines brahmana erkundigt, sollten sich die Fragen also auf den Lebensbereich der brahmanas beziehen, damit man ihn nicht belästigt. Innerer Friede bildet die Voraussetzung für Wahrhaftigkeit, Reinheit, Ausgeglichenheit, Selbstbeherrschung und Duldsamkeit, und wenn man Wissen erlangt und lernt, wie man dieses Wissen praktisch anwendet, gewinnt man festes Vertrauen in die Absolute Wahrheit. Der brahmana wußte, daß Krsna die Höchste Persönlichkeit Gottes war, aber dennoch nahm er die ehrerbietigen Dienste des Herrn entgegen, um die in den Veden dargelegten Regeln für die Gesellschaft einzuhalten. Sri Krsna spielte die Rolle eines gewöhnlichen Menschen, und da Er zur ksatriya-Klasse der Gesellschaft gehörte und Sich zudem noch im Alter eines Knaben befand, war es Seine Pflicht, einem solchen brahmana Achtung zu erweisen.

Sri Krsna fuhr fort: "O bester aller brahmanas, du solltest immer zufrieden sein, denn wenn ein brahmana stets in sich selbst zufrieden ist, wird er niemals von seinen vorgeschriebenen Pflichten abweichen. Jeder, insbesondere ein brahmana, kann die höchste Erfüllung aller Wünsche erfahren, wenn er sich einfach an seine vorgeschriebenen Pflichten hält. Selbst wenn jemand so reich ist wie der Himmelskönig Indra, muß er, wenn er nicht zufrieden ist, unweigerlich von Planet zu Planet wandern. Ein solcher Mensch kann niemals und unter keinen Umständen glücklich werden, doch wenn ein Mensch innerlich zufrieden ist, kann er immer und überall glücklich leben, selbst wenn er all seinen Besitz verliert."

Diese Anweisungen Krsnas an den brahmana sind sehr wichtig. Sie besagen, daß ein echter brahmana unter keinen Umständen seine Ruhe verlieren darf. In unserem Zeitalter, dem Kali-yuga, haben die sogenannten brahmanas die verabscheuenswerte Stellung von sudras oder von solchen, die noch niedriger sind als sudras, angenommen und wollen trotzdem als qualifizierte brahmanas angesehen werden. Doch in Wirklichkeit hält sich ein qualifizierter brahmana immer an seine Pflichten und würde niemals den Pflichten eines Menschen nachkommen, der auf der Stufe eines sudra oder sogar noch tiefer steht. In den autoritativen Schriften findet man die Anweisung, daß ein brahmana unter zwingenden Umständen, wenn es nicht anders geht, auch die Tätigkeit eines ksatriya oder sogar eines vaisya verrichten darf, doch niemals darf er die Tätigkeit eines sudra annehmen. Sri Krsna erklärte, daß sich ein brahmana, der unbeirrt den für ihn bestimmten religiösen Prinzipien folgt, niemals durch widrige Lebensumstände stören läßt. Abschließend sagte Sri Krsna: "Ich bringe den brahmanas und Vaisnavas Meine achtungsvollen Ehrerbietungen dar, denn die brahmanas sind stets in sich selbst zufrieden, und die Vaisnavas gehen stets Tätigkeiten nach, die einzig und allein das wirkliche Wohl der Menschheit zum Ziele haben. Sie sind die besten Freunde der Menschheit; sie sind frei von Selbstsucht und innerlich stets friedvoll."

Sri Krsna wollte etwas über die Herrscher (ksatriyas) im Königreich des brahmana erfahren, und so fragte Er, ob die Bürger alle glücklich seien. Die Befähigung eines Königs wird nach dem Befinden des Volkes beurteilt. Wenn die Bürger in jeder Beziehung glücklich sind, weiß man, daß der König aufrichtig ist und seine Pflichten zuverlässig erfüllt. Krsna sagte, daß ein König, in dessen Königreich die Menschen glücklich leben würden, Ihm sehr lieb sei. Natürlich wußte Krsna, daß der brahmana mit einer vertraulichen Botschaft zu Ihm gekommen war, und so sagte Er schließlich: "Wenn du nichts dagegen hast, so kannst du nun mit Meiner Erlaubnis darüber sprechen, was dich hierher zu Mir führt." Sodann erzählte der brahmana, der sehr glücklich war, an den transzendentalen Spielen des Herrn teilnehmen zu können, die ganze Geschichte, die dazu geführt hatte, daß er nun zu Krsna gekommen war. Er holte den Brief hervor, den Rukmini an Krsna geschrieben hatte, und sprach: "Dies sind die Worte der Prinzessin Rukmini: ‘Mein lieber Krsna, o Unfehlbarer und schönster der Schönen, jeder Mensch, der über Deine transzendentale Gestalt und Deine transzendentalen Spiele hört, erfährt durch seine Ohren augenblicklich die Vergegenwärtigung Deines Namens, Deines Ruhmes und Deiner Eigenschaften; so fallen all seine materiellen Leiden von ihm, und er schließt Deine Gestalt in sein Herz. In seiner transzendentalen Liebe zu Dir sieht er Dich ständig in seinem Innern, und dadurch erfüllen sich all seine Wünsche. Auch ich habe von Deinen transzendentalen Eigenschaften gehört. Vielleicht erwecke ich den Eindruck, daß es mir an Schamhaftigkeit fehlt, wenn ich meine Wünsche so offen ausspreche, doch ich muß Dir gestehen, daß Du mich bezaubert und mein Herz gestohlen hast. Du magst nun denken, ich sei ein unverheiratetes junges Mädchen, dessen Charakterfestigkeit zu bezweifeln sei, doch Du, mein lieber Mukunda, bist der höchste Löwe unter den Menschen, die höchste Person aller Personen. Jedes Mädchen, auch wenn es sich noch unter dem Schutz seiner Eltern befindet, und jede Frau, sei sie auch die keuscheste der Keuschen, würde sich in der Bezauberung über Deinen einzigartigen Charakter, Dein Wissen, Deinen Reichtum und Deine Stellung wünschen, Dich zu heiraten. Ich weiß, daß Du, der Gemahl der Glücksgöttin, Deinen Geweihten sehr zugetan bist, und deshalb habe ich mich entschlossen, Deine ewige Dienerin zu werden. Deinen Lotosfüßen weihe ich mein Leben und meine Seele, denn ich habe Dich, o Herr, als meinen Ehemann auserwählt, und so bitte ich Dich, mich als Deine Frau anzunehmen. Du bist der Mächtigste, o Lotosäugiger, und nun gehöre ich Dir. Doch wenn das, was dem Löwen zum Genuß bestimmt ist, vom Schakal gestohlen wird, so führt dies zu Gespött; daher bitte ich Dich, Dich meiner anzunehmen, bevor ich von Sisupala und anderen Fürsten seines Schlages gestohlen werde. Mein lieber Herr, viel- leicht habe ich in meinem vorherigen Leben Werke zum Wohl der Allgemeinheit getan, wie zum Beispiel Brunnen gegraben und Bäume gepflanzt, oder vielleicht habe ich fromme Taten ausgeführt, wie das Darbringen von rituellen Zeremonien und Opfern, oder ich habe dem spirituellen Meister, den brahmanas und den Vaisnavas gedient. Vielleicht habe ich durch diese Taten die Höchste Persönlichkeit Gottes, Narayana, erfreuen können. Wenn dem so ist, dann wünsche ich mir, daß Du, Sri Krsna, Bruder Balaramas, hierherkommst und mich bei der Hand ergreifst, so daß ich nicht von Leuten wie Sisupala berührt werde.' "

Rukminis Heirat mit Sisupala war bereits festgesetzt worden; deshalb schlug Rukmini Sri Krsna vor, sie zu entführen, damit dies verhindert werden konnte. Eine Heirat, bei der die Braut mit Gewalt entführt wird, bezeichnet man als raksasa-Heirat, und dies kommt manchmal bei den ksatriyas vor, d.h. bei der verwaltenden Klasse von Menschen, die ein kriegerisches Temperament haben. Weil Rukminis Heirat bereits für den nächsten Tag vorgesehen war, bat sie Krsna, unerkannt zur Feier zu kommen, um sie zu entführen und mit Sisupala und seinen Verbündeten, wie dem König von Magadha, zu kämpfen. Da sie wußte, daß niemand Krsna besiegen konnte und daß Er mit Sicherheit siegreich aus dem Kampf hervorgehen würde, nannte sie Ihn Ajita, den Unüberwindlichen. Rukmini schrieb Krsna auch, Er brauche Sich nicht um ihre Familienangehörigen und um die anderen anwesenden Frauen zu sorgen, denn diese würden weder verwundet noch getötet werden, selbst wenn der Kampf im Innern des Palastes stattfinden sollte. Gleich einem König, der diplomatische Wege und Mittel ersinnt, um sein Ziel zu erreichen, so wußte auch Rukmini, die Tochter eines Königs, geschickt Mittel und Wege zu finden, um ein unnötiges und unerwünschtes Töten zu vermeiden. Sie erklärte, es sei ein alter Brauch in ihrer Familie, vor einer Hochzeit den Tempel, in der die Göttin Durga, die Bildgestalt ihrer Familie, verehrt werde, zu besuchen. (Die ksatriya-Könige waren damals meistens echte Vaisnavas, die Sri Visnu entweder als Radha-Krsna oder als Laksmi-Narayana verehrten. Zur gleichen Zeit pflegten sie aber auch die Göttin Durga zu verehren, um materiellen Wohlstand zu erlangen. Sie begingen jedoch niemals den Fehler, die Halbgötter für den Höchsten Herrn zu halten oder sie mit dem Visnu-tattva auf eine Stufe zu stellen, wie es weniger intelligente Menschen tun.) Um ein unnötiges Blutvergießen unter ihren Verwandten zu vermeiden, teilte Rukmini Krsna mit, die beste Gelegenheit, sie zu entführen, sei gegeben, wenn sie vom Palast zum Tempel gehe oder wenn sie wieder nach Hause zurückkehre.

Sie verriet Krsna auch, warum sie sich so sehr danach sehne, gerade Ihn zu heiraten, obwohl sie bereits Sisupala versprochen war, der als Sohn eines großen Königs ihrer ebenfalls nicht unwürdig war. Rukmini erklärte, daß ihrer Meinung nach niemand in der Lage sei, Krsna zu übertreffen — nicht einmal Siva, der als Mahadeva, der größte aller Halbgötter, bezeichnet werde. Selbst Siva bemüht sich, Sri Krsna zu erfreuen, damit er davon befreit werde, sich in der materiellen Welt mit der Erscheinungsweise der Unwissenheit abgeben zu müssen. Obwohl Siva der größte aller mahatmas ist, fängt er mit seinem Kopf das reinigende Wasser des Ganges auf, das durch ein Loch, welches von Sri Visnus Zehe stammt, in dieses materielle Universum hineinströmt. Siva ist für die materielle Erscheinungsweise der Unwissenheit zuständig, und um trotzdem auf der transzendentalen Ebene verankert zu bleiben, meditiert er ständig über Sri Visnu. Rukmini wußte daher sehr wohl, daß es durchaus nichts geringes war, die Gunst Sri Krsnas zu gewinnen. Wenn sich zu diesem Zweck selbst Siva läutern mußte, würde dies erst recht für sie schwierig sein, da sie nur die Tochter eines ksatriya-Königs war. Daher beschloß sie, ihr ganzes Leben strengen Entsagungen und Bußen zu widmen, wie dem Fasten und der Entsagung körperlicher Annehmlichkeiten. Wenn es ihr in diesem Leben trotz aller Bemühungen nicht gelingen sollte, Krsnas Gunst zu gewinnen, war sie bereit, Leben für Leben mit dieser Entsagung fortzufahren. In der Bhagavad-gita wird gesagt, daß die reinen Geweihten des Herrn den hingebungsvollen Dienst mit großer Entschlossenheit ausführen, und diese Entschlossenheit, wie sie auch Rukmini zeigte, ist der einzige Preis, um Krsnas Gunst zu erlangen. Man sollte fest entschlossen Krsna-Bewußtsein praktizieren — dies ist der Weg zum endgültigen Erfolg im Krsna-Bewußtsein.

Nachdem der brahmana Rukminidevis Botschaft vorgelesen hatte, sagte er: "Lieber Krsna, Führer der Yadu-Dynastie, ich habe Dir nun Rukminis vertrauliche Botschaft überbracht; alles weitere hängt von Deinem Willen ab. Wenn Du darüber nachgedacht hast, kannst Du tun, was Du für richtig hältst, aber wenn Du etwas unternehmen willst, so mußt Du sehr schnell handeln, denn die Zeit drängt."

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 51. Kapitel des Krsna-Buches: "Krsna, der Ranchor".