Als Mucukunda, der
berühmte Nachkomme der
Iksvaku-Dynastie, Sri Krsnas Segnung empfangen
hatte,
umkreiste er den Herrn in der Höhle und begab sich dann
ins Freie. Als er ans Tageslicht
trat, sah er zu seinem
Erstaunen, daß
die Körper der
Menschen auf
Zwergengröße geschrumpft waren.
Auch die Bäume
waren viel kleiner geworden, und
Mucukunda begriff
sofort, daß er sich im Kali-yuga befand. Ohne sich weiter
aufzuhalten, zog er daher in
Richtung Norden, und auf
diese Weise
erreichte er
schließlich den Berg
Gandhamadana. Auf diesem Berg wuchsen viele Bäume,
wie Sandelholzbäume und andere blütentragende Bäume,
deren Wohlgeruch jeden, der in ihre
Nähe kam, in eine
freudige Stimmung versetzte. Mucukunda
beschloß, in
dieser Berggegend zu bleiben, um sich dort für den Rest
seines Lebens strengen
Entsagungen und Bußen zu
unterziehen. Der Gandhamadana liegt,
soviel man weiß,
im nördlichsten Teil des Himalaya-Gebirges, wo sich auch
das Reich Nara-Narayanas befindet. Dieser
Ort existiert
heute noch und ist unter dem
Namen Badarikasrama bekannt. Dort in Badarikasrama widmete
sich Mucukunda
der Verehrung Sri Krsnas, und so
vergaß er Glück und
Leid wie auch alle anderen
Dualitäten der materiellen
Welt. Sri Krsna Seinerseits begab Sich auf den Rückweg
nach Mathura, und dort kämpfte Er
mit Kalayavanas
Soldaten, die Er alle, einen nach
dem anderen, tötete.
Danach sammelte Er von allen Gefallenen die Kriegsbeute
zusammen, und unter Seiner Aufsicht ließ Er die gesamte
Beute auf Ochsenkarren laden und nach Dvaraka bringen.
Unterdessen griff Jarasandha Mathura aufs
neue an,
diesmal jedoch mit mehr
Soldaten als bei seinen
vorangegangenen Versuchen. Es war ihm nämlich gelungen, dreiundzwanzig aksauhinis aufzustellen.
Sri Krsna wollte Mathura auch vor
dem achtzehnten
Angriff der großen Streitmacht
Jarasandhas retten, doch
weil Er weiteres Blutvergießen verhindern
und überdies
andere wichtige Angelegenheiten erledigen wollte, verließ
Er das Schlachtfeld kampflos. Obwohl
Krsna natürlich
keine Furcht kannte, tat Er so, als sei Er ein gewöhnlicher
Mensch, der sich vor dem ungeheuren
Truppen- und
Waffenaufgebot Jarasandhas
fürchtete. Ohne Waffe
verließ Er das Schlachtfeld, und obgleich Seine Lotosfüße
die Zartheit der Blütenblätter einer
Lotosblume besitzen,
legte Er eine sehr weite Strecke zu Fuß zurück.
Jarasandha war der Überzeugung, daß
Krsna und
Balarama beim Anblick seiner gewaltigen
Streitmacht
diesmal von großer Angst ergriffen worden seien und nur
deshalb das Schlachtfeld so fluchtartig
verlassen hätten.
Sogleich setzte Jarasandha den beiden
Brüdern mit allen
Streitwagen, der gesamten Reiterei und
allem Fußvolk
nach, denn er hielt Krsna und Balarama für gewöhnliche
Menschen und versuchte, Ihr Tun
dementsprechend zu
deuten. Krsna wird auch Ranchor
genannt, was soviel
bedeutet wie "derjenige, der das
Schlachtfeld verlassen
hat".
In Indien, vor allem in Gujarat, gibt es viele Tempel
Krsnas, die als Tempel Ranchorjis
bezeichnet werden.
Normalerweise wird ein König, der
das Schlachtfeld
kampflos verläßt, als Feigling
verschrien, doch wenn
Krsna als eines Seiner
transzendentalen Spiele das
Schlachtfeld kampflos
verläßt, wird Er
von den
Gottgeweihten dafür verehrt. Ein Dämon versucht immer,
Krsnas transzendentale
Macht zu
messen; der
Gottgeweihte hingegen versucht niemals,
Krsnas Macht
und Reichtum zu ermessen, sondern
er ergibt sich dem
Herrn einfach und verehrt Ihn. Dem
Beispiel der reinen
Gottgeweihten folgend, können wir verstehen, daß Krsna,
der Ranchorji, das Schlachtfeld nicht
aus Furcht verließ,
sondern weil Er etwas anderes
vorhatte. Wie sich später
zeigen sollte, war es Seine
Absicht, schnell wieder nach
Dvaraka zurückzukehren, um dort einen
vertraulichen
Brief von Rukmini, Seiner zukünftigen
ersten Frau, in
Empfang zu
nehmen. Mit dem
Verlassen des
Schlachtfeldes entfaltete
Krsna eine Seiner
sechs
transzendentalen Füllen. Krsna ist der
Mächtigste, der
Reichste, der Berühmteste,
der Weiseste und
der
Schönste, und ebenso ist Er der
Entsagungsvollste. Das
Srimad-Bhagavatam erklärt eindeutig,
daß Krsna das
Schlachtfeld verließ, obwohl
Ihm eine umfangreiche
Streitmacht zur Verfügung stand. Auch allein, ohne Seine
Streitheere, wäre Er
imstande gewesen, die gesamte
Armee Jarasandhas zu
schlagen, wie Er es
bereits
siebzehnmal zuvor getan hatte. Mit
dem Verlassen des
Schlachtfeldes gab
Er also ein
Beispiel Seiner
vollkommenen Entsagung.
Nachdem die beiden Brüder eine sehr
weite Strecke
zurückgelegt hatten, gaben Sie vor, müde zu werden. Um
Ihre Müdigkeit zu vertreiben, bestiegen
Sie einen hohen
Berg, dessen Gipfel viele Meilen über dem Meeresspiegel
lag. Dieser Berg hieß Pravarsana,
weil es dort ständig
regnete, denn der Gipfel war immer von Wolken umhüllt,
die von Indra gesandt wurden. In
seiner Überheblichkeit
zweifelte Jarasandha keinen Augenblick
daran, daß Sich
die beiden Brüder vor seiner
Streitmacht fürchteten und
Sich deshalb auf dem Gipfel des Berges versteckt hatten.
Zuerst versuchte er, Sie zu finden, doch nachdem er lange
Zeit erfolglos gesucht hatte, beschloß er, Sie festzuhalten
und zu töten, indem er um den
Gipfel herum ein Feuer
legte. Mit dieser Absicht goß er um die Bergspitze herum
Öl aus und setzte es in Brand. Als das Feuer immer weiter
um sich griff, sprangen Krsna und Balarama vom Gipfel
des Berges hinunter zur ebenen Erde
— ein Sprung aus
142 Kilometer Höhe. Während der
Gipfel in Flammen
aufging, entkamen Krsna
und Balarama, ohne von
Jarasandha gesehen zu werden. Jarasandha
dachte, die
beiden Brüder seien bei lebendigem Leibe verbrannt, und
deshalb hielt er es nicht für nötig, weiterzukämpfen. Weil
er von seinem Erfolg überzeugt war, ließ er von Mathura
ab, um zu seiner Residenz im
Königreich Magadha
zurückzukehren. In der Zwischenzeit
erreichten Krsna
und Balarama die Stadt Dvaraka, die von allen Seiten vom
Meer umgeben wurde.
Nach dieser Begebenheit
heiratete Sri Balarama
Revati, die Tochter König Raivatas,
des Herrschers über
die Provinz Anarta. Dies wird im
Neunten Canto des
Srimad-Bhagavatam geschildert. Nach Baladevas
Heirat
nahm Sich Krsna Rukmini
zur Frau, die Tochter
Bhismakas, des Königs über die Provinz Vidarbha. So wie
Krsna die Höchste Persönlichkeit Gottes,
Vasudeva, ist,
ist Rukmini die höchste Glücksgöttin, Maha-Laksmi. Laut
der maßgeblichen Aussage
des Caitanya-caritamrta
erweitern Sich Krsna und Sri Radharani
gleichzeitig.
Krsna
erweitert
Sich in
die mannigfachen
Visnu-tattva-Formen; und Srimati
Radharani erweitert
Sich durch Ihre innere Energie in zahlreiche sakti-tattva-Formen, d.h. in
die verschiedenen
Formen der
Glücksgöttinnen.
Nach vedischer Tradition gibt es
acht verschiedene
Arten der Heirat. Die beste Art der Heirat ist es, wenn die
Eltern der Braut und des Bräutigams gemeinsam den Tag
bestimmen, an dem die Trauung stattfinden soll. Bei einer
Heirat im königlichen Stil begibt sich der Bräutigam zum
Haus der Braut, und dort wird
ihm in Anwesenheit von
brahmanas, Priestern und Verwandten seine
Braut als
Geschenk übergeben. Daneben gibt es noch andere Arten
der Heirat, wie zum
Beispiel die gandharva- und
raksasa-Heiraten.
Krsna
heiratete Rukmini
im
raksasa-Stil, denn Er entführte sie vor den Augen Seiner
vielen Rivalen, wie Sisupala, Jarasandha
und Salva. Als
Rukmin iSisupala übergeben werden sollte, raubte Krsna
sie aus der Festarena, genau wie
Garuda den Dämonen
den Topf mit Nektar entriß. Rukmini, die einzige Tochter
König Bhismakas, war von einzigartiger
Schönheit. Man
nannte sie auch Ruciranana, "diejenige,
deren Antlitz so
schön ist wie eine aufblühende Lotosblume“.
Krsnas Geweihte sind
stets begierig,
von den
transzendentalen Taten des Herrn zu hören.
Wenn Krsna
mit Dämonen kämpft, Seine Braut
entführt oder vom
Schlachtfeld flieht, so sind dies
alles transzendentale
Taten, die sich auf der absoluten
Ebene befinden, und
deshalb haben die Gottgeweihten ein
transzendentales
Interesse, darüber zu
hören. Der reine Gottgeweihte
unterscheidet bei Krsnas Spielen nicht zwischen solchen,
die es wert sind, gehört zu werden, und anderen, die man
übergehen kann. Es gibt
jedoch eine Gruppe von
Pseudo-Gottgeweihten,
die
allgemein als
prakrta-sahajiyas bekannt sind,
und diese sahajiyas
interessieren sich nur für Krsnas rasa-lila mit
den gopis,
während sie mit den
Beschreibungen von Krsnas
Kämpfen mit Seinen Feinden nichts anfangen können. Sie
wissen nicht, daß Seine Kämpfe und
Seine vertraulichen
Beziehungen zu den gopis gleichermaßen
transzendental
sind, weil sie sich auf der absoluten Ebene befinden. Die
reinen Gottgeweihten kosten die
transzendentalen Spiele
Sri Krsnas, die im
Srimad-Bhagavatam beschrieben
werden, durch ergebenes Hören, und
sie weisen keinen
Tropfen dieses Nektars zurück.
Die folgende Geschichte beschreibt, wie es zu Krsnas
Heirat mit Rukmini kam. Der Herrscher
von Vidarbha,
Maharaja Bhismaka,
war ein
hochbefähigter und
gottergebener König. Er hatte fünf
Söhne und nur eine
Tochter. Sein erster
Sohn hieß Rukmi, der
zweite
Rukmaratha, der dritte Rukmabahu, der vierte und jüngste
Rukmakesa und der
fünfte Rukmamali. Ihre junge
Schwester hieß Rukmini. Sie war
außerordentlich schön
und keusch, und sie war auserkoren,
von Sri Krsna
geheiratet zu werden. Viele Heilige
und Weise, wie
Narada Muni, pflegten den Palast
König Bhismakas zu
besuchen, und dabei bot sich natürlich auch Rukmini die
Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen.
Auf diese Weise
hörte sie zum ersten Mal von Krsna. Sie erfuhr, daß Krsna
alle sechs Füllen besaß, und allein
dadurch, daß sie von
Ihm hörte, erwachte in ihr der
Wunsch, sich Seinen
Lotosfüßen hinzugeben und Seine Frau zu werden. Auch
Krsna hatte von Rukmini gehört. Sie
war der Inbegriff
aller transzendentalen
Eigenschaften wie Klugheit,
Großherzigkeit,
vortreffliche
Schönheit und
Rechtschaffenheit. Krsna
entschied daher,
daß sie
geeignet sei, Seine Frau zu werden.
Ebenso waren die
Angehörigen und Verwandten
König Bhismakas der
Meinung, daß Rukmini Krsna zur Frau
gegeben werden
sollte. Aber ihr älterer Bruder Rukmi wollte sie gegen den
Wunsch der übrigen Familienmitglieder mit
Sisupala,
einem erklärten Feind Krsnas, vermählen, und er bereitete
alles zur Hochzeit vor. Als die
schwarzäugige, liebliche
Rukmini von dieser Entscheidung hörte,
wurde sie sehr
traurig. Weil sie jedoch die
Tochter eines Königs war,
verstand sie etwas von Diplomatie
und erkannte daher,
daß es keinen Sinn hatte, sich vom Kummer besiegen zu
lassen.
Vielmehr
mußte
augenblicklich etwas
unternommen werden. Nach einiger Überlegung beschloß
sie, Krsna eine Botschaft zu
senden, und um sicher zu
sein, nicht verraten zu
werden, wählte sie einen
zuverlässigen brahmana
als Boten aus,
denn ein
qualifizierter brahmana ist als Geweihter
Visnus immer
wahrhaftig. Unverzüglich schickte sie also den brahmana
nach Dvaraka.
Als der brahmana vor dem Stadttor
von Dvaraka
ankam, meldete er dem Torwächter seine Ankunft, worauf
ihn dieser zu dem Palast führte, in dem Krsna auf einem
goldenen Thron saß. Weil der
brahmana Rukminis Bote
war, hatte er das Glück, die
Höchste Persönlichkeit
Gottes, Krsna, der die
ursprüngliche Ursache aller
Ursachen ist, von Angesicht zu
Angesicht zu sehen. Die
brahmanas sind
die
spirituellen
Lehrer aller
Gesellschaftsschichten, und um
zu zeigen, wie man
gemäß den vedischen Höflichkeitsregeln einem brahmana
Achtung erweist, erhob Sich Sri Krsna sofort und bot dem
brahmana Seinen Thron
als Sitzplatz an. Als
der
brahmana dann auf dem goldenen Thron saß, brachte ihm
Sri Krsna die gleiche Verehrung dar,
wie sie Ihm Selbst
von den Halbgöttern erwiesen wird.
Auf diese Weise
zeigte Sri Krsna, daß es von
größerem Wert ist, Seinen
Geweihten zu verehren als Ihn Selbst.
Anschließend nahm der brahmana ein
Bad, speiste
und ruhte sich schließlich auf
einem Bett aus, das mit
Tüchern aus weicher Seide bedeckt war. Während sich der
brahmana ausruhte, näherte Sich ihm Sri Krsna sehr leise,
legte Sich mit großer Achtung
dessen Füße auf Seinen
Schoß und begann sie zu massieren. Währenddessen sagte
Er zum brahmana: "Mein lieber brahmana, Ich hoffe, daß
du die religiösen
Prinzipien ohne Schwierigkeiten
befolgen kannst und daß dein Geist stets friedvoll ist." Die
verschiedenen Klassen von Menschen in der Gesellschaft
gehen unterschiedlichen Pflichten nach,
und wenn man
sich daher nach dem
Wohlergehen eines Menschen
erkundigt, müssen sich die Fragen, die man ihm stellt, auf
dessen stellungsgemäße Pflicht beziehen. Wenn man sich
nach dem Wohlergehen eines brahmana erkundigt, sollten
sich die Fragen also
auf den Lebensbereich der
brahmanas beziehen, damit man ihn
nicht belästigt. Innerer Friede bildet die Voraussetzung für Wahrhaftigkeit,
Reinheit, Ausgeglichenheit,
Selbstbeherrschung und
Duldsamkeit, und wenn man Wissen
erlangt und lernt,
wie man dieses Wissen praktisch anwendet, gewinnt man
festes Vertrauen in die Absolute Wahrheit. Der brahmana
wußte, daß Krsna die Höchste Persönlichkeit Gottes war,
aber dennoch nahm er die ehrerbietigen Dienste des Herrn
entgegen, um die in den Veden dargelegten Regeln für die
Gesellschaft einzuhalten. Sri Krsna spielte die Rolle eines
gewöhnlichen Menschen, und da Er
zur ksatriya-Klasse
der Gesellschaft gehörte und Sich
zudem noch im Alter
eines Knaben befand, war es Seine Pflicht, einem solchen
brahmana Achtung zu erweisen.
Sri Krsna fuhr fort: "O bester
aller brahmanas, du
solltest immer zufrieden sein, denn
wenn ein brahmana
stets in sich selbst zufrieden ist,
wird er niemals von
seinen vorgeschriebenen Pflichten
abweichen. Jeder,
insbesondere ein brahmana, kann die
höchste Erfüllung
aller Wünsche erfahren, wenn er
sich einfach an seine
vorgeschriebenen Pflichten hält. Selbst
wenn jemand so
reich ist wie der Himmelskönig
Indra, muß er, wenn er
nicht zufrieden ist, unweigerlich von
Planet zu Planet
wandern. Ein solcher Mensch kann niemals und unter keinen Umständen glücklich werden, doch wenn ein Mensch
innerlich zufrieden ist,
kann er immer und
überall
glücklich leben, selbst wenn er all seinen Besitz verliert."
Diese Anweisungen Krsnas an den
brahmana sind
sehr wichtig. Sie besagen, daß ein echter brahmana unter
keinen Umständen seine Ruhe verlieren darf. In unserem
Zeitalter, dem
Kali-yuga, haben
die sogenannten
brahmanas die verabscheuenswerte Stellung
von sudras
oder von solchen, die noch
niedriger sind als sudras,
angenommen und wollen
trotzdem als qualifizierte
brahmanas angesehen werden. Doch in Wirklichkeit hält
sich ein qualifizierter brahmana immer an seine Pflichten
und würde niemals den Pflichten
eines Menschen nachkommen, der auf der Stufe eines
sudra oder sogar noch
tiefer steht. In den autoritativen
Schriften findet man die
Anweisung, daß
ein brahmana
unter zwingenden
Umständen, wenn es nicht anders geht, auch die Tätigkeit
eines ksatriya oder sogar eines
vaisya verrichten darf,
doch niemals darf er die Tätigkeit eines sudra annehmen.
Sri Krsna erklärte, daß sich ein
brahmana, der unbeirrt
den für ihn bestimmten
religiösen Prinzipien folgt,
niemals durch widrige
Lebensumstände stören läßt.
Abschließend sagte Sri Krsna: "Ich bringe den brahmanas
und Vaisnavas Meine achtungsvollen Ehrerbietungen dar,
denn die brahmanas sind stets in
sich selbst zufrieden,
und die Vaisnavas gehen stets Tätigkeiten nach, die einzig
und allein das wirkliche Wohl der Menschheit zum Ziele
haben. Sie sind die besten Freunde
der Menschheit; sie
sind frei von Selbstsucht und innerlich stets friedvoll."
Sri Krsna wollte etwas über die Herrscher
(ksatriyas)
im Königreich des brahmana erfahren, und
so fragte Er,
ob die Bürger alle glücklich seien. Die Befähigung eines
Königs wird nach dem Befinden des
Volkes beurteilt.
Wenn die Bürger in jeder Beziehung glücklich sind, weiß
man, daß der König aufrichtig ist
und seine Pflichten
zuverlässig erfüllt. Krsna sagte, daß ein König, in dessen
Königreich die Menschen glücklich leben
würden, Ihm
sehr lieb sei. Natürlich wußte
Krsna, daß der brahmana
mit einer vertraulichen Botschaft zu Ihm gekommen war,
und so sagte Er schließlich: "Wenn
du nichts dagegen
hast, so kannst du nun mit
Meiner Erlaubnis darüber
sprechen, was dich hierher zu Mir führt." Sodann erzählte
der brahmana, der sehr glücklich
war, an den transzendentalen Spielen des Herrn teilnehmen
zu können, die
ganze Geschichte, die dazu geführt
hatte, daß er nun zu
Krsna gekommen war. Er holte den
Brief hervor, den
Rukmini an Krsna geschrieben hatte, und
sprach: "Dies
sind die Worte der Prinzessin
Rukmini: ‘Mein lieber
Krsna, o Unfehlbarer und schönster
der Schönen, jeder
Mensch, der über Deine transzendentale
Gestalt und
Deine transzendentalen Spiele hört,
erfährt durch seine
Ohren augenblicklich die
Vergegenwärtigung Deines
Namens, Deines Ruhmes und Deiner
Eigenschaften; so
fallen all seine materiellen Leiden
von ihm, und er
schließt Deine
Gestalt in sein
Herz. In seiner
transzendentalen Liebe zu Dir sieht
er Dich ständig in
seinem Innern, und
dadurch erfüllen sich
all seine
Wünsche. Auch ich habe von Deinen
transzendentalen
Eigenschaften gehört.
Vielleicht erwecke
ich den
Eindruck, daß es mir an Schamhaftigkeit fehlt,
wenn ich
meine Wünsche so offen ausspreche,
doch ich muß Dir
gestehen, daß Du mich bezaubert und mein Herz gestohlen hast. Du magst nun denken, ich sei ein unverheiratetes
junges Mädchen, dessen Charakterfestigkeit zu bezweifeln
sei, doch Du, mein lieber Mukunda, bist der höchste Löwe
unter den Menschen, die höchste
Person aller Personen.
Jedes Mädchen, auch wenn es sich noch unter dem Schutz
seiner Eltern befindet, und jede
Frau, sei sie auch die
keuscheste der Keuschen, würde sich in der Bezauberung
über Deinen einzigartigen
Charakter, Dein Wissen,
Deinen Reichtum und Deine Stellung wünschen, Dich zu
heiraten. Ich weiß, daß Du, der Gemahl der Glücksgöttin,
Deinen Geweihten sehr zugetan bist, und deshalb habe ich
mich entschlossen, Deine ewige Dienerin
zu werden.
Deinen Lotosfüßen weihe ich mein
Leben und meine
Seele, denn ich habe Dich, o
Herr, als meinen Ehemann
auserwählt, und so bitte ich Dich,
mich als Deine Frau
anzunehmen. Du bist der Mächtigste, o Lotosäugiger, und
nun gehöre ich Dir. Doch wenn das, was dem Löwen zum
Genuß bestimmt ist, vom Schakal gestohlen wird, so führt
dies zu Gespött; daher bitte ich
Dich, Dich meiner
anzunehmen, bevor ich von Sisupala und anderen Fürsten
seines Schlages gestohlen werde. Mein
lieber Herr, viel-
leicht habe ich in meinem vorherigen Leben
Werke zum
Wohl der Allgemeinheit getan, wie zum Beispiel Brunnen
gegraben und Bäume gepflanzt, oder
vielleicht habe ich
fromme Taten ausgeführt,
wie das Darbringen von
rituellen Zeremonien und Opfern, oder
ich habe dem
spirituellen Meister, den brahmanas und
den Vaisnavas
gedient. Vielleicht habe ich durch diese Taten die Höchste
Persönlichkeit Gottes, Narayana, erfreuen
können. Wenn
dem so ist, dann wünsche ich
mir, daß Du, Sri Krsna,
Bruder Balaramas, hierherkommst und mich bei der Hand
ergreifst, so daß ich nicht von Leuten wie Sisupala berührt
werde.' "
Rukminis Heirat mit Sisupala war
bereits festgesetzt
worden; deshalb schlug Rukmini Sri Krsna
vor, sie zu
entführen, damit dies verhindert werden
konnte. Eine
Heirat, bei der die Braut mit
Gewalt entführt wird,
bezeichnet man als
raksasa-Heirat, und dies kommt
manchmal bei den ksatriyas vor, d.h. bei der verwaltenden
Klasse von Menschen, die ein kriegerisches Temperament
haben. Weil Rukminis Heirat bereits für den nächsten Tag
vorgesehen war, bat sie Krsna,
unerkannt zur Feier zu
kommen, um sie zu entführen und mit Sisupala und seinen
Verbündeten, wie dem König von Magadha, zu kämpfen.
Da sie wußte, daß niemand Krsna
besiegen konnte und
daß Er mit Sicherheit
siegreich aus dem Kampf
hervorgehen würde,
nannte sie Ihn
Ajita, den
Unüberwindlichen. Rukmini schrieb
Krsna auch, Er
brauche Sich nicht um ihre Familienangehörigen und um
die anderen anwesenden Frauen zu
sorgen, denn diese
würden weder verwundet noch getötet
werden, selbst
wenn der Kampf im Innern des Palastes stattfinden sollte.
Gleich einem König, der diplomatische Wege und Mittel
ersinnt, um sein Ziel
zu erreichen, so wußte
auch
Rukmini, die Tochter eines Königs, geschickt Mittel und
Wege zu finden, um ein unnötiges
und unerwünschtes
Töten zu vermeiden. Sie erklärte, es sei ein alter Brauch in
ihrer Familie, vor einer Hochzeit den
Tempel, in der die
Göttin Durga, die Bildgestalt ihrer Familie, verehrt werde,
zu besuchen. (Die ksatriya-Könige waren damals meistens
echte Vaisnavas, die Sri Visnu entweder als Radha-Krsna
oder als Laksmi-Narayana verehrten. Zur
gleichen Zeit
pflegten sie aber auch die Göttin Durga zu verehren, um
materiellen Wohlstand zu erlangen. Sie
begingen jedoch
niemals den Fehler, die Halbgötter
für den Höchsten
Herrn zu halten oder sie mit
dem Visnu-tattva auf eine
Stufe zu stellen, wie es weniger
intelligente Menschen
tun.) Um ein unnötiges
Blutvergießen unter ihren
Verwandten zu vermeiden, teilte Rukmini Krsna mit, die
beste Gelegenheit, sie zu entführen, sei gegeben, wenn sie
vom Palast zum Tempel gehe oder wenn sie wieder nach
Hause zurückkehre.
Sie verriet Krsna auch, warum sie sich so sehr danach
sehne, gerade Ihn zu heiraten, obwohl sie bereits Sisupala
versprochen war, der als Sohn eines großen Königs ihrer
ebenfalls nicht unwürdig war. Rukmini erklärte, daß ihrer
Meinung nach niemand in
der Lage sei, Krsna zu
übertreffen — nicht einmal Siva,
der als Mahadeva, der
größte aller Halbgötter, bezeichnet werde. Selbst Siva bemüht sich, Sri Krsna zu erfreuen,
damit er davon befreit
werde, sich in
der materiellen
Welt mit der
Erscheinungsweise der Unwissenheit abgeben zu müssen.
Obwohl Siva der größte aller
mahatmas ist, fängt er mit
seinem Kopf das reinigende Wasser des Ganges
auf, das
durch ein Loch, welches von Sri Visnus Zehe stammt, in
dieses materielle Universum hineinströmt. Siva ist für die
materielle Erscheinungsweise der Unwissenheit zuständig,
und um trotzdem auf
der transzendentalen Ebene
verankert zu bleiben, meditiert er ständig über Sri Visnu.
Rukmini wußte daher sehr wohl, daß
es durchaus nichts
geringes war, die Gunst Sri Krsnas
zu gewinnen. Wenn
sich zu diesem Zweck selbst Siva
läutern mußte, würde
dies erst recht für sie schwierig
sein, da sie nur die
Tochter eines ksatriya-Königs war. Daher
beschloß sie,
ihr ganzes Leben strengen Entsagungen
und Bußen zu
widmen, wie dem Fasten und der Entsagung körperlicher
Annehmlichkeiten. Wenn es ihr in
diesem Leben trotz
aller Bemühungen nicht gelingen sollte, Krsnas Gunst zu
gewinnen, war sie bereit, Leben für
Leben mit dieser
Entsagung fortzufahren. In
der Bhagavad-gita wird
gesagt, daß die reinen
Geweihten des Herrn den
hingebungsvollen Dienst mit
großer Entschlossenheit
ausführen, und diese
Entschlossenheit, wie sie auch
Rukmini zeigte, ist der einzige Preis, um Krsnas Gunst zu
erlangen. Man sollte fest entschlossen
Krsna-Bewußtsein
praktizieren — dies ist der Weg
zum endgültigen Erfolg
im Krsna-Bewußtsein.
Nachdem der brahmana
Rukminidevis Botschaft
vorgelesen hatte, sagte er: "Lieber
Krsna, Führer der
Yadu-Dynastie, ich habe Dir nun
Rukminis vertrauliche
Botschaft überbracht; alles weitere hängt
von Deinem
Willen ab. Wenn Du darüber nachgedacht hast, kannst Du
tun, was Du für richtig hältst,
aber wenn Du etwas
unternehmen willst, so mußt Du sehr
schnell handeln,
denn die Zeit drängt."
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 51. Kapitel des Krsna-Buches:
"Krsna, der Ranchor".