44. Kapitel: Krsna bringt den Sohn
Seines Lehrers zurück
Als Sri Krsna sah, wie Vasudeva und Devaki in ihrer
ehrfürchtigen Haltung dastanden, ließ Er
sogleich den
Einfluß Seiner yoga-maya wirksam werden,
damit Seine
Eltern Ihn und Balarama wie ihre
Kinder behandeln
konnten. Ähnlich wie bei den
verschiedenen Lebewesen
in der
materiellen Welt
durch den Einfluß
der
illusionierenden Energie die Beziehung von Vater, Mutter
und Kindern ermöglicht wird, so
kann der Gottgeweihte
durch den Einfluß yoga-mayas in
eine Beziehung zur
Höchsten Persönlichkeit Gottes treten, in der der Herr sein
Kind wird. Auf diese Weise waren Krsna und Sein älterer
Bruder Balarama als die
berühmtesten Söhne der
Satvata-Dynastie erschienen, und nachdem
Krsna Seine
yoga-maya entfaltet hatte,
sprach Er Vasudeva und
Devaki sehr ergeben und respektvoll an:
"Lieber Vater
und liebe Mutter, obgleich ihr euch
stets bemüht habt,
Unser Leben zu behüten, wurde euch
die Freude nicht
zuteil, Uns als kleine
Kinder, als Knaben und
als
heranwachsende Jünglinge zu sehen." Krsna
pries damit
indirekt Nanda Maharaja
und Mutter Yasoda; ihre
Beziehung als Vater und Mutter war
die vortrefflichste,
denn sie hatten die
Kindheitsspiele von Krsna und
Balarama miterleben können, ungeachtet
der Tatsache,
daß Krsna und Balarama eigentlich gar nicht ihre Kinder
waren. Die Natur hat es so eingerichtet, daß die Kindheit
eines geborenen Lebewesens den Eltern
immer große
Freude bereitet. Selbst im Tierreich
bringen die Eltern
ihren Jungen sehr viel Zuneigung
entgegen. Weil die
Eltern von der zarten Erscheinung ihrer Kinder fasziniert
sind, liegt ihnen ihr Wohlergehen
sehr am Herzen. Was
Vasudeva und Devaki betraf, so waren auch sie stets um
Krsnas und Balaramas Wohl besorgt.
Aus diesem Grund
war Krsna gleich nach Seinem
Erscheinen in Sicherheit
gebracht worden. Ähnlich
war auch Balarama von
Devakis Leib in den Leib Rohinis versetzt worden.
Vasudeva und Devaki hatten
sich ständig große
Sorgen um Krsnas und Balaramas Schutz
gemacht, doch
trotzdem hatten sie die Freude Ihrer Kindheitsspiele nicht
kennenlernen dürfen. Deshalb sagte Krsna
zu ihnen:
"Durch die Fügung des Schicksals
konnten Wir leider
nicht von Unseren eigenen Eltern aufgezogen werden und
Unsere Kindheit zu Hause genießen.
Lieber Vater und
liebe Mutter, man steht immer in der Schuld seiner Eltern,
von denen man den Körper bekommen hat, der einem alle
Vorteile des materiellen Daseins zugänglich machen kann.
Die Veden lehren, daß
man in der menschlichen
Lebensform
die
Gelegenheit
bekommt, die
verschiedensten Arten von Religiosität zu
praktizieren,
sich alle möglichen
Wünsche zu erfüllen und
alle
möglichen Reichtümer zu erlangen. Und
darüber hinaus
ist die menschliche Lebensform die einzige, die einem die
Möglichkeit bietet,
Befreiung von der
materiellen
Existenz zu erlangen.
Der Körper wird durch
die
gemeinsamen Bemühungen des Vaters und
der Mutter
erzeugt. Jeder Mensch sollte seinen
Eltern dankbar sein
und einsehen, daß er immer in ihrer
Schuld stehen wird.
Wenn der erwachsene Sohn nicht
versucht, die Eltern
durch seine Handlungen und durch großzügige Geschenke
zu erfreuen, wird er ganz sicher
nach seinem Tod vom
Herrn des Todes bestraft und muß
sein eigenes Fleisch
essen. Wenn jemand
seinen betagten Eltern, seiner
keuschen Ehefrau, den Kindern, dem spirituellen Meister,
den brahmanas oder
anderen, denen Unterstützung
gebührt, diese Hilfe versagt und
ihnen keinen Schutz
gewährt, obwohl er dazu in der
Lage wäre, ist er so gut
wie tot, obgleich er noch atmet.
Mein lieber Vater und
Meine liebe Mutter, ihr habt euch
immer um Unser
Wohlergehen gesorgt, doch unglücklicherweise
konnten
Wir euch nicht den geringsten Gegendienst erweisen. Bis
heute haben
Wir daher
lediglich Unsere Zeit
verschwendet. Aus Gründen, die sich
Unserer Kontrolle
entziehen, konnten Wir euch nicht dienen. Liebe
Mutter,
lieber Vater,
bitte vergebt Uns
dieses sündhafte
Verhalten."
Als die Höchste
Persönlichkeit Gottes wie ein
unschuldiges Kind mit süßen Worten
zu Vasudeva und
Devaki sprach, wurden diese von
elterlicher Zuneigung
überwältigt und umarmten
Ihn voller Freude. Vor
Rührung brachten sie kein Wort
heraus und konnten
Krsna nichts zur Antwort sagen; so
umarmten sie Krsna
und Balarama einfach voller Zuneigung
und verharrten
schweigend, wobei ihnen unablässig Tränen
aus den
Augen strömten.
Nachdem Krsna Seine Eltern getröstet
hatte, ging Er,
die Höchste Persönlichkeit Gottes, die
als der geliebte
Sohn Devakis erschienen war,
zu Seinem Großvater
Ugrasena und verkündete, daß Ugrasena
von nun an
König über das Reich der Yadus sein werde. Kamsa hatte
seinen Vater einkerkern lassen und
auf diese Weise
gewaltsam die Herrschaft über das Königreich der Yadus
an sich gerissen. Nach Kamsas Tod nun wurde sein Vater
Ugrasena befreit und zum König über die Yadus ernannt.
Damals gab es
im Westen Indiens
viele kleine
Königreiche, die
von den Dynastien
der Yadus,
Andhakas, Vrsnis
und Bhojas
beherrscht wurden.
Maharaja Ugrasena gehörte der
Bhoja-Dynastie an, und
als Krsna ihn auf den Thron
setzte, bestimmte Er damit
indirekt, daß der König der Bhoja-Dynastie der Herrscher
über die anderen Königreiche sein
würde. Krsna bat
Maharaja Ugrasena großmütig, über Ihn
Selbst wie auch
über Balarama zu herrschen, denn Sie beide waren seine
Untertanen. In diesem Zusammenhang wird
das Wort
praja verwendet, das sowohl
"Nachkommenschaft" als
auch "Bürger" bedeutet. Krsna zählte
aus zwei Gründen
zu den prajas: Er war zum
einen ein Enkel Maharaja
Ugrasenas und zum
anderen ein Angehöriger der
Yadu-Dynastie. Deshalb erkannte
Er bereitwillig die
Oberherrschaft Maharaja Ugrasenas an, und Er teilte ihm
mit: "Weil die Könige der
Yadu-Dynastie von Yayati
verflucht worden sind, werden sie
sich niemals gegen
deine Herrschaft erheben. Uns Selbst
wird es eine große
Freude sein, dir als deine Untergebenen zu dienen. Unsere
enge Zusammenarbeit wird deine Position noch erhabener
machen und stärken, so daß die
Könige der anderen
Dynastien nicht zögern
werden, dir ihre jeweiligen
Tribute zu zahlen. Unter Unserem
Schutz wirst du sogar
von den Halbgöttern auf den
himmlischen Planeten verehrt werden. Lieber Großvater, Mein
grausamer Onkel
Kamsa, der nun nicht mehr unter
uns weilt, hat alle
Könige der Yadu-, Vrsni-, Andhaka-,
Madhu-, Dasarha-
und Kukura-Dynastie in Angst und
Schrecken versetzt.
Doch nun kannst du
sie alle beruhigen und
ihnen
versichern, daß sie nichts mehr zu befürchten haben. Auf
diese Weise wird in deinem ganzen
Königreich Frieden
herrschen."
Alle Könige der angrenzenden Reiche
hatten ihre
Paläste aus Furcht vor Kamsa
verlassen und sich in die
abgelegenen Teile des Landes
zurückgezogen. Nachdem
Kamsa den Tod gefunden hatte und Ugrasena wieder als
König eingesetzt
worden war,
erhielten sie viele
großzügige Geschenke und Unterstützungen,
worauf sie
alle wieder in ihre
Paläste zurückkehrten. Als die
politischen Verhältnisse auf diese Weise zufriedenstellend
geregelt waren, bereitete
es allen große Freude,
in
Mathura zu leben, wo sie von
Krsnas und Balaramas
starken Armen beschützt
wurden. Unter der guten
Regierung in Anwesenheit von Krsna
und Balarama
waren die Einwohner von Mathura vollkommen glücklich
und zufrieden, denn es war für
all ihre materiellen
Wünsche und Bedürfnisse gesorgt, und weil sie Krsna und
Balarama täglich von Angesicht zu
Angesicht sahen,
vergaßen sie schon bald alle
materiellen Leiden. Immer
wenn sie sahen, wie
Krsna und Balarama in
Ihren
bezaubernden Kleidern auf die Straße
traten und Sich
lächelnd nach allen Seiten umschauten,
wurden sie von
liebender Ekstase ergriffen,
einfach weil Mukunda
persönlich vor ihnen stand. Der Name Mukunda bedeutet
"jemand,
der
Befreiung
und transzendentale
Glückseligkeit gewährt". Krsnas Anwesenheit wirkte wie
ein belebender Trank,
so daß nicht nur
die jungen
Generationen, sondern auch
die älteren Leute von
Mathura, die Krsna regelmäßig sahen,
mit jugendlicher
Energie und Kraft erfüllt wurden.
Nanda Maharaja und Yasoda blieben
in Mathura, da
Sich Krsna und Balarama dort
aufhielten, doch nach
einiger Zeit
wollten sie
wieder nach Vrndavana
zurückkehren. Bevor sie aufbrachen,
gingen Krsna und
Balarama noch einmal zu ihnen, und nachdem Sie Nanda
und Yasoda voller Zuneigung umarmt
hatten, sprach
Krsna: "Lieber Vater und liebe
Mutter, obgleich Ich als
Sohn von Vasudeva und Devaki geboren wurde, seid ihr
Unsere wirklichen Eltern, denn ihr
habt Uns von Geburt
an mit sehr viel Zuneigung und
Liebe aufgezogen. Eure
Liebe zu Uns war so stark,
daß sie die Liebe, die man
seinen eigenen Kindern
entgegenbringen kann, bei
weitem übertrifft. Ihr seid wirklich Unsere Eltern, weil ihr
Uns zu einer Zeit, als Wir
praktisch Waisen waren, wie
eure eigenen
Kinder aufgezogen
habt. Aufgrund
bestimmter Umstände wurden Wir von
Unseren Eltern
weggegeben, und ihr habt Uns behütet. Mein lieber Vater
und Meine liebe Mutter, Ich weiß, daß euch die Trennung
schmerzen wird, wenn ihr Uns hier
verlaßt und nach
Vrndavana zurückkehrt; doch ihr könnt euch sicher sein,
daß Ich nach Vrndavana zurückkommen werde, wenn Ich
Meine leiblichen Eltern, Vasudeva und
Devaki, sowie
Meinen Großvater und Meine anderen
Verwandten hier
zufriedengestellt habe." Krsna und
Balarama trösteten
Nanda Maharaja und Yasoda mit süßen
Worten und mit
Geschenken, wie
den verschiedensten
Kleidern,
Schmuckstücken und
kunstvoll gearbeiteten
Gebrauchsgegenständen. So gut es ging,
trösteten Sie Ihre
Eltern und all Ihre Freunde und
Nachbarn, die von
Vrndavana nach Mathura gekommen waren.
Aus seiner
starken väterlichen Liebe zu Krsna
und Balarama füllten
sich Nanda Maharajas Augen mit Tränen, und er umarmte
Sie ein letztes Mal, bevor er zusammen
mit den anderen
Kuhhirten nach Vrndavana aufbrach.
Bald darauf unterzog
Vasudeva seine Söhne der
Einweihung mit der heiligen Schnur.
Die heilige Schnur
ist das Zeichen der "zweiten Geburt", die für die höheren
Klassen der menschlichen
Gesellschaft von größter
Bedeutung ist. Vasudeva ließ zu
diesem Zweck seinen
Familienpriester und viele gelehrte
brahmanas kommen,
die die Einweihungszeremonie,
in der Krsna und
Balarama die heilige Schnur bekamen,
vorschriftsmäßig
durchführten. Während
dieser Zeremonie spendete
Vasudeva den
brahmanas vielerlei
Schmuck und
beschenkte sie auch mit Kühen, die
seidene Decken und
goldenes Geschmeide
trugen. Vasudeva
hatte den
brahmanas eigentlich schon bei Krsnas
und Balaramas
Geburt Kühe spenden wollen, doch weil er sich damals in
Kamsas Gefängnis befand, hatte er dies nur in Gedanken
tun können. Jetzt aber, wo Kamsa
tot war, war er in der
Lage, den brahmanas
tatsächlich Kühe zu spenden.
Anschließend wurden Balarama und Krsna
eingeweiht,
indem Ihnen die heilige Schnur übergeben wurde und Sie
den vorgechanteten Gayatri-mantra wiederholten.
Der
Gayatri-mantra wird dem Schüler nach der Zeremonie der
heiligen Schnur anvertraut, und Balarama
und Krsna
befolgten aufs genauste alle Vorschriften für das Chanten
des mantra. Jeder, der
diesen mantra chantet, muß
bestimmte Prinzipien und Gelübde einhalten, und obwohl
Krsna und Balarama
transzendentale Persönlichkeiten
sind, befolgten Sie ebenfalls strikt
diese Vorschriften.
Beide wurden von Ihrem Familienpriester
Gargacarya
eingeweiht, dem acarya der Yadu-Dynastie, der bekannter
ist unter dem Namen Gargamuni. Nach
den Regeln der
vedischen Kultur muß jede achtbare Familie einen acarya,
einen spirituellen Meister, haben. Man
kann nicht als
wirklich gebildet gelten, ohne von
einem acarya eingeweiht und geschult worden zu sein.
Aus diesem Grund
wird auch gesagt, daß erst jemand,
der einen acarya
angenommen hat, vollkommenes Wissen
besitzen kann.
Sri Krsna und Balarama sind die
Höchste Persönlichkeit
Gottes, die Meister aller Bildung
und allen Wissens. Sie
hatten es daher nicht nötig, einen acarya oder spirituellen
Meister anzunehmen, doch um den
gewöhnlichen Menschen ein Beispiel zu geben, nahmen
auch Sie einen
spirituellen Meister an,
um im spirituellen Wissen
Fortschritte zu machen.
Es ist Brauch, daß ein Schüler, der in das Chanten des
Gayatri-mantra eingeweiht worden ist, für
eine gewisse
Zeit getrennt von zu Hause in der Obhut des acarya lebt,
um von ihm im spirituellen Leben
geschult zu werden.
Während dieser Zeit muß man sich unter der Führung des
spirituellen Meisters wie ein demütiger Diener verhalten.
Es gibt viele Regeln
und Vorschriften für einen
brahmacari, der unter der Aufsicht eines acarya lebt, und
sowohl Sri Krsna als auch Sri Balarama
folgten strikt
diesen Prinzipien, als
Sie unter der Aufsicht
Ihres
spirituellen Meisters, Sandipani Muni, in
dessen asrama
im nördlichen Teil Indiens lebten. Nach den Anweisungen
der Schriften muß dem spirituellen
Meister die gleiche
Achtung und Ehre entgegengebracht werden
wie der
Höchsten Persönlichkeit Gottes. Krsna
und Balarama
folgten diesen Prinzipien
mit großer Hingabe und
unterzogen Sich allen Regulierungen des
brahmacarya.
Dadurch erfreuten Sie Ihren spirituellen
Meister, der sie
im vedischen Wissen unterwies. Sandipani
Muni lehrte
Sie deshalb alle Einzelheiten der vedischen Weisheit und
der ergänzenden Schriften wie der Upanisaden. Da Krsna
und Balarama ksatriyas waren, wurde bei Ihrer Schulung
besonderes Schwergewicht auf Kriegskunst,
Politik und
Ethik gelegt. In der Politik gibt
es insgesamt sechs
Wissensgebiete, wie zum Beispiel die
Kunst, Frieden zu
schließen, die
Kunst zu kämpfen,
die Kunst zu
beschwichtigen, die Kunst, aufzuteilen
und zu beherrschen, und die Kunst zu beschützen.
All diese Themen
wurden Krsna und
Balarama vollständig erklärt und
beigebracht.
Der Ozean ist der Ursprung des
Wassers in den
Flüssen. Wenn das Wasser des Ozeans verdunstet, entsteht
eine Wolke, die dieses Wasser in
Form von Regen über
die Erdoberfläche verteilt; dort sammelt es sich in Flüssen
und kehrt wieder zum Ozean zurück. Ebenso
sind Krsna
und Balarama, die Höchste Persönlichkeit
Gottes, der
Ursprung allen Wissens, doch weil Sie die Rolle gewöhnlicher Menschenkinder spielten, wollten
Sie das ideale
Beispiel geben, damit jeder lernt,
wie man aus der
richtigen Quelle Wissen empfängt. Aus
diesem Grund
erklärten Sie Sich bereit, von
einem spirituellen Meister
Wissen anzunehmen.
Krsna und Balarama brauchten die
Unterweisungen
Ihres Lehrers nur ein einziges Mal
zu hören, und schon
waren Sie Meister in den
entsprechenden Künsten und
Wissenschaften.
In
vierundsechzig
Tagen und
vierundsechzig Nächten
erlernten Sie das
gesamte
Wissen, das für die menschliche
Gesellschaft notwendig
ist. Tagsüber ließen Sie Sich von
Sandipani Muni in
einem bestimmten Wissensgebiet unterrichten,
und am
Abend schon
hatten Sie auf
diesem Gebiet die
Vollkommenheit erreicht.
Als erstes lernten Sie,
wie man singt, Lieder
komponiert und die verschiedenen Tonarten
erkennt; Sie
lernten, welche Metren und Taktmaße günstig und welche
ungünstig sind; Sie lernten, die verschiedensten Rhythmen
und Melodien zu singen und diese
mit verschiedenen
Trommeln zu begleiten, und Sie lernten, nach bestimmten
Rhythmen, Melodien und Liedern zu tanzen. Als nächstes
wurden Sie darin unterrichtet, Theaterstücke zu schreiben;
sodann wurden Sie in den
verschiedensten Arten des
Malens unterrichtet, angefangen mit
einfacher ländlicher
Kunst bis hin zur Stufe höchster
Perfektion. Sandipani
Muni zeigte Ihnen, wie man tilaka auf die Stirn malt und
Stirn und Wangen mit
verschiedenartigen Punkten
verziert. Danach lernten Sie die Kunst, wie man mit einem
flüssigen Brei aus Reis und Mehl
Bilder auf den Boden
malt. Solche
Gemälde sind an
glückverheißenden
Zeremonien innerhalb der Familie oder
auch im Tempel
sehr beliebt. Sie lernten auch, aus
Blumen ein Ruhebett
herzustellen, Tücher und Blätter mit
farbenprächtigen
Bemalungen zu verzieren und Edelsteine
einzufassen.
Außerdem lernten Sie die Kunst, auf
Wassertöpfen zu
musizieren. Dazu werden Wassertöpfe mit
bestimmten
Wassermengen gefüllt, so
daß sie beim Anschlagen
verschiedene Töne erzeugen, die zusammen harmonische
Melodien ergeben. Sie lernten auch,
wie man sich in
Flüssen und Seen mit
Wasser bespritzt, wenn man
gemeinsam mit seinen Freunden ein
Bad nimmt. Dann
erlernten Sie auch die Kunst des Dekorierens mit Blumen,
die phula-badi genannt wird und die man auch heute noch
während des Sommers in vielen Tempeln von Vrndavana
sehen kann. Dabei werden der Altar
und der Thron der
Bildgestalten sowie auch die Wände
und die Decke des
Tempels mit Blumen geschmückt, und in der Tempelmitte
errichtet man einen kleinen, duftenden
Blumenbrunnen.
Diese Blumenpracht bietet den Menschen,
die unter der
sengenden Hitze des Sommers leiden, eine willkommene
Erfrischung.
Krsna und Balarama lernten die
Kunst, wie man das
Haar zu verschiedenen Frisuren formt
und wie man sich
einen Helm in verschiedenen Stellungen
aufsetzt. Sie
lernten, wie man eine Theaterbühne
aufbaut, wie man
Schauspieler ankleidet und über den
Ohren mit Blumen
schmückt und wie man Sandelholzpaste
und Wasser
versprengt, so daß sie einen angenehmen Duft verbreiten.
Dann wurde Ihnen
gezeigt, wie man
magische
Kunststücke ausführt. In der Magie gibt es eine Kunst, die
bahu-rupi genannt wird, mit deren Hilfe man sich so verkleiden kann, daß einen nicht
einmal der beste Freund
erkennt. Krsna und Balarama lernten
auch, verschiedene
Getränke zuzubereiten,
wie sie zu
verschiedenen
Zeitpunkten und Anlässen
benötigt werden, und Sie
untersuchten
Zuckersäfte und
ihre verschiedenen
Geschmäcke und berauschenden Wirkungen. Außerdem
lernten Sie verschiedene Näh- und
Sticktechniken sowie
die Kunst, Marionetten an dünnen Fäden tanzen zu lassen.
Auch lernten Sie, auf Instrumente
wie die vina, sitar,
esaraj und tamboura Saiten zu
spannen, um mit ihnen
melodische Klänge zu erzeugen. Darauf
lernten Sie, wie
man Rätsel erfindet und sie löst.
Dann wurde Ihnen die
Kunst des Lesens anhand von Büchern
beigebracht, mit
denen selbst der unbegabteste Schüler
sehr schnell lesen
und schreiben lernen kann. Sie
lernten, Theaterstücke
einzustudieren und sie aufzuführen, und
Sie lernten die
Kunst, Kreuzworträtsel zu lösen, bei
denen fehlende
Buchstaben eingesetzt werden, um vollständige Wörter zu
bilden.
Krsna und Balarama lernten dann, in
Bilderschrift zu
schreiben und zu lesen. In einigen
Ländern der Welt ist
die Bilderschrift auch heute noch im Gebrauch. Mit dieser
Schrift kann man eine Geschichte in Bildern darstellen; so
können zum Beispiel ein Mann und
ein Haus auf eine
solche Weise gezeichnet werden, daß
sie einen Mann
darstellen, der nach Hause zurückkehrt.
Krsna und Balarama studierten auch Architektur, die Kunst, Wohnhäuser
zu bauen. Sie wurden auch darin
geschult, wertvolle
Edelsteine anhand ihrer Ausstrahlung und ihrer Farben zu
erkennen, und Sie erlernten die Kunst, Edelsteine in Gold
und Silber einzufassen. Dazu lernten
Sie auch, wie man
den Boden
nach
Mineralien
absucht. Dieses
Bodenstudium ist heute
zu einer sehr spezialisierten
Wissenschaft gemacht worden, doch früher
gehörte es
zum Allgemeinwissen selbst der einfachen Menschen. Sie
lernten, Kräuter und Pflanzen zu
unterscheiden und aus
ihnen Medikamente zu gewinnen, und bei Ihrem Studium
der verschiedenen Pflanzenarten lernten
Sie auch, wie
man sie miteinander kreuzt und
verschiedene Früchte
züchtet. Sie lernten auch, wie man Hähne und Lämmer für
Kampfwettspiele abrichtet und wie man
Papageien das
Sprechen beibringt, so daß sie auf Fragen von Menschen
antworten.
Sie wurden auch
in praktischer Psychologie
unterrichtet, das heißt, Sie lernten, wie man einen anderen
Menschen beeinflussen und ihn auf
diese Weise dazu
bewegen kann, so zu handeln, wie
man es selbst will.
Manchmal wird diese Kunst auch
Hypnose genannt. Sie
lernten, wie man sein Haar wäscht,
es in verschiedenen
Farben tönt und es auf vielerlei
Art in Locken legt. Sie
erlernten die Kunst, den Inhalt
eines Buches zu kennen,
ohne es tatsächlich angeschaut oder
gelesen zu haben.
Ebenso lernten Sie auch, wie man erkennt, was in der geschlossenen Faust eines anderen verborgen
ist. Kinder
versuchen manchmal, diese Kunst nachzuahmen, doch es
gelingt ihnen nur auf höchst
unvollkommene Weise. Bei
diesem Spiel hält ein Kind irgend etwas in der Faust und
fragt einen Freund: "Weißt du, was in meiner Hand ist?"
Der Freund versucht es zu erraten, obwohl er nie weiß, ob
es tatsächlich stimmt. Doch es gibt
eine Kunst, mit der
man ganz genau sagen kann, was der andere in der Faust
hält.
Krsna und Balarama
lernten die Sprachen der
verschiedensten Länder sprechen und
verstehen, und Sie
lernten nicht nur die menschlichen
Sprachen — Krsna
konnte sogar mit den Tieren und Vögeln reden, wie in den
Vaisnava-Schriften der Gosvamis bestätigt
wird. Danach
lernten Sie, wie man Kutschen und Himmelsflugzeuge aus
Blumen baut. Im
Ramayana wird
berichtet, daß
Ramacandra nach Seinem Sieg über
Ravana in einem
Himmelsflugzeug aus Blumen, genannt puspa-ratha, von
Lanka nach Bharata-varsa geflogen wurde. Krsna erlernte
danach die Kunst, anhand von
Vorzeichen zukünftige
Ereignisse vorauszusagen.
Es gibt ein
Buch, die
Khanar-vacana, in dem die verschiedenen
Vorzeichen
und Omen erklärt werden. Wenn man
zum Beispiel aus
dem Hause geht und einem Menschen begegnet, der einen
gefüllten Wassereimer trägt, ist dies ein gutes Vorzeichen.
Doch wenn man jemanden mit einem leeren Eimer sieht,
ist dies kein gutes Zeichen. Ebenso
ist es ein gutes
Zeichen, wenn man ein Kalb sieht, das gerade die Milch
seiner Mutter trinkt. Wer all diese
Zeichen zu deuten
weiß, ist imstande, die Zukunft vorherzusagen, und Krsna
erlernte auch diese Wissenschaft. Dann erlernte Krsna die
Kunst, matrkas zusammenzustellen. Ein
matrka ist ein
magisches Quadrat mit neun Feldern,
bei dem man die
Buchstaben längs und quer und vertikal zusammenzählen
kann und dabei immer neun erhält.
Entsprechend den
verschiedenen Zwecken gibt es die
verschiedenartigsten
matrkas.
Krsna erlernte die Kunst, Edelsteine, wie zum Beispiel
Diamanten, zu schleifen, und die
Kunst, in Gedichtform
Fragen zu stellen und Antworten zu
geben, indem man
diese Gedichte aus dem Stegreif heraus verfaßt. Er wurde
in der Wissenschaft der
Aktionen und Reaktionen
physikalischer Verbindungen und Vorgänge
unterrichtet,
und Er erlernte die Kunst des Psychiaters, die Psyche von
anderen zu verstehen. Dazu lernte Er auch, wie man seine
eigenen Wünsche zufriedenstellen kann. Wünsche können
nur sehr schwer erfüllt werden, und
deshalb gibt es eine
Kunst, mit der man selbst die
unvernünftigsten und
zügellosesten Wünsche, die
niemals erfüllt werden
können, bezwingen und beruhigen kann. Mit dieser Kunst
kann man auch sexuelle Verlangen,
die manchmal sogar
im brahmacari-Leben auftreten, überwinden.
Mit dieser
Kunst kann man sogar einen Feind
zu seinem Freund
machen und die direkten Einflüsse physischer Elemente in
eine andere Richtung lenken.
Nachdem Sri Krsna und
Sri Balarama, die das
Behältnis allen Wissens sind, gezeigt hatten, daß Sie alle
oben genannten Künste und Wissenschaften beherrschen,
boten Sie Ihrem Lehrer Ihre Dienste
an und versprachen
ihm, ihm jeden Wunsch zu erfüllen.
Diese Gabe des
Schülers an seinen Lehrer oder
spirituellen Meister wird
guru-daksina genannt. Es ist sehr
wichtig, daß sich ein
Schüler bemüht, den Lehrer aus
Dankbarkeit für alles,
was er von ihm in spiritueller
wie auch in materieller
Hinsicht gelernt hat, zu erfreuen
und zufriedenzustellen.
Als Krsna und Balarama Ihrem Lehrer
Sandipani Muni
Ihre Dienste anboten, hielt dieser
es für weise, Sie um
etwas ganz Außergewöhnliches zu bitten, etwas, das kein
gewöhnlicher Schüler geben könnte. Er beriet sich
daher
mit seiner Frau, was man von den beiden wohl am besten
erbitten würde. Sie hatten schon oft Krsnas und Balaramas
außergewöhnliche Kräfte gesehen und waren
sich daher
bewußt, daß die beiden Jungen die Höchste Persönlichkeit
Gottes waren. So
entschlossen sie sich,
Krsna und
Balarama um die Rückkehr ihres Sohnes zu bitten, der am
Strand von Prabhasa-ksetra im Ozean ertrunken war.
Als Krsna und Balarama von Ihrem
Lehrer über den
Tod seines Sohnes hörten, begaben
Sie Sich mit Ihrer
Kutsche sofort zum Ozean, und am Strand angekommen,
forderten Sie die beherrschende Gottheit des Meeres auf,
den Sohn Ihres Lehrers zurückzugeben.
Der Meeresgott
erschien auch prompt vor dem Herrn und brachte Ihm mit
aller Demut seine achtungsvollen Ehrerbietungen dar.
Der Herr sagte: "Vor einiger Zeit
hast du den Sohn
Unseres Lehrers ertrinken lassen. Ich
befehle dir, ihn
wieder zurückzugeben."
Daraufhin antwortete der
Meeresgott: "Der Junge
wurde in Wirklichkeit nicht von mir
gefangen, sondern
von einem Dämon namens
Pancajana. Dieser große
Dämon haust gewöhnlich tief im
Wasser in der Gestalt
einer Muschel. Vermutlich wurde der Sohn Eures Lehrers
von ihm verschlungen und liegt nun in seinem Bauch."
Als Krsna dies erfuhr, tauchte Er
tief in das Wasser
hinein, bis er auf den Dämon
Pancajana stieß. Er tötete
ihn auf der Stelle, konnte aber in dessen Innern den Sohn
Seines Lehrers nicht finden. Deshalb
nahm Er den toten
Körper des Dämons (in Form einer Muschel) und
kehrte
damit zu Seiner Kutsche am Strand
von Prabhasa-ksetra
zurück. Von dort fuhr Er sogleich
nach Samyamani, der
Residenz Yamarajas, des Herrn des Todes. Begleitet von
Seinem älteren Bruder Balarama, der auch als Halayudha
bekannt ist, traf Krsna
dort ein und blies
in Sein
Muschelhorn.
Als Yamaraja den Klang des Muschelhorns vernahm,
erschien er sogleich vor Sri Krsna
und empfing Ihn mit
aller Achtung und Ehrerbietung. Yamaraja
wußte, wer
Krsna und Balarama waren, und so
bot er dem Herrn
sofort seine demütigen Dienste an.
Krsna und Balarama
waren zwar scheinbar als gewöhnliche Menschen auf der
Erde erschienen, doch in Wirklichkeit sind Sie die Überseele im Herzen eines jeden
Lebewesens. Obgleich Sie
Visnu Selbst sind,
spielten Sie die Rolle
zweier
gewöhnlicher Menschenkinder.
Als Yamaraja seine
Dienste anbot, bat ihn Sri Krsna, den Sohn Seines Lehrers
zurückzugeben, der als Folge seiner
Tätigkeiten zu ihm
ins Reich des Todes gekommen war. "Du weißt, daß Ich
der höchste Herrscher bin", sagte Krsna, "und angesichts
dieser Tatsache solltest du Mir den Sohn Meines Lehrers
unverzüglich zurückgeben."
Yamaraja übergab der Höchsten Persönlichkeit Gottes
daraufhin den Knaben, und Krsna und Balarama brachten
diesen sogleich zu seinem Vater
zurück. Sodann fragten
die beiden Brüder Ihren Lehrer, ob er noch einen weiteren
Wunsch habe, doch Sandipani Muni
antwortete: "Meine
lieben Söhne, Ihr habt genug für mich getan. Ich bin nun
völlig zufrieden, denn was kann
sich ein Mensch noch
wünschen, der zwei Schüler wie Euch hat? Meine lieben
Jungen, Ihr könnt
nun nach Hause
gehen. Eure
ruhmvollen Taten werden für alle
Zeiten überall auf der
Welt bekannt sein. Ihr steht zwar über jeglicher Segnung,
doch es ist meine Pflicht, Euch zu segnen. Daher gebe ich
Euch die Segnung, daß alles, was
Ihr jemals sprechen
werdet, ewig frisch bleiben wird wie die Anweisungen der
Veden. Eure Lehren werden nicht nur
innerhalb dieses
einen Universums oder nur in diesem
einen Zeitalter
geehrt werden, sondern an allen
Orten und zu allen
Zeiten. Sie werden in immer
stärkerem Maße neu und
bedeutsam bleiben." Wegen
dieser Segnung Seines
Lehrers ist Sri
Krsnas Bhagavad-gita
ewig in
zunehmendem Maße frisch und lebendig, und sie ist nicht
nur in diesem Universum, sondern auch in vielen anderen
berühmt.
Auf die Anweisung Ihres Lehrers hin
kehrten Krsna
und Balarama unverzüglich in Ihrer Kutsche nach Hause
zurück. Sie reisten mit der
Geschwindigkeit des Windes
und
verursachten
dabei
Geräusche wie
zusammenstoßende Wolken. Die Einwohner von Mathura,
die Krsna und Balarama schon seit langer Zeit nicht mehr
gesehen hatten, waren bei Ihrer Heimkehr außer sich vor
Freude. Sie fühlten sich so
glücklich wie Menschen, die
ihren verlorenen Besitz wiedererlangt haben.
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 44. Kapitel des Krsna-Buches:
"Krsna bringt den Sohn Seines Lehrers zurück".