42. Kapitel: Die Vernichtung des
Elefanten Kuvalayapida
Nachdem Krsna und Balarama Ihr Bad genommen und
auch alle anderen morgendlichen Pflichten beendet hatten,
vernahmen Sie das Dröhnen der
Kesselpauken, das vom
Ringkampfstadion herüberdrang. Sofort machten Sie Sich
auf den Weg zum
Kampfplatz, um Sich den
Spaß
mitanzusehen. Als Krsna und Balarama
beim Tor des
Ringkampfstadions anlangten, sahen Sie
dort einen gewaltigen Elefanten namens Kuvalayapida, der von einem
Wärter geführt wurde.
Der Wärter versperrte Ihnen
absichtlich den Weg, indem er den Elefanten vor dem Tor
stehen ließ. Krsna wußte, was der
Wärter im Sinn hatte,
und so machte Er Sich zum Kampf bereit, indem Er Sein
Gewand fester gürtete. Mit drohender Stimme, gleich dem
rollenden Donner einer Wolke, sprach
Er zum Wärter:
"Du Schurke von einem Tierwärter, gib den Weg frei und
laß Mich durch. Wenn du noch
länger den Eingang
versperrst, schicke Ich
dich mit deinem Elefanten
augenblicklich zur Adresse des personifizierten Todes."
Als der Wärter hörte, wie er
von Krsna beschimpft
wurde, wurde er
sehr zornig, und
um Krsna
herauszufordern, stachelte er, ganz wie
es geplant war,
den Elefanten zum Angriff an. Der
Elefant erschien wie
der unvermeidliche Tod, und er stürzte sich auf Krsna, um
Ihn mit seinem Rüssel zu packen; doch Krsna sprang flink
zur Seite und lief hinter den
Elefanten. Weil der Elefant
mit seinen Augen nicht weiter als bis an sein Rüsselende
sehen konnte, konnte er Krsna nicht
ausfindig machen,
der Sich hinter seinen Beinen
versteckte. Trotzdem versuchte er erneut, Krsna irgendwie
mit seinem Rüssel zu
ergreifen, doch Krsna entwischte ihm
auch diesmal, lief
wieder auf die andere Seite und
ergriff den Elefanten
beim Schwanz. Krsna zog am Schwanz und schleifte den
Elefanten mit unglaublicher Kraft etwa
fünfundzwanzig
Meter hinter Sich
her, genau wie
Garuda eine
unbedeutende Schlange durch den Staub
schleift. Krsna
zog den Elefanten von links nach
rechts und von rechts
nach links, so wie Er als
Kind manchmal ein Kalb am
Schwanz gezogen hatte. Danach sprang
Krsna vor den
Elefanten und versetzte ihm einen
heftigen Schlag, um
dann abermals den
Augen Seines
Gegners zu
entschwinden, indem Er hinter ihn
lief. Dann warf Sich
Krsna vor die Beine des Elefanten
und brachte ihn
dadurch zum Stolpern, so daß er
niederstürzte. Krsna
sprang sofort wieder auf die Beine, doch der Elefant, der
glaubte, daß Krsna immer noch auf
dem Boden liege,
versuchte, Ihn mit einem Stoßzahn zu durchbohren, den er
mit aller Kraft in den Boden rammte. Obgleich der Elefant
bereits abgekämpft und äußerst zornig war, bemühte sich
der Wärter, der auf ihm ritt, ihn weiter anzustacheln. Der
Elefant stürzte sich deshalb wie
von Sinnen auf Krsna,
doch sowie er in Krsnas Reichweite
kam, packte dieser
seinen Rüssel und riß ihn zu
Boden. Als Kuvalayapida
mitsamt dem Wärter zu Boden
stürzte, sprang Krsna auf
den Rücken des
Elefanten, zerschmetterte ihm das
Rückgrat und erschlug auch den Wärter. Nach vollendeter
Tat nahm Krsna einen der beiden
Elfenbeinzähne auf
Seine Schulter. Geschmückt
mit Schweißtropfen und
besprengt mit dem Blut des
Elefanten, fühlte Er Sich
überaus glücklich, und so schritt
Er auf die Kampfarena
zu. Sri Balarama nahm
den anderen Stoßzahn des
Elefanten und legte ihn auf Seine Schulter, und begleitet
von Ihren Freunden, den Kuhhirtenjungen,
betraten Sie
die Arena.
Als Krsna zusammen mit
Balarama und Seinen
Freunden die
Kampfarena betrat,
sahen Ihn alle
Anwesenden auf ihre ganz persönliche
Weise, die von
ihrer jeweiligen Beziehung (rasa) zu
Ihm abhing. Krsna
ist der Ursprung aller Freude und
aller Arten von rasas,
sowohl derjenigen voller Zuneigung als
auch derjenigen
voller Feindlichkeit. Den Ringern
erschien Er wie ein
Blitz, und die Zuschauer sahen in Ihm die wunderschönste
Person. Die Frauen sahen in Ihm
den bezauberndsten
Mann, den Liebesgott in Person, der
ihre lustvollen
Verlangen erweckte. Die Kuhhirten sahen in Krsna ihren
Verwandten, der aus demselben Dorf
kam wie sie. Den
ksatriya-Königen erschien Er als der stärkste Gebieter; für
Seine Eltern, Nanda und Yasoda, war
Er ihr geliebtes
Kind, und Kamsa, dem
König der Bhoja-Dynastie,
erschien Er wie der
personifizierte Tod. Die Unintelligenten hielten Ihn
für einen unvollkommenen
Menschen; die anwesenden
yogis sahen Ihn als die
Überseele, und die Angehörigen der Vrsni-Dynastie sahen
Ihn als ihren berühmtesten Abkömmling. So wurde Krsna
von den einzelnen Anwesenden auf
verschiedene Weise
wahrgenommen, als Er zusammen mit
Balarama und
Seinen Freunden, den Kuhhirtenjungen, die
Kampfarena
betrat. Als Kamsa
vernahm, daß Krsna
bereits den
Elefanten Kuvalayapida getötet hatte,
wußte er nun mit
aller Klarheit, daß Krsna über gewaltige Kräfte
verfügte,
und deshalb erfüllte ihn panische
Angst. Krsna und
Balarama hatten lange Arme; Sie
waren sehr schön
gekleidet, und alle Menschen, die
sich dort versammelt
hatten, fühlten sich zu Ihnen
hingezogen. Sie waren
gekleidet, als gingen Sie zu einem Bühnenauftritt, und so
zogen Sie die Aufmerksamkeit aller auf Sich.
Als die Bürger von Mathura Krsna,
die Höchste
Persönlichkeit Gottes, sahen, überkam sie
große Freude,
und sie betrachteten
Sein Gesicht mit unersättlichen
Blicken, als würden sie den Nektar des Himmels trinken.
Krsna zu sehen bereitete ihnen eine solche Seligkeit, daß
es nicht nur schien, als tränken
sie den Nektar Seines
Antlitzes, sondern auch, als atmeten
sie den Duft Seines
Körpers ein, als kosteten sie
Seinen Geschmack und
schlössen Ihn und Balarama in die Arme. So entspannen
sich unter den Bürgern von Mathura
Gespräche über die
beiden transzendentalen Brüder. Schon oft hatten sie von
Krsnas und Balaramas Schönheit und
von Ihren Taten
gehört, doch nun sahen sie Krsna
und Balarama mit
eigenen Augen, von Angesicht zu Angesicht. Sie dachten,
Krsna und
Balarama seien
zwei vollständige
Inkarnationen der
Höchsten Persönlichkeit Gottes,
Narayana, die in Vrndavana erschienen seien.
Die Bürger von Mathura kamen auch
auf Krsnas
Spiele zu sprechen, und sie erzählten einander, wie Er als
der Sohn von Vasudeva erschienen
war, wie Er in die
Obhut von Nanda Maharaja und seiner
Frau in Gokula
gebracht worden war und was alles
dazu geführt hatte,
daß Er nun nach Mathura gekommen
war. Sie sprachen
darüber, wie Er die Dämonin Patana
und Trnavarta, der
sich in einen Wirbelsturm verwandelt
hatte, getötet hatte
und wie Er die
beiden Zwillingsbrüder
aus den
yamala-arjuna-Bäumen befreit hatte. Die
Bürger von
Mathura sprachen
zueinander: "Sankhasura, Kesi,
Dhenukasura und noch viele andere
Dämonen wurden
von Krsna und Balarama in Vrndavana
getötet. Ebenso
rettete Krsna alle Kuhhirten von
Vrndavana vor einem
verheerenden Waldbrand. Er
bestrafte die Schlange
Kaliya im Wasser der Yamuna und
brach den Hochmut
des Himmelskönigs Indra. Sieben Tage
lang hielt Krsna
mit einer Hand den riesigen
Govardhana-Hügel empor
und rettete so
alle Bewohner
Gokulas vor den
unablässigen Regenfällen,
den Orkanen und
den
Gewitterstürmen." Und immer wieder kamen
ihnen neue
ergötzliche Spiele des Herrn in den
Sinn: "Die Mädchen
von Vrndavana waren so bezaubert,
wenn sie Krsnas
Schönheit sahen und an Seinen
Spielen teilnahmen, daß
sie den Zweck ihres materiellen Daseins vergaßen. Indem
sie Krsna sahen und ständig an Ihn dachten, vergaßen sie
alle materiellen Sorgen." Die Einwohner
von Mathura
kamen auch auf die Yadu-Dynastie zu
sprechen und
sagten, daß sie für alle Zeit
die berühmteste Familie im
Universum bleiben werde, da Krsna in ihr erschienen sei.
Dann begannen die Einwohner Mathuras
über Balarama
zu sprechen. Sie sprachen über
Seine wunderschönen,
lotosblütenförmigen Augen, und
sie sagten: "Dieser
Knabe hat den Dämon
Pralamba und viele andere
Dämonen getötet." Während sie so
über die Taten von
Krsna und Balarama
sprachen, erklang plötzlich die
Musik der Kapellen, die den Beginn der Ringkampfspiele
ankündigte.
Daraufhin wandte
sich Canura, der
berühmte
Ringkämpfer, an Krsna
und Balarama. "Mein lieber
Krsna, mein lieber Balarama", sagte
er, "wir haben viel
von Euren Taten gehört. Ihr seid
wirklich große Helden,
und deshalb hat Euch der König rufen lassen. Wir haben
auch gehört, daß Ihr für die außerordentliche Stärke Eurer
Arme bekannt seid. Der König und
alle Zuschauer hier
sind begierig, Eure
Ringkampftalente zu sehen. Ein
Bürger muß immer gehorsam sein und den herrschenden
König erfreuen; wenn er sich daran
hält, ist ihm aller
Wohlstand sicher. Wehe dem aber,
der nicht gehorchen
will, denn er zieht den Zorn des Königs auf sich. Ihr seid
Kuhhirtenjungen, und wie ich gehört
habe, liebt Ihr es,
beim Hüten Eurer
Kühe im Wald
Ringkämpfe
untereinander auszutragen. Wir bitten Euch daher, daß Ihr
zur Freude aller Anwesenden und des Königs an unserem
Ringkampf teilnehmt."
Krsna durchschaute natürlich sogleich die
wahren
Absichten Canuras und war bereit,
mit ihm zu kämpfen.
Doch entsprechend
der Zeit und
den Umständen
antwortete Er: "Du bist ein
Untertan des Königs von
Bhoja, und du lebst im Dschungel. Wir sind indirekt auch
seine Untertanen und versuchen, ihn
so gut wie möglich
zufriedenzustellen. Er hat Uns eine große Ehre erwiesen,
indem er Uns zum Ringkampf einlud,
doch trotz allem
mußt du bedenken, daß Wir nur
kleine Jungen sind, die
manchmal im Wald von Vrndavana mit
ihren gleichaltrigen Freunden spielen. Wir halten
es für das beste, nur
mit gleichaltrigen und gleichstarken Gegnern zu kämpfen,
denn es würde die Zuschauer
lediglich abstoßen, wenn
Wir Uns mit so überragenden Ringern
wie euch messen
würden. Ein solch ungleicher Kampf würde bestimmt im
Widerspruch zu ihren religiösen Prinzipien stehen." Krsna
deutete somit an,
daß diese
berühmten, starken
Ringkämpfer Ihn und Balarama besser nicht zum Kampf
herausfordern sollten.
Daraufhin entgegnete Canura: "Mein lieber Krsna, wir
wissen, daß man Dich weder als
Kind noch als Jüngling
bezeichnen kann. Du befindest Dich
über allen Wesen,
genau wie auch Dein großer Bruder
Balarama. Du hast
bereits den Elefanten Kuvalayapida
getötet, der so stark
war, daß er es mit Tausenden
von anderen Elefanten
aufnehmen konnte. Du hast ihn auf wunderbare Weise besiegt, und weil Du so stark bist, steht es Dir durchaus zu,
mit den besten Ringern von uns
zu kämpfen. Ich selbst
möchte daher mit Dir ringen, und
Dein älterer Bruder
Balarama soll mit Mustika kämpfen."
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 42. Kapitel des Krsna-Buches:
"Die Vernichtung des Elefanten Kuvalayapida".