Die Transzendentalen
Spiele Sri Krishnas
Von
Seiner Heiligkeit A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
3. Kapitel: Die Geburt Sri Krsnas
In der Bhagavad-gita sagt der Herr, daß Sein Erscheinen, Seine Geburt und Seine Taten transzendental sind und daß jeder, der sie wirklich versteht, sofort die Befähigung erlangt, in die spirituelle Welt erhoben zu werden. Die Geburt oder vielmehr das Erscheinen des Herrn ist also nicht mit der eines gewöhnlichen Menschen zu vergleichen, der gezwungen ist, entsprechend seinen vergangenen Taten einen materiellen Körper anzunehmen. Warum der Herr erscheint, wurde bereits im Zweiten Kapitel dieses Buches erklärt: Er erscheint aus Seiner eigenen Freude.
Als die Zeit für das Erscheinen des Herrn heranreifte, bildeten die Gestirne glückverheißende Konstellationen, wobei der starke Einfluß des Sternes Rohini besonders auffällig war. Dieser Stern gilt als sehr glückbringend. Er steht unter der direkten Aufsicht Brahmas. Nach der Erkenntnis der Astrologen gibt es neben der normalen Stellung der Sterne auch günstige und ungünstige Momente, die durch unterschiedliche Stellungen der verschiedenen Planetensysteme verursacht werden. Zur Zeit der Geburt Krsnas ordneten sich die Planetensysteme wie von selbst so um, daß ihr Einfluß sehr glückverheißend wurde.
Zu jener Zeit herrschte überall im Osten, Westen Süden und Norden eine Atmosphäre des Friedens und des Glücks. Günstige Gestirne waren am Himmel sichtbar, und auf der Erde zeigten sich in allen Städten und Dörfern, auf allen Weiden und Wiesengründen und im Geiste eines jeden Zeichen des Glücks. Die Flüsse schwollen an mit klarem Wasser, und die Seen waren mit farbenprächtigen Lotosblumen übersät. Überall in den Wäldern waren schöne Vögel und Pflanzen zu sehen. Die Vögel in den Wäldern hoben nun an, mit lieblichen Stimmen zu singen, und die Pfauen mit ihren Weibchen tanzten dazu. Der Wind, der den Duft vieler Blumen mit sich trug, wehte sehr wohltuend und verlieh den körperlichen Sinnen ein angenehmes Gefühl.
Die brahmanas, die seit jeher im Feuer Opfergaben darzubringen pflegten, sahen, daß in ihren Häusern die Bedingungen für solche Opfer erneut sehr günstig geworden waren, denn wegen der Verfolgung, die die dämonischen Könige angeordnet hatten, waren in den Häusern der brahmanas fast keine Feueropfer mehr durchgeführt worden; doch nun bot sich ihnen auf einmal die Gelegenheit, das Feuer wieder in Frieden zu entzünden. Als den brahmanas das Darbringen von Opfern verboten worden war, hatte sich in ihrem Geist, ihrer Intelligenz und in ihren Tätigkeiten Betrübtheit ausgebreitet; doch zu der Zeit, da Sri Krsna erscheinen sollte, wurden sie von Freude erfüllt, denn sie konnten deutlich hörbare Schwingungen transzendentaler Klänge vom Himmel vernehmen, die das Erscheinen der Höchsten Persönlichkeit Gottes ankündigten.
Die Bewohner der Gandharva- und Kinnara-Planeten begannen zu singen, und die Bewohner von Siddhaloka und den Planeten der Caranas brachten zur Freude der Persönlichkeit Gottes Gebete dar. Auf den himmlischen Planeten versammelten sich die Engel zusammen mit ihren Frauen und den Apsaras und führten bezaubernde Tänze auf. Die großen Weisen und Halbgötter ließen voller Freude Blumen niederregnen. An der Meeresküste war das Rauschen sanfter Wellen zu vernehmen, und aus den Wolken über dem Meer erklang angenehm schallender Donner.
Als sich alles in solcher Harmonie befand, erschien in der Dunkelheit der Nacht Sri Visnu, der im Herzen eines jeden Lebewesens gegenwärtig ist, als die Höchste Persönlichkeit Gottes vor Devaki, die wie eine Halbgöttin anmutete. Das Erscheinen Sri Visnus zu jener Zeit kann mit dem Vollmond verglichen werden, der am östlichen Horizont aufging. Man könnte einwenden, es sei nicht möglich, daß der Vollmond zu diesem Zeitpunkt aufgegangen sei, da Sri Krsna doch am achten Tag des abnehmenden Mondes erschien. Die Erklärung hierzu lautet wie folgt: Sri Krsna erschien in der Dynastie, die vom Mond abstammt, und daher konnte der Mond, obwohl er in jener Nacht eigentlich nur eine Sichel gewesen wäre, durch die Gnade Krsnas als Vollmond erscheinen, überwältigt von der Freude, daß Krsna in der Dynastie erschien, in der er, der Mond, selbst der Stammvater war.
In einer astrologischen Abhandlung namens Khamanikya wird die Konstellation der Gestirne zur Erscheinungszeit Sri Krsnas sehr genau beschrieben. Es wird dort bestätigt, daß das Kind, das in jenem günstigen Augenblick geboren wurde, das Höchste Brahman, die Absolute Wahrheit, war.
Vasudeva betrachtete mit Erstaunen das wundervolle Kind, das vier Arme hatte und in den Händen Muschelhorn, Keule, Feuerrad und Lotosblume hielt. Das Kind war mit dem Srivatsa-Zeichen geschmückt, trug eine Halskette aus kaustubha-Juwelen, war in gelbe Seide gekleidet und glänzte wie eine schwärzliche Wolke. Auf Seinem Kopf befand sich ein Helm, der mit vaidurya-Steinen besetzt war, Es trug wertvolle Armreife, Ohrringe und viele andere Schmuckstücke überall auf Seinem Körper, und Sein Gesicht wurde von einer prächtigen Haarfülle umrahmt. Vasudeva war über die außergewöhnliche Erscheinung des Kindes von Verwunderung ergriffen. Wie konnte ein neugeborenes Kind so wunderschön geschmückt sein? Er konnte deshalb verstehen, daß Sri Krsna nun erschienen war, und diese Erkenntnis überwältigte ihn. Voller Demut fragte sich Vasudeva, wie es möglich sei, daß die alldurchdringende Persönlichkeit Gottes, Visnu, Krsna, als Kind in Seiner ursprünglichen Gestalt vor einem gewöhnlichen Lebewesen wie ihm erschien, der er doch unter dem Einfluß der materiellen Natur stand und sich dazu noch in Kamsas Gefängnis befand. Kein irdisches Kind wird mit vier Armen geboren, geschmückt mit kostbaren Juwelen und schönen Kleidern und versehen mit allen Zeichen der Höchsten Persönlichkeit Gottes. Immer wieder betrachtete Vasudeva sein Kind und überlegte sich, wie er diesen glücklichen Augenblick würdigen könnte. Er dachte bei sich: "Gewöhnlich feiert man die Geburt eines männlichen Kindes mit freudvollen Festen und Zeremonien, und nun wurde mir, obgleich ich gefangen bin, die Höchste Persönlichkeit Gottes geboren. Wie viele Millionen und Abermillionen Male müßte also ich diese glückverheißenden Zeremonien durchführen!"
Als Vasudeva, der auch Anakadundubhi genannt wird, sein neugeborenes Kind ansah, war er so glücklich, daß er den brahmanas viele tausend Kühe als Spende geben wollte. Nach vedischem System verteilt der König großzügige Spenden, wenn im ksatriya-Palast eine glückverheißende Zeremonie gefeiert wird. Dabei werden den brahmanas und Weisen viele mit goldenen Gehängen geschmückte Kühe geschenkt. Vasudeva wollte ebenfalls eine solche Zeremonie durchführen, um Krsnas Erscheinen zu feiern, doch weil er von Kamsa in Ketten gelegt worden war, fehlte ihm jede Möglichkeit dazu. Trotzdem führte er diese Zeremonie durch, indem er den brahmanas einfach in Gedanken Tausende von Kühen schenkte.
Als Vasudeva überzeugt war, daß das neugeborene Kind die Höchste Persönlichkeit Gottes war, kniete er mit gefalteten Händen nieder und verbeugte sich, um Ihm seine Gebete darzubringen. Vasudeva befand sich auf der transzendentalen Ebene und war von aller Furcht vor Kamsa völlig befreit. Die Ausstrahlung des neugeborenen Kindes erfüllte den ganzen Raum, in dem Es erschienen war, mit einem hellen Licht. Vasudeva betete: "O Herr, ich verstehe, wer Du bist. Du bist die Höchste Persönlichkeit Gottes, die Überseele aller Lebewesen und die Absolute Wahrheit. Du bist in Deiner ursprünglichen, ewigen Gestalt erschienen, die jetzt von uns direkt wahrgenommen werden kann, und ich verstehe, daß Du erschienen bist, nur um mich von der Furcht vor Kamsa zu befreien. Du gehörst nicht zur mate- riellen Welt; vielmehr bist Du derjenige, der einfach nur durch einen Blick über die materielle Natur die kosmische Manifestation erschafft."
Man könnte einwenden, der Höchste Herr, der die gesamte kosmische Manifestation einfach durch Seinen Blick erschafft, könne nicht im Leib Devakis, der Frau Vasudevas, erscheinen. Um dieses Argument zu widerlegen, sagte Vasudeva: "Mein lieber Herr, es ist nicht weiter verwunderlich, daß Du im Leib Devakis erschienen bist, denn auf dieselbe Weise hast Du auch die Schöpfung durchgeführt. Du lagst als Maha-Visnu im Ozean der Ursachen, und durch Dein Ausatmen entstanden unzählige Universen. Daraufhin gingst Du als Garbhodakasayi Visnu in jedes dieser Universen ein, und dann hast Du Dich in Ksirodakasayi Visnu erweitert und bist auf diese Weise in die Herzen aller Lebewesen und sogar in die Atome eingegangen. Und so ist auch Dein Eintreten in den Leib Devakis zu verstehen. Du scheinst in Devaki eingegangen zu sein, aber gleichzeitig bist Du alldurchdringend. Anhand von Phänomenen, die wir in der materiellen Welt beobachten, können wir verstehen, wie Du gleichzeitig in etwas eingehen und trotzdem allgegenwärtig sein kannst. Die gesamte materielle Energie bleibt selbst dann bestehen, wenn sie in die sechzehn Elemente aufgeteilt wird. Der materielle Körper ist nichts weiter als eine Verbindung der fünf grobstofflichen Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther. Wann immer ein materieller Körper entsteht, scheint es, als ob die dazu erforderlichen Elemente neu geschaffen würden; in Wirklichkeit jedoch existieren diese Elemente zu jeder Zeit unabhängig von den körperlichen Formen, und ebenso existierst Du, obwohl Du als Kind im Leibe Devakis erscheinst, auch außerhalb von ihr. Du weilst immer in Deinem Reich, aber dennoch kannst Du Dich gleichzeitig in Millionen von Formen erweitern. Man muß Dein Erscheinen mit wahrer Intelligenz verstehen, da die materielle Energie ebenfalls von Dir ausgeht. Du bist die ursprüngliche Quelle der materiellen Energie, genau wie die Sonne der Ursprung des Sonnenscheins ist. Der Sonnenschein kann den Sonnenplaneten nicht bedecken, und so kann auch die materielle Energie, da sie Deine Emanation ist, Dich nicht bedecken. Du scheinst unter dem Einfluß der drei Erscheinungsweisen der materiellen Energie zu stehen, doch in Wirklichkeit können Dich diese Erscheinungsweisen nicht bedecken. Alle großen Philosophen bestätigen dies. Mit anderen Worten, obwohl es so aussieht, als seist Du dem Einfluß der materiellen Energie unterworfen, kann sie Dich niemals bedecken."
Wir erfahren aus den Veden, daß vom Höchsten Brahman eine Ausstrahlung ausgeht, wodurch alles erleuchtet wird. Der Brahma-samhita können wir entnehmen, daß das brahmajyoti (die Brahman-Ausstrahlung) vom Körper des Höchsten Herrn ausgeht. Aus der Brahman-Ausstrahlung wiederum geht die gesamte Schöpfung hervor. In der Bhagavad-gita wird gesagt, daß der Herr auch der Erhalter der Brahman-Ausstrahlung ist. Er ist die ursprüngliche Wurzel alles Existierenden. Doch Menschen mit geringer Intelligenz denken, Krsna, die Höchste Persönlichkeit Gottes, nehme materielle Eigenschaften an, wenn Er in der materiellen Welt erscheine. Schlußfolgerungen dieser Art zeugen nicht von großer Weisheit, und nur die weniger Intelligenten vertreten solche Auffassungen.
Die Höchste Persönlichkeit Gottes existiert direkt und indirekt überall; Er weilt außerhalb der materiellen Schöpfung, und gleichzeitig befindet Er Sich auch in ihr. Er existiert in der materiellen Schöpfung nicht nur als Garbhodakasayi Visnu, sondern Er ist auch in jedem Atom gegenwärtig. Alles Existierende beruht auf Seiner Gegenwart. Nichts kann von Seiner Existenz getrennt werden. Aus den vedischen Unterweisungen erfahren wir, daß sich jeder der Höchsten Seele, der ursprünglichen Wurzel allen Seins, zuwenden sollte, da nichts unabhängig von Ihr existiert. Deshalb ist auch die materielle Manifestation eine Umwandlung Seiner Energie. Sowohl die leblose Materie als auch die Lebenskraft, die Seele, geht von Ihm aus. Nur törichte Menschen glauben, der Höchste Herr nehme die Eigenschaften der Materie an, wenn Er erscheine. Selbst wenn Er scheinbar einen materiellen Körper annimmt, ist Er nicht der Bedingtheit der materiellen Natur unterworfen. Mit Seinem Erscheinen hat Krsna allen Fehlvorstellungen und Spekulationen über das Erscheinen und Fortgehen der Höchsten Persönlichkeit Gottes ein Ende bereitet.
"Mein Herr, Dein Erscheinen, Deine Gegenwart und Dein Fortgehen befinden sich jenseits der materiellen Erscheinungsweisen. Weil Du der Kontrollierende alles Existierenden und der Ruheort des Höchsten Brahmans bist, ist in Deiner Person nichts unvorstellbar oder widersprüchlich. Wie Du Selbst gesagt hast, wirkt die materielle Natur unter Deiner Aufsicht ähnlich wie ein Regierungsbeamter, der die Anordnungen seines Vorgesetzten befolgt. Die Wirkung Dir untergeordneter Tätigkeiten kann Dich nicht berühren. Das Höchste Brahman und die Erscheinungswelt existieren in Dir, und alle Vorgänge in der materiellen Natur werden von Dir, o Herr, kontrolliert.
Du wirst suklam genannt. Suklam, die Farbe Weiß, ist die symbolische Repräsentation der Absoluten Wahrheit, da diese nicht durch materielle Einflüsse verunreinigt ist. Brahma wird rakta (rot) genannt, weil er für die Erscheinungsweise der Leidenschaft zuständig ist. Die Dunkelheit gehört zu Siva, weil er den Kosmos vernichtet. Die Schöpfung, Vernichtung und Erhaltung der kosmischen Manifestation wird durch Deine Energien bewirkt, doch Du Selbst wirst niemals davon beeinflußt. Wie in den Veden bestätigt wird (harir hi nirgunah saksat), ist die Höchste Persönlichkeit Gottes immer frei von allen materiellen Erscheinungsweisen. Ebenso steht geschrieben, daß es in der Person des Höchsten Herrn nicht die geringste Spur der Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit gibt.
O Herr, Du bist der Höchste Kontrollierende, die Persönlichkeit Gottes, der Absolute, der die Ordnung der kosmischen Schöpfung aufrechterhält. Und obgleich Du der Höchste Kontrollierende bist, bist Du dennoch in Deiner Güte vor mir erschienen. Du bist gekommen, um die Anhänger der dämonischen Herrscher zu töten, die sich als Könige verkleidet haben, in Wirklichkeit aber Dämonen sind. Ich bin sicher, daß Du sie alle, zusammen mit ihren Anhängern und Soldaten, töten wirst. Ich weiß, daß Du erschienen bist, um den barbarischen Kamsa und seine Anhänger zu töten. Da er wußte, daß Du erscheinen würdest, um ihn und seine Anhänger zu vernichten, hat er bereits alle Deine Brüder, die vor Dir erschienen sind, ermordet. Nun wartet er nur noch auf die Nachricht Deiner Geburt. Sobald er davon hört, wird er mit allen möglichen Waffen erscheinen, um Dich zu vernichten."
Nach diesem Gebet Vasudevas brachte Devaki, die Mutter Krsnas, ihre Gebete dar. Devaki, die sich sehr vor den Grausamkeiten ihres Bruders fürchtete, sagte: "Mein lieber Herr, Deine ewigen Formen wie Narayana, Sri Rama, Hayasirsa, Varaha, Nrsimha, Vamana, Baladeva und Millionen ähnlicher Inkarnationen, die von Visnu ausgehen, werden in den vedischen Schriften als ursprünglich beschrieben. Du wirst als ursprünglich bezeichnet, weil sich all Deine Inkarnationen jenseits der materiellen Schöpfung befinden. Du existiertest, bevor die kosmische Manifestation erschaffen wurde, und deshalb sind all Deine verschiedenen Erweiterungen und Inkarnationen ewig und alldurchdringend. Sie strahlen aus sich selbst heraus, sie unterliegen keiner Veränderung, und keine materielle Erscheinungsweise kann sie verunreinigen. Solche ewigen Formen sind immer voller Wissen und voller Glückseligkeit; sie befinden sich in transzendentaler Tugend, und sie führen fortwährend die verschiedensten Spiele aus. Du bist nicht auf eine bestimmte Form begrenzt; all Deine transzendentalen ewigen Erweiterungen und Inkarnationen sind in sich selbst zufrieden. Mir ist klar, daß Du der Höchste Herr, SriVisnu, bist.
Nach vielen Millionen von Jahren, wenn Brahmas Leben zu Ende geht, wird die kosmische Manifestation vernichtet, und die fünf Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther gehen in das mahat-tattva ein. Das mahat-tattva wiederum tritt unter dem Einfluß der Zeit in die nichtmanifestierte Gesamtheit der materiellen Energie ein. Diese materielle Energie geht in das energetische pradhana ein, und das pradhana geht schließlich in Dich ein. Nach der Vernichtung der gesamten kosmischen Manifestation existierst nur noch Du zusammen mit Deinem transzendentalen Namen, Deiner transzendentalen Gestalt, Deinen transzendentalen Eigenschaften und allem, was mit Dir verbunden ist.
O mein Herr, ich bringe Dir meine respektvollen Ehrerbietungen dar, denn Du bist der Lenker der gesamten nichtmanifestierten Energie, und Du bist das höchste Behältnis der materiellen Natur. Mein Herr, die gesamte kosmische Manifestation steht unter dem Einfluß der Zeit, angefangen von der Dauer eines Augenblickes bis hin zur Dauer eines Jahres. Alles geschieht unter Deiner Aufsicht. Du bist der ursprüngliche Lenker alles Existierenden und die Quelle aller Energien. Die bedingten Seelen fliehen ständig von einem Körper zum nächsten und von einem Planeten zum anderen, aber dennoch entkommen sie den Angriffen von Geburt und Tod nicht. Aber wenn ein solches von der Angst verfolgtes Lebewesen unter den Schutz Deiner Lotosfüße gelangt, findet es Frieden, frei von der Furcht, vom gnadenlosen Tod angegriffen zu werden."
Diese Worte Devakis werden in der Bhagavad-gita vom Herrn Selbst bestätigt. Er sagt dort, daß man durch das ganze Universum reisen kann, von Brahmaloka bis Patalaloka, daß man aber trotzdem dem Angriff von Geburt, Tod, Krankheit und Alter nicht entkommen kann. Wer jedoch in das Königreich Gottes gelangt, sagt der Herr, ist niemals mehr gezwungen, in die materielle Welt zurückzukehren. "Daher bitte ich Dich, o Herr, errette mich aus der Gewalt des grausamen Kamsa, des Sohnes von Ugrasena. Ich bete zu Dir, daß Du mich aus diesem angstvollen Zustand befreien mögest, denn Du bist immer bereit, Deinen Dienern Schutz zu gewähren."
Der Herr hat diese Feststellung in der Bhagavad-gita bestätigt, als Er Arjuna versicherte: "Der ganzen Welt kannst du verkünden, daß Mein Geweihter niemals vergeht."
Während Mutter Devaki so um Schutz betete, wurde ihre mütterliche Liebe deutlich: "Ich weiß, daß Deine transzendentale Gestalt im allgemeinen nur von den großen Weisen in tiefer Meditation geschaut werden kann; aber dennoch befürchte ich nun, wo Du erschienen bist, daß Kamsa Dir Leid zufügen könnte, sobald er davon erfährt. Daher bitte ich Dich, vorerst für unsere materiellen Augen unsichtbar zu werden." Mit anderen Worten, sie bat den Herrn, die Gestalt eines gewöhnlichen Kindes anzunehmen. "Der einzige Grund, warum ich meinen Bruder Kamsa fürchte, bist Du. O Madhusudana, Kamsa weiß vielleicht noch nicht, daß Du geboren wurdest. Daher bitte ich Dich, Deine herrliche vierarmige Gestalt zu verbergen, die die vier Symbole Visnus Muschelhorn, Feuerrad, Keule und Lotosblume hält. Lieber Herr, am Ende der Vernichtung der kosmischen Manifestation nimmst Du das gesamte Universum in Deinen Leib auf, und dennoch bist Du in Deiner reinen Barmherzigkeit in meinem Schoß erschienen. Ich kann es kaum fassen, daß Du wie ein gewöhnliches menschliches Wesen auftrittst, nur um Deine Geweihten zu erfreuen."
Nachdem der Herr die Gebete Devakis angehört hatte, antwortete Er: "Meine liebe Mutter, im Zeitalter des Svayambhuva Manu lebte Mein Vater, Vasudeva, als einer der Prajapatis, und damals hieß er Sutapa, und du warst seine Frau mit Namen Prsni. Als Brahma wünschte, die Bevölkerung zu vermehren, bat er euch, Nachkommenschaft zu zeugen. Daraufhin habt ihr euch darin geübt, eure Sinne zu beherrschen, und ihr habt strenge Entsagung auf euch genommen. Indem ihr die Atemübungen des yoga-Systems praktiziertet, wurdet ihr fähig, alle Einflüsse der materiellen Gesetze zu ertragen: Regenzeiten, Sturmwinde und die glühende Hitze der Sonne. Ihr befolgtet alle religiösen Prinzipien und konntet auf diese Weise euer Herz reinigen und den Einfluß der materiellen Gesetze überwinden. Ihr lebtet in völliger Entsagung und habt euch nur von zu Boden gefallenen Blättern ernährt. Als ihr dann Ausgeglichenheit des Geistes und Freiheit von sexuellen Drängen erlangtet, habt ihr Mich mit dem Wunsch verehrt, eine außergewöhnliche Segnung zu erhalten. Nach der Zeitrechnung der Halbgötter habt ihr zwölftausend Jahre lang strenge Bußen auf euch genommen. Während dieser Zeit waren alle eure Gedanken immer in Mich vertieft. Als ihr Mir in Hingabe dientet und ohne Unterlaß an Mich dachtet, war Ich über euch sehr erfreut. O sündlose Mutter, dein Herz ist deshalb immer rein. Auch zu jener Zeit erschien Ich in dieser Gestalt vor dir und fragte dich nach deinen Wünschen. Damals hast du den Wunsch geäußert, Mich als deinen Sohn zu bekommen. Du sahst Mich persönlich und hättest Mich um vollkommene Befreiung aus der materiellen Knechtschaft bitten können, aber statt dessen hast du Mich, unter dem Einfluß Meiner Energie, gebeten, dein Sohn zu werden."
So wählte Sich der Herr Prsni und Sutapa zu Seinen Eltern, um in der materiellen Welt zu erscheinen. Wann immer der Herr in der Gestalt eines menschlichen Wesens in die materielle Welt hinabsteigt, muß Er jemanden als Vater und jemanden als Mutter haben, und so wählte Er Prsni und Sutapa als Seine ewigen Eltern. Aus diesem Grunde konnten Prsni und Sutapa den Herrn nicht um Befreiung bitten. Befreit zu werden ist nicht so wichtig, wie dem Herrn in transzendentaler Liebe zu dienen. Der Herr hätte Prsni und Sutapa augenblickliche Befreiung gewähren können, doch Er zog es vor, daß sie in der materiellen Welt blieben, damit sie bei Seinen verschiedenen Erscheinungen dabeisein konnten, wie dies im folgenden erklärt wird. Nachdem Prsni und Sutapa vom Herrn die Segnung empfangen hatten, Seine Eltern zu werden, beendeten sie ihre Entsagungen und Bußen und lebten als Mann und Frau zusammen, um ein Kind zu zeugen, das die Höchste Persönlichkeit Gottes Selbst sein sollte. Nach einiger Zeit wurde Prsni schwanger und brachte das Kind zur Welt.
Der Herr sprach weiter zu Devaki und Vasudeva: "Zu jener Zeit war Mein Name Prsnigarbha. Im nächsten Zeitalter wurdet ihr als Aditi und Kasyapa geboren, und Ich wurde euer Kind mit dem Namen Upendra. Meine Gestalt glich der eines Zwerges, und deshalb wurde Ich auch Vamanadeva genannt. Ich gab euch die Segnung, dreimal als euer Sohn zu erscheinen. Das erste Mal wurde Ich von Prsni und Sutapa als Prsnigarbha geboren; bei der nächsten Geburt hieß Ich Upendra, und ihr wart Aditi und Kasyapa, und nun erscheine Ich zum dritten Mal als euer Sohn, als Krsna, der Sohn Devakis und Vasudevas. Ich erschien in dieser Visnu-Gestalt, um euch davon zu überzeugen, daß Ich die gleiche Höchste Persönlichkeit Gottes bin. Ich hätte auch als ein gewöhnliches Kind erscheinen können, doch dann hättet ihr nicht geglaubt, daß dieses Kind aus deinem Schoß die Höchste Persönlichkeit Gottes ist. Meine lieben Eltern, ihr habt Mich viele Male mit großer Zuneigung und Liebe als euer Kind aufgezogen, und daher bin Ich sehr zufriedengestellt. Ich danke euch, und Ich versichere euch, daß ihr dieses Mal zurück nach Hause, zurück zu Gott, gehen werdet. Ich weiß, daß ihr um Mich besorgt seid, denn ihr fürchtet Kamsa. Bringt Mich deshalb sofort nach Gokula und tauscht Mich gegen die Tochter aus, die gerade von Yasoda geboren wurde."
Nachdem der Herr so zu Seinem Vater und zu Seiner Mutter gesprochen hatte, nahm Er die Gestalt eines gewöhnlichen Kindes an und lag schweigend da. Um der Anweisung der Höchsten Persönlichkeit Gottes Folge zu leisten, traf Vasudeva sofort alle notwendigen Vorkehrungen, um mit seinem Sohn das Ge- fängnis, den Schauplatz Seiner Geburt, zu verlassen. Gerade in jener Stunde wurde Nanda und Yasoda in Gokula eine Tochter geboren. Es war Yogamaya, die innere Energie des Herrn, und durch ihren Einfluß wurden alle Bewohner im Palast Kamsas, vor allem die Torwächter, von tiefem Schlaf übermannt. Alle Palasttore öffneten sich, obwohl sie mit eisernen Ketten verschlossen waren. In dieser Nacht herrschte tiefste Finsternis, doch als Vasudeva mit Krsna auf dem Arm in die Nacht hinaustrat, wurde alles hell erleuchtet, als ob die Sonne schien.
Im Caitanya-caritamrta wird gesagt, daß Krsna wie das Sonnenlicht ist und daß dort, wo Krsna ist, die illusionierende Energie, die mit Dunkelheit verglichen wird, nicht standhalten kann. Als Vasudeva Krsna trug, wich die Dunkelheit der Nacht. Alle Gefängnistüren öffneten sich wie von selbst. Zur gleichen Zeit erschallte ein Donnern am Himmel, und schwerer Regen setzte ein. Während Vasudeva seinen Sohn Krsna durch den prasselnden Regen trug, breitete Sesa in der Gestalt einer Schlange seine Häupter über dem Kopf Vasudevas aus, so daß der Regen ihm nichts anhaben konnte. Als Vasudeva zum Ufer der Yamuna kam, sah er, daß diese mit schäumenden Wogen dahinbrauste. Dennoch gab der Fluß, obwohl er so wild erschien, eine Furt frei, damit Vasudeva ungehindert ans andere Ufer gelangen konnte, genau wie auch der Indische Ozean einmal einen Weg für Sri Rama freigegeben hatte. Auf diese Weise überquerte Vasudeva die Yamuna. Als er das Haus Nanda Maharajas in Gokula erreichte, sah er, daß alle Kuhhirten in tiefem Schlaf lagen. Schnell nutzte er die Gelegenheit, betrat leise das Haus von Yasoda und vertauschte seinen Sohn mit dem neugeborenen Mädchen Yasodas. Daraufhin kehrte er zum Gefängnis Kamsas zurück, legte das Mädchen vorsichtig auf den Schoß Devakis und legte sich die Fesseln wieder an, damit Kamsa nicht bemerken konnte, daß in der Zwischenzeit so vieles geschehen war.
Mutter Yasoda war sich bewußt, daß sie ein Kind zur Welt gebracht hatte, aber weil sie von der Anstrengung der Geburt sehr erschöpft war, lag sie in tiefem Schlaf. Als sie erwachte, konnte sie sich nicht mehr erinnern, ob sie ein männliches oder ein weibliches Kind geboren hatte.
Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 3. Kapitel des Krsna-Buches: "Die Geburt Sri Krsnas".